Krebsdiagnose bei Eltern motiviert zu Lebensstiländerungen

Erstgradige Verwandte von Krebspatienten sind eine besonders lohnende Zielgruppe für die Prävention durch Lebensstiländerungen. Darauf deuten die Ergebnisse einer Umfrage in Deutschland hin. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Menschen dazu zu bewegen, ungesunde Verhaltensweisen aufzugeben, das wissen die meisten von sich selbst, ist ein schwieriges Unterfangen. Vermutlich gibt es aber Momente im Leben, in denen die Empfänglichkeit für solche Botschaften größer ist als zu anderen Zeiten. Die Krebserkrankung von Eltern, Geschwistern oder Kindern könnte einer Studie aus Deutschland zufolge einen solchen „teachable moment“ darstellen. Wie die Untersuchung zeigt, schätzen Menschen mit dieser Familienanamnese häufiger als andere ihr Krebsrisiko als überdurchschnittlich ein. Verbunden mit dieser Wahrnehmung besteht eine erhöhte Bereitschaft, gesundheitsschädliche Lebensweisen einzustellen. „Gezielte Präventionsmaßnahmen für Menschen, bei denen ein erstgradiger Verwandter an Krebs erkrankt ist, könnten daher besonders vielversprechend sein – wegen des erhöhten Risikos und wegen der erhöhten Risikowahrnehmung“, schreiben die Studienautoren um Ulrike Haug vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Verwandte von Krebspatienten leben nicht gesünder In der Studie wurden 924 Menschen im Alter ab 35 zu ihrem Gesundheitsverhalten, der Einschätzung ihres Krebsrisikos und ihrer Bereitschaft zu Verhaltensänderungen befragt. 621 Befragte hatten Verwandten ersten Grades mit Krebs von Kolorektum, Lunge, Prostata, Brust, Magen oder Zervix/Uterus, wobei die meisten Krebsdiagnosen schon einige Jahre zurücklagen (im Median 19 Jahre, wenn ein Elternteil, und zehn Jahre, wenn ein Geschwister oder Kind erkrankt war). Die übrigen 303 Befragten mit gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung hatten keine solche Familienanamnese. Ungünstige Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder wenig körperliche Bewegung sowie ein hoher BMI waren bei Studienteilnehmern mit Krebs in der Familie nicht seltener als in der Vergleichsgruppe. Bei Befragten, die Verwandte mit Lungenkrebs hatten, war der Anteil der Raucher sogar höher als in der Kontrollgruppe (38% vs. 26%). Eigenes Risiko wird höher eingeschätzt Das eigene Krebsrisiko schätzte etwa die Hälfte der Teilnehmer als „durchschnittlich“ ein, und zwar in beiden Gruppen. Der Anteil derjenigen, die ihr Risiko als höher/viel höher als der Durchschnitt wahrnahmen, war jedoch bei Krebs in der Familie mit 18% (bei Darmkrebs) bis 30% (bei Magenkrebs) deutlich höher als bei leerer Familienanamnese mit 4%. Die Bereitschaft, gesünder als bisher zu leben, war nach Bekunden der Teilnehmer größer, wenn sie ihr Krebsrisiko als überdurchschnittlich einschätzten. Bei den aktiven Rauchern unter ihnen lag im Vergleich zu Personen, die ihr Erkrankungsrisiko für unterdurchschnittlich hielten, der Anteil der Aufhörwilligen um 18% höher (64% vs. 46%). Auch Menschen, die viel Alkohol konsumierten, wenig Obst und Gemüse aßen oder sich kaum bewegten, waren eher motiviert, dies zu ändern, wenn sie sich als besonders krebsgefährdet betrachteten. "Fruchtbarer Boden für Präventionsbotschaften" "Die Wahrnehmung eines höheren persönlichen Krebsrisikos war bei Patienten mit krebskranken Verwandten ersten Grades erheblich stärker verbreitet und fiel zusammen mit einer signifikant höheren Motivation, einen ungesunden Lebensstil zu ändern“, schreiben Haug und Kollegen. Dass die Patienten mit Krebs in der Familienanamnese tatsächlich aber nicht gesünder lebten als die Vergleichsgruppe – eine Beobachtung, die so auch in anderen Studien gemacht wurde –, könnte den Studienautoren zufolge damit zusammenhängen, dass der „Lerneffekt“ einer Krebserkrankung nur vorübergehend ist, zumindest wenn eine anschließende Verhaltensänderung nur auf Eigeninitiative beruht. Sie plädieren dafür, den Nutzen einer Intervention zugunsten einer gesünderen Lebensweise zu testen, und zwar kurz nach einer Krebsdiagnose bei nahen Verwandten, wenn sie vermutlich „auf besonders fruchtbaren Boden falle“. Selbst wenn nur wenige Menschen zu Lebensstiländerungen motiviert werden könnten, versprechen sich Haug und Kollegen wegen der großen Zahl solcher Patienten auf Bevölkerungsebene „beträchtliche Auswirkungen“. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirkt sich Krebs bei einem Verwandten ersten Grades auf die Bereitschaft zu Verhaltensänderungen aus? Antwort: Die Betroffenen schätzen ihr Krebsrisiko häufiger als erhöht ein. Mit dieser Wahrnehmung steigt die Bereitschaft zu Lebensstiländerungen. Bedeutung: Eine Krebserkrankung in der Familie ist möglicherweise ein Anknüpfungspunkt, um Patienten zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen. Einschränkung: Die Studie beruht auf Selbstauskünften, eine Intervention wurde nicht getestet.

Springer Medizin

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