Wer Arzttermine nicht absagt, handelt im Extremfall gemeingefährlich

Immer wieder werden vereinbarte Arzt-Termine von Patientinnen und Patienten einfach nicht wahrgenommen. Ohne Patientensteuerung ist der fehlenden Termintreue nicht beizukommen. Verkehrte Welt: Als Tausende während der Corona-Krise ihre Impftermine ohne Absage verfallen ließen, sprachen sich Spitzenpolitiker, darunter auch der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach, für Strafzahlungen aus. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen hielt dagegen und warnte, mit Bußen werde keine Akzeptanz gefördert. Zwei Jahre später fordert Gassen, bei nicht abgesagten Terminen in den Arztpraxen über die Krankenkassen eine Ausfallgebühr zu organisieren. Aus der Politik kommt bisher lediglich der Vorschlag, erst einmal die Motive der Säumigen zu evaluieren – ein typisches Ausweichmanöver auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Und die Krankenkassen? Abgesehen von einem spontanen und angesichts des Budget-Regiments auch irreführenden Beißreflexes wird durchaus Verständnis für den Unmut vieler Arztpraxen geäußert, allerdings jegliche Idee von Ausgleichszahlungen oder Strafgebühren verworfen. Zusätzlicher Arbeitsaufwand für das Praxispersonal Zumindest in der grundsätzlichen Bewertung des Verhaltens mancher Patienten sind sich alle einig: Wer trotz der knappen Ressourcen Termine unentschuldigt nicht wahrnimmt, handelt unsolidarisch. Er oder sie verursacht zusätzlichen Arbeitsaufwand und Stress für das Praxispersonal, produziert Kosten, verlängert die Wartezeiten anderer Patienten und handelt damit im Extremfall – soweit dringende Untersuchungen hinausgeschoben werden müssen – sogar gemeingefährlich. Natürlich liegen manchmal auch nachvollziehbare Gründe vor und mit der Erreichbarkeit mancher Praxen hapert es auch bisweilen. Zudem wird man einen durch reine Schusseligkeit einmalig versäumten Termin vernünftigerweise mit einem Stirnrunzeln abhaken. Doch leider handelt es sich häufig um „Wiederholungstäter“. Beim Gegensteuern kommt erst einmal den Ärzten eine Schlüsselrolle zu: Wenn sie solches Fehlverhalten offen ansprechen und gegebenenfalls auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten sanktionieren, reagiert ein Teil der betroffenen Patienten einsichtig. Fantasievolle Praxisbeispiele wie das Angebot eines Wiederholungstermins mit längeren Wartezeiten oder finanzielle Erinnerungshilfen wie Pfandgebühren zeigen: Derartige Erziehungsmaßnahmen sind zwar für alle unangenehm, aber oft doch erfolgreich. Über den Geldbeutel lässt sich das Problem nur schwer lösen Letztlich werden aber – eingedenk der allgemeinen Erosion von Anstand in unserer Gesellschaft – alle Appelle nicht reichen. Dennoch führt Gassens Vorschlag nicht weiter: Mit einer Entschädigung für Ausfallzeiten über die Krankenkassen wäre entweder eine Umverteilung zwischen Ärzten oder eine höhere Beitragslast für alle, also auch die korrekt handelnden Versicherten verbunden. Alle Ideen, die Problematik über den Geldbeutel in den Griff zu bekommen, stehen vor den gleichen Hindernissen: Mehr Bürokratie, vor allem bei Nicht-TSS-Fällen schwierige Dokumentations- und Beweislage, Konflikte mit dem Datenschutz, fehlende Inkasso-Methoden, wenig Gegenliebe bei der Politik und den Kassen, die sich möglicherweise noch an das Chaos mit dem Krankenhaus-Notopfer Ende der 90er-Jahre erinnern – kurzum: da wird sich zumindest kurz- und mittelfristig wenig tun. Geeigneter wäre vielleicht eine umfassendere Patientensteuerung durch ein konsequentes Primärarztsystem. Wer den Überweiser persönlich kontaktieren muss, hat womöglich größere Hemmungen, Termine beim Facharzt einfach sausen zu lassen. Und zugleich wäre es ein kleiner Baustein im Bemühen, der zunehmenden Anonymität in der Gesellschaft und damit einem Nährboden für Respektlosigkeit entgegenzuwirken. Quelle: Ärzte Zeitung

Springer Medizin

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