Optimierung des Volumenstatus – Therapie der Hypovolämie
Unbestritten ist die Notwendigkeit einer raschen Volumengabe bei einem hypovolämischen Patienten insbesondere im septischen Schock. Durch eine gezielte rechtzeitige Volumengabe kann das zirkulierende Volumen normalisiert und die renale Perfusion verbessert werden. Eine übermäßige und unreflektierte Volumengabe birgt jedoch diverse Risiken und kann selbst eine AKI verursachen [
58,
65].
Volumenersatz kann mittels kristalloider oder nichtsynthetischer kolloidaler Lösungen sowie einer Kombination beider geleistet werden. Den Grundpfeiler des Volumenersatzes bilden kristalloide Lösungen. Kolloidale Lösungen führen in der Theorie zu einer größeren Plasmaexpansion verglichen mit kristalloiden Lösungen, dies ist jedoch von der Integrität der vaskulären endothelialen Barriere abhängig, die besonders bei septischen Patienten beeinträchtigt sein kann [
12].
Primär sollten zum Volumenersatz kristalloide Lösungen eingesetzt werden. Hierbei sind die spezifischen Nebenwirkungen der zu Verfügung stehenden kristalloiden Lösungen zu berücksichtigen. Bei der Verabreichung einer isotonen Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) besteht das Risiko einer hyperchlorämischen Acidose sowie einer renalen Vasokonstriktion mit Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Bei Verabreichung größerer Mengen von NaCl (>2000–2500 ml) steigt das Risiko für die Induktion einer AKI [
72]. „Balancierte“ Lösungen zeigen diesbezüglich ein deutlich geringeres Risikoprofil und sollten daher bei größeren Infusionsmengen bevorzugt werden [
34]. Dies wird unterstützt durch eine rezente Studie, in welcher durch die Verabreichung von balancierten Kristalloiden im Vergleich zu isotonen Kochsalzlösungen bei kritisch kranken Patienten eine geringere Rate des kombinierten Endpunkts der „Major adverse kidney events“ am Tag 30 (MAKE-30) zu verzeichnen war (14,3 %/1139 Patienten versus 15,4 %/1211 Patienten). Die einzelnen Komponenten des MAKE-30 unterschieden sich jedoch nicht signifikant. Interessanterweise zeigte sich jedoch in der Subgruppe von septischen Patienten auch eine geringere 30-Tage-Krankenhausmortalität von 25,2 % (balancierte Kristalloide) versus 29,4 % (Kochsalzlösungen) mit einer adjustierten Odds Ratio von 0,80 (95 % KI: 0,67–0,97;
p = 0,02; [
73]). Gelingt es mittels kristalloider Lösungen nicht, einen adäquaten Volumenstatus zu erzielen, können zusätzlich kolloidale Lösungen eingesetzt werden. Bei Blutungen kann auch angedacht werden, Blutprodukte (Erythrozytenkonzentrate etc.) zu substituieren. Wenn eine kolloidale Lösung verwendet werden soll, ist am ehesten Humanalbumin heranzuziehen. Für dieses natürlich vorkommende Kolloid sind keine negativen Effekte auf die Nierenfunktion bekannt, während vor allem stärkehaltige Lösungen bei kritisch Kranken die Rate an AKI erhöhen. Zu beachten ist, dass das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der European Medicines Agency (EMA) Anfang Januar 2018 die Empfehlung veröffentlicht hat, Infusionslösungen, die Hydroxyethylstärke (HES) enthalten, aufgrund des Risikos von Nierenschädigungen und erhöhter Mortalität vom Markt zu nehmen [
19]. Im Vergleich zu anderen Kolloiden ist Humanalbumin sicher in der Anwendung, während Dextrane und Gelatine u. a. ein Risiko der Anaphylaxie beinhalten. [
34,
61]. Darüber hinaus wurde bei allen artifiziellen Kolloiden das Vorkommen einer osmotischen Nephrose beschrieben [
18]. Der vielerorts durchgeführte Wechsel zur vermehrten Anwendung von Gelatinepräparaten zur Vermeidung von HES kann in Anbetracht der spärlichen Datenlage derzeit nicht als sicher angesehen werden [
1,
54].
Bevorzugt erfolgt eine Volumentherapie in Form von Flüssigkeitsboli normiert auf das Körpergewicht (ml/kgKG), deren Effektivität anhand von vordefinierten Zielparametern überprüft werden muss. Dynamischen Parametern, wie der Verbesserung des Schlagvolumenindex (SVI) oder des globalen enddiastolischen Volumens (GEDV), ist dabei gegenüber statischen Vorlastparametern, wie zentralvenöser Druck (ZVD) oder pulmonalkapillare Wedge-Druck (PCWP), der Vorzug zu geben. Die Verbesserung der systemischen Laktatclearance kann einen sinnvollen Zielparameter darstellen. Ebenfalls kann das „passive leg raising“ ein einfacher, valider Test sein, den Volumenbedarf klinisch besser einzuschätzen. Hierfür sollte idealerweise das Herzminutenvolumen gemessen werden. Ein zielgerichtetes Volumenmanagement dient auch der Vermeidung eines Volumenüberladungssyndroms, das per se für kritisch kranke Patienten einen Risikofaktor für die Entwicklung einer AKI darstellt und insgesamt mit einer schlechten Prognose einhergeht [
61]. Im perioperativen Setting konnte eine Studie kürzlich zeigen, dass ein Grenzwert für das Harnzeitvolumen von 0,5 ml/kgKG und Stunde möglicherweise zu liberal gesetzt ist, da sich hier kein klinisch relevanter Zusammenhang zwischen perioperativer Harnmenge und der postoperativer AKI-Entwicklung zeigte. Interessanterweise konnte dieser Zusammenhang jedoch bei einem „cut-off“ <0,3 ml/kgKG und Stunde gezeigt werden. Während es sicherlich verfrüht ist, hieraus eindeutige Schlüsse zu ziehen, soll dies darauf hinweisen, dass eine zu liberale Flüssigkeitsgabe bei einer Harnmenge <0,5 ml/kgKG und Stunde mit dem Ziel, eine Oligurie zu behandeln, möglicherweise negative Effekte durch Volumenüberladung (höhere AKI-Inzidenz, postoperative Komplikationen und verlängerte Krankenhausaufenthalte) mit sich zieht [
41,
53].
Aufrechterhaltung eines adäquaten Perfusionsdrucks
Bei der Festlegung eines Blutdruckzielwerts für kritisch kranke Patienten wird in den meisten Richtlinien ein mittlerer arterieller Blutdruck („mean arterial pressure“, MAP) von ≥65 mm Hg empfohlen. Allerdings muss die individuelle Situation berücksichtigt werden und u. a. zwischen Patienten mit vorbestehender arterieller Hypertonie und solchen ohne unterschieden werden.
Bei Patienten im septischen Schock sollte mittels Vasopressoren ein MAP von 65–70 mm Hg angestrebt werden. Ein höherer MAP von 80–85 mm Hg sollte bei vorbestehender Hypertonie angestrebt werden [
2]. Ebenso sollte bei bekannter Hypertonie und akuter zerebraler Blutung der Blutdruck auf einen höheren systolischen Zielwert von 140–179 mm Hg anstatt 110–139 mm Hg gesenkt werden [
66]. Erst kürzlich konnte die INPRESS-Studie („intraoperative norepinephrine to control arterial pressure“) für chirurgische Risikopatienten zeigen, dass eine individualisierte Blutdrucktherapie die Rate an AKI signifikant reduziert. Fällt der intraoperativ systolische Blutdruck nicht mehr als 10 % vom Ausgangswert ab, führt dies zu einer reduzierten Rate an postoperativen Organdysfunktionen und zu einer Reduktion der AKI-Rate (32,7 % vs. 49 %; adjustiertes relatives Risiko 0,70; 95 %-KI: 0,53–0,92;
p = 0,01; [
21]).
Es gibt allerdings auch Anhaltspunkte, dass eine reine Fokussierung auf den MAP nicht ausreicht, um adäquat eine Einschätzung und folglich Steuerung der Perfusion treffen zu können. In der Gesamteinschätzung sollten daher der zentralvenöse Druck („central venous pressure“, CVP), der mittlere Perfusionsdruck („mean perfusion pressure“, MPP = MAP−CVP), die diastolische arterielle Perfusion („diastolic arterial perfusion“, DAP) und der diastolische Perfusionsdruck („diastolic perfusion pressure“, DPP = DAP−CVP) beachtet werden [
20,
69].
Wird die Anwendung eines Vasopressors nötig, empfiehlt es sich, als erste Wahl Norepinephrin zusammen mit einer adäquaten Korrektur einer eventuellen Hypovolämie anzuwenden. Bei Patienten im vasoplegischen Schock nach einer kardialen Operation kann Vasopressin verwendet werden [
34]. Das Mittel der ersten Wahl zur Erhöhung des systemvaskulären Widerstandes in solch einer Situation ist und bleibt Norepinephrin.
Selektive renale Vasodilatation
Um die renale Perfusion aufrecht zu erhalten, wurde in der Vergangenheit Dopamin in niedriger „Nierendosis“ angewandt mit dem Gedanken, einer möglichen, pathologischen renalen Vasokonstriktion entgegenzuwirken. Es zeigt sich jedoch, dass entgegen früherer Annahmen der renale Blutfluss beispielsweise bei einer Sepsis weiterhin erhalten ist, womit sich der theoretische Vorteil von niedrig dosiertem Dopamin nicht erhärtet. Dies konnte in einigen Metaanalysen bestätigt werden, in denen sich zeigte, dass Dopamin in „Nierendosis“ keinen Vorteil in Bezug auf das Auftreten einer AKI hat [
34].
Der Verwendung von Levosimendan mit dem Ziel einer Nephroprotektion zeigte weder bei septischen Patienten noch bei Patienten nach herzchirurgischen Operationen, die präoperativ eine schlechte linksventrikuläre Funktion hatten bzw. postoperativ hämodynamische Unterstützung brauchten, einen Effekt auf die Niere und ist somit nicht als nierenprotektive Maßnahme zu empfehlen [
34].