Damoklesschwert Fachkräftemangel: Wo sollen die künftigen MFA herkommen?

Ohne geeignete und geneigte Medizinische Fachangestellte können Inhaberinnen und Inhaber ihre Praxis auf lange Frist an den Nagel hängen. Der Ausbildungsberuf ist zwar beliebt. Die Besetzung freier Stellen ist trotzdem vielerorts ein Problem. Das bisher vergebliche Ringen um einen steuerfinanzierten Corona-Bonus, in Social Media über ihre Arbeitsbelastung in der Pandemie klagende Medizinische Fachangestellte (MFA) oder auch die eigene, mangelnde formale Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber haben nichts daran geändert, dass im dritten Pandemiejahr nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Deutschland mit 17.406 abgeschlossenen MFA-Ausbildungsverträgen zwar das Allzeithoch vom Vorjahr mit 17.841 Neuverträgen nicht erreicht worden ist. Von einem dramatischen Einbruch kann aber auch nicht die Rede sein. 1.000 männliche MFA-Azubis Zumindest bei den weiblichen Azubis verteidigte die MFA ihre Pole-Position unter den Top-Ten-Wunschausbildungsberufen. Auch für die zum 1. August 2023 gestartete Ausbildungskampagne ist zu erwarten, dass die MFA-Ausbildung zumindest bei den weiblichen Azubis die Pole-Position verteidigen wird – zumindest im Westen, denn in den östlichen Bundesländern liegt die MFA bei den weiblichen Azubis nirgends auf Rang eins der Wunschausbildungen; die schlechteste Position erreicht Sachsen mit Rang sechs. Wie aus der BIBB-Auswertung mit Stand zum 7. Dezember 2022 hervorgeht, sicherten sich bundesweit – im Windschatten der weiblichen MFA-Aspirantinnen – immerhin 1.043 männliche Bewerber eine MFA-Ausbildungsvertrag. Zahlenmäßig führt dabei Thüringen mit 107 angehenden männlichen Auszubildenden – bei den weiblichen Pendants kam die MFA-Ausbildung mit 168 Verträgen dort auf Rang vier. Die wenigsten männlichen MFA-Neuverträge waren laut BIBB mit sieben in Sachsen-Anhalt zu verzeichnen, gefolgt von Hessen mit neun. Samantha Ackermann Ärzte Zeitung, Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung × Die auch in vielen Medien verkündete Nachricht, dass die MFA-Ausbildung bei jungen Schülerinnen die Rangliste der Wunschberufe weiter dominiert, darf aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es unter der Oberfläche in den Praxen der Republik massiv brodelt. Einzelne Landesärztekammern, aber auch schon einige fachärztliche Berufsverbände haben öffentlichkeitswirksam auf massive Engpässe bei der Rekrutierung der nicht-ärztlichen Fachkräfte inklusive MFA-Azubis aufmerksam gemacht. Konkret treiben neben hohen Energiepreisen, der zwar rückläufigen, aber immer noch hohen Inflation sowie einer vor diesem Hintergrund als kontraproduktiv anmutenden Erhöhung des Orientierungswertes für Leistungen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzte für 2023 um lediglich rund zwei Prozent unter anderem nachstehende Punkte den Praxischefs die Sorgenfalten auf die Stirn. Mangelnde Bewerberzahl und Qualifikation: Wie auch der Verband der medizinischen Fachberufe (VmF) auf Nachfrage der Ärzte Zeitung bestätigt, hätten immer mehr Haus- und Facharztpraxen massive Probleme, freie MFA-Ausbildungsplätze zu besetzen. Die Situation hat sich demnach offensichtlich nicht verbessert im Vergleich zum Vorjahr. Wie das Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Vorfeld des Kampagnenstarts 2022 in einer Panel-Stichprobe erhoben hatte, genügten in vielen Fällen die Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber nicht den Anforderungen der Praxischefchefs. Zwar erhielten nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte der in der Analyse ausgewerteten Einrichtungen vier und mehr Bewerbungen auf eine Ausbildungsstelle. Doch in fast der Hälfte der Praxen und MVZ war im Schnitt nicht einmal die Hälfte der Kandidatinnen und Kandidaten geeignet. In rund einem Drittel (32 Prozent) verfügten die eingestellten Auszubildenden in der Regel nicht über den erwarteten Schulabschluss der Mittleren Reife. Zudem wiesen die Bewerber teil große Defizite in puncto Sozialkompetenz und Belastbarkeit auf. Hohe Abbrecherquoten: Die Zi-Studie legte auch eine recht hohe Abbrecherquote offen – 33,2 Prozent der angehenden MFA schmissen ihre Ausbildung demnach hin, davon 77,5 Prozent bereits im ersten Ausbildungsjahr. Das bindet nicht nur personelle Ressourcen bei den ausbildenden MFA und Ärzten. „Sie wird zusätzlich als negative Erfahrung von den jungen Menschen in den sozialen Medien und in Gesprächen in der Öffentlichkeit geteilt“, warnte VmF-Präsidentin Hannelore König mit Blick auf die Zi-Studie. Demografiewandel: Der Demografiewandel macht auch vor den Praxisteams nicht halt. Laut VmF hat sich die Zahl der arbeitstätigen MFA über 60 Jahre innerhalb von neun Jahren von 23.000 (2012) auf 53.000 (2021) mehr als verdoppelt hat. Demnach waren 10,7 Prozent der MFA in den Praxisteams über 60 Jahre, ist deren Übergang in den Ruhestand nur noch eine Frage von wenigen Jahren. Abwanderung zu Kliniken und Kassen: Da die Berufstätigkeit bisher nicht sonderlich lukrativ vergütet worden war, suchten viele MFA spätestens zum Beispiel nach einer Kinderpause nach besseren Verdienstmöglichkeiten sowie geregelteren Arbeitszeiten und wechselten zu Kliniken, aber auch Krankenkassen. Der VmF und die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten (AAA) als Tarifpartner haben hier versucht, mit dem 2021 in Kraft getretenen Tarifvertrag Abhilfe zu schaffen. Samantha Ackermann Ärzte Zeitung, Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung × Denn dieser etablierte zusätzliche Gehaltsstufen. Vorher endete die Gehaltstabelle mit Stufe 5, ab dem 17. Berufsjahr. Die erste neu eingeführte Gehaltsstufe 6 umfasst jetzt die Berufsjahre 21 bis 24; Stufe 7 die Berufsjahre 25 bis 28; Gehaltsstufe 8 greift ab dem 29. Berufsjahr. Wermutstropfen für die Praxischefs: Sie mussten, je nach Personalkonstellation, eine Personalkostensteigerung um 18 Prozent verkraften, wenn sie sich freiwillig der Tarifbindung unterwerfen oder sich an das Vergütungswerk anlehnen. Novellierung der MFA-Ausbildungsverordnung: Der jetzige MFA-Ausbildungsrahmen fußt auf dem im Jahr 2006 definierten Anforderungsprofil. Seither haben sich viele Rahmenbedingungen für MFA in Praxen und MVZ geändert – die Arbeitswelt ist schlicht eine andere. Die Novellierung der MFA-Ausbildungsverordnung steht – im Gegensatz zu der der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA), die zum August 2022 in Kraft getreten ist – noch aus. VmF-Chefin König rechnet nicht damit, dass das neue Regelwerk vor Beginn der 2026er Ausbildungskampagne steht. Die Verhandlungen haben aber bereits begonnen. Klar ist, dass Themen wie Kommunikation und Kooperation, digitalisierte Arbeitswelt oder auch Umweltschutz und Nachhaltigkeit analog zum ZFA-Pendant als verbindliche Module verankert werden. Dies kann allerdings nur Früchte tragen, wenn die Ausbildungszeit von Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite als Chance gesehen wird, den Azubis ein solides Fundament und Spaß an der Arbeit zu vermitteln. Weitere Protestaktion in Berlin Der VmF will mit dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte Bundesgesundheitsminister Lauterbach am 8. September in Berlin die Rote Karte zeigen und ruft auch die MFA-Teams der Praxen zum Mitmachen auf. Präsidentin König: „Wir werden unsere Forderungen öffentlich adressieren und den Politiker*innen wie Patient*innen die dramatische Situation im ambulanten Gesundheitswesen deutlich machen.“ Quelle: Ärzte Zeitung

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