Bei Belastungsstörungen steigt das kardiovaskuläre Risiko

Wenn einschneidende oder traumatische Erfahrungen Belastungs- oder Anpassungsstörungen verursachen, macht sich das auch am Herz-Kreislauf-System bemerkbar: Das Erkrankungsrisiko ist vor allem, aber nicht nur im ersten Jahr deutlich erhöht. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Über einen Zusammenhang zwischen Reaktionen auf schwere psychische Belastungen und kardiovaskulären Erkrankungen ist in den letzten Jahren häufiger berichtet worden. Die Evidenz speist sich allerdings überwiegend aus Studien mit Männern mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD). Die Studien waren zudem meist zu klein, um das zeitliche Auftreten und die Art der kardiovaskulären Folgen zu studieren, und auch nicht geeignet, den Einfluss von familiären Vorbelastungen auszuschließen. Diesen Mängeln sind Forscher aus Island, Schweden und den USA nun entgegengetreten, indem sie sich die landesweiten und umfassenden Gesundheitsregister in Schweden zunutze gemacht haben. Ihr Vergleich von mehr als 130.000 Personen mit Belastungs- oder Anpassungsstörungen mit gesunden Geschwistern und der Allgemeinbevölkerung bestätigt die Verbindung zu praktisch allen kardiovaskulären Erkrankungen. Besonders gefährlich sind den Ergebnissen zufolge die ersten sechs Monate nach der psychiatrischen Diagnose. Risiko im ersten Jahr um 64% höher als bei Geschwistern Bei den rund 136.600 Patienten war eine akute Belastungsreaktion, eine PTSD oder eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43) diagnostiziert worden. Bei der Diagnose waren sie im Median 36 Jahre alt, der Frauenanteil lag bei 63%, die Nachbeobachtungszeit betrug maximal 27 und median sechs Jahre. Unmittelbar nach der Diagnose war ein Gipfel bei den kardiovaskulären Erkrankungen festzustellen, deren Häufigkeit in den ersten sechs Monaten rasch zurückging, aber auf einem höheren Niveau verblieb. Gegenüber den gesunden Vollgeschwistern hatten die Patienten nach Abgleich von zahlreichen Risikofaktoren (einschließlich psychischer Begleiterkrankungen) im ersten Jahr ein um 64% erhöhtes Risiko für das Neuauftreten einer kardiovaskulären Erkrankung. Die größten Steigerungen gab es bei den Risiken für Herzinsuffizienz (x 7,0), zerebrovaskuläre Erkrankungen (x 5,6), Überleitungsstörungen (x 5,0) und Herzstillstand (x 3,4). Nach Ablauf eines Jahres war das kardiovaskuläre Risiko weiterhin erhöht, aber nur noch um 28%. Ein ähnliches Bild ergab sich beim Vergleich der Patienten mit mehr als 1,3 Millionen nicht betroffenen Menschen aus der allgemeinen Bevölkerung: Innerhalb des ersten Jahres lag ihr Erkrankungsrisiko um 71%, danach noch um 36% höher. "Mehr Wachsamkeit für Herz-Kreislauf-Komplikationen!" Das häufigere Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit Belastungsstörungen erwies sich als unabhängig von Alter, Geschlecht und körperlichen oder seelischen Erkrankungen in der Anamnese. Die Risikosteigerungen waren bei jüngeren Patienten ausgeprägter als bei älteren und manifestierten sich vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor dem 50. Lebensjahr. Klinische Beobachtungen würden dafür sprechen, dass „starke psychische … Belastungen selbst bei augenscheinlich gesunden Menschen unmittelbare kardiovaskuläre Folgen wie Herzinfarkte oder plötzlichen Herztod auslösen können“, so die Studienautoren um Huan Song von der Universitätsklinik Reykjavik. „Unsere Ergebnisse konsolidieren diese Assoziation, indem sie zeigen, dass eine diagnostizierte Belastungsstörung ebenfalls mit akuten kardiovaskulären Ereignissen verknüpft ist.“ Die Studie mahne daher zu verstärkter klinischer Aufmerksamkeit bei Patienten mit vor Kurzem diagnostizierten Belastungsstörungen. Auf Menschen mit weniger schweren Belastungsreaktionen oder Alltagsstress seien die Studienergebnisse aber nicht ohne Weiteres übertragbar. Das Wichtigste in Kürze Frage: Besteht ein Zusammenhang zwischen Belastungsstörungen und dem Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen? Antwort: Patienten mit Belastungs- oder Anpassungsstörungen haben ein langfristig erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, besonders gefährdet sind sie in den ersten sechs Monaten. Bedeutung: Bei Patienten mit neu diagnostizierter Belastungsstörung sollte verstärkt auf das kardiovaskuläre Risiko geachtet werden. Einschränkung: Nur Patienten mit Krankenhausdiagnose einer Belastungsstörung.

Springer Medizin

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