Physician Assistants: Entlastung für Ärzte, Perspektive für MFA

In Westfalen-Lippe setzen KV und ein Ärztenetz auf den Einsatz von Physician Assistants in den Praxen. Sie sollen dazu beitragen, die Patientenversorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Mit der Qualifizierung von Medizinischen Fachangestellten (MFA) zu Physician Assistants (PA) schlagen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erhalten die dringend benötigte Entlastung und können gleichzeitig qualifizierte MFA fördern und sie davon abhalten, in andere Bereiche oder Regionen abzuwandern. „Wir investieren in hochmotivierte Mitarbeiter, das ist eine Investition in die Zukunft“, sagte Dr. Amin Osman auf einer Veranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) in Dortmund. Der „KVWL Summit 2023“ stand unter dem Motto: „Ambulante Versorgung unter Druck – Wie Delegation und Kooperation die Versorgung von morgen sichern können“. Allgemeinmediziner Osman betreibt eine Praxis mit mehreren Standorten im Münsterland. Er ist 1. Vorsitzender des Ärztenetzes MedNet Borken und Umgebung. Das Netz hat mit eigenen Mitteln Stipendien für das berufsbegleitende PA-Studium ausgeschrieben, um den Einsatz der PA in den Praxen zu erproben. Acht MFA studieren zurzeit am zur Hochschule Anhalt gehörenden Campus Papenburg. „Wir haben gemerkt, dass wir in den Praxen allein nicht weiterkommen, sondern auf Hilfe angewiesen sind“, berichtete der Hausarzt. Den Ärztinnen und Ärzten sei klar gewesen, dass sie nicht warten können, bis die Politik etwas tut, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. „Das heißt auch Geld.“ Die Praxisinhaber sind mit dem Einsatz der PA zufrieden Als Ziele des Projekts nannte er die Entlastung der Praxisstrukturen, die Optimierung der Patientenversorgung durch Delegation sowie die Förderung der Interoperabilität. Nach Abschluss des zweiten Semesters sind die Praxisinhaber und die PA befragt worden. Die Evaluation soll zeigen, wo Verbesserungsbedarf besteht. Die Ergebnisse sind positiv, vor allem die Ärztinnen und Ärzte zeigen sich sehr zufrieden. So gaben gut 70 Prozent der PA an, dass die Delegation in den Praxen gut funktioniert, bei den Praxisinhabern waren es 100 Prozent. Je nach Fachrichtung würden fünf bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten durch die PA behandelt, berichtete Osman. „Wir haben Physician Assistants, die ins dritte Semester gehen, die können jetzt schon 25 Prozent der Patienten mitversorgen.“ Der Hausarzt ist überzeugt, dass sich das Projekt bereits gelohnt hat. Die PA zeigten den MFA, dass sie sich weiterentwickeln können. „Wenn ich jemanden einstelle, muss ich eine Perspektive aufzeigen können.“ „Wir sind nicht die Rettung, aber ein Weg, den man gehen kann“ Das System sei im Moment noch nicht gegenfinanziert, aber es bringe Entlastung. Als Unternehmer müssen Praxisinhaber in Vorleistung treten und das Risiko eingehen, findet Osman. Sie könnten damit ein Zeichen setzen. Wenn der Versorgungsdruck weiter steigt und die Praxen die Qualität der Versorgung durch PA nachweisen können, wird auch die Vergütung folgen, hofft er. Michael Sonntag arbeitet als PA im MVZ in Papenburg im nördlichen Emsland. „Wir sind nicht die Rettung, aber ein Weg, den man gehen kann, um die Versorgung aufrechtzuerhalten“, sagte er. Sonntag hat eine MFA-Ausbildung und ist nichtärztlicher Praxisassistent. Das Studium habe ihm ein Weiterkommen ermöglicht, wie er es als MFA nicht gehabt hätte. „Das macht den Beruf attraktiver.“ Durch die im PA-Studium erworbenen medizinischen Kenntnisse kann er nach eigenen Angaben die Ärzte entlasten, etwa durch die Filtrierung der Patienten. Sonntag betreut und begleitet Rheuma- und Schmerzpatienten. „Ich glaube, dass das interdisziplinäre Team gut funktioniert“, betonte er. Nach Angaben von Daria Hunfeld, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants, gab es im Dezember 2022 bundesweit rund 1.500 PA, zurzeit aber bereits 3.500 Studierende. „Wir haben ein exponentielles Wachstum dieses Berufsbilds“, berichtete sie. Nicht auf Lösungen der Politik warten Um bei einer älter werdenden Gesellschaft die Versorgung gewährleisten zu können, müssten entsprechende Strukturen geschaffen werden, sagte KVWL-Vize Dr. Volker Schrage. „Ich bin überzeugt, dass wir das mit den Physician Assistants können.“ Seit Anfang April dieses Jahres läuft in der KVWL ein Modellprojekt zur Unterstützung der ambulanten Versorgung durch PA. Daran beteiligen sich zehn Praxen, vor allem aus dem hausärztlichen Bereich. Sie werden durch ein Team der KVWL betreut. „Wir wollen Leitfäden entwickeln, was geht und was nicht“, berichtete Schrage. Das Interesse an dem Projekt wächst nach seinen Angaben. Es kämen zahlreiche Anrufe von Ärzten, die PA für ihre Praxen haben wollten. Gleichzeitig fragten PA nach Praxen, in denen sie arbeiten können. Ebenso wie Osman ist Schrage überzeugt, dass die Ärzte die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. „Wenn wir abwarten, bis es von der Politik kommt, kommen Lösungen vom Reißbrett, die nicht so ganz praktikabel sind.“ Die Finanzierung habe die KVWL bewusst nicht in den Vordergrund gestellt, betonte er. Sie habe zunächst einmal etwas auf die Beine stellen wollen. „Wenn das Modell gangbar ist, können wir auch über die Finanzierung reden.“ Quelle: Ärzte Zeitung

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