Vorsicht bei Impfstoffbestellung: Regressgefahr!

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Impfungen in die vertragsärztliche Versorgung einbezogen sind. Das gilt auch für die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ärzte sollten sich einzeln absichern und gemeinsam verhandeln. H5N1 – in der Grippesaison 2006/2007 kannte jeder Zeitungsleser dieses Kürzel. Weniger bekannt war, dass eine reguläre Grippeimpfung gegen das Virus der Vogelgrippe nicht hilft. Und so rannten die Menschen in die Praxen; Impfstoffe waren rasch vergriffen. Was tun? Nur Stammkunden oder Risikopatienten impfen? Impfstoff aufbrauchen und dann Patienten abweisen? Oder nachbestellen? Für Letzteres entschied sich eine Berufsausübungsgemeinschaft in Schleswig-Holstein. Für die Grippesaison 2006/2007 hatte sie nach ihren üblichen Erfahrungswerten 250 Ampullen Impfstoff bestellt. Als der aufgebraucht war, legten die Ärzte eine Warteliste an und bestellten im Oktober 2006 weitere 300 Ampullen. Wegen der bundesweit hohen Nachfrage und des langen Vorlaufs bei der Herstellung der Impfstoffe geriet der Hersteller in Lieferschwierigkeiten. Erst Ende November 2006 hatte die Apotheke die Impf-Ampullen lieferbar. Mit einer Verordnung vom 27. November 2006 forderten die Ärzte noch alle 300 Ampullen auf einen Schlag an. Das Interesse an einer Impfung war jedoch abgeflaut. 250 Ampullen mussten im Frühjahr 2007 vernichtet werden. Auf Antrag der Krankenkassen setzte der Beschwerdeausschuss wegen unwirtschaftlicher Verordnung für 200 Ampullen einen Regress in Höhe von 1900 Euro fest. Durfte er das? Schließlich waren die Kassenärztlichen Vereinigungen formal noch nie für Impfungen zuständig. Seit April 2007 hat der Gesetzgeber diese Aufgabe sogar ausdrücklich den Krankenkassen zugewiesen. Kommunen oder Betriebsärzte rechnen daher direkt mit den Krankenkassen ab. Die flächendeckende Versorgung wird aber erst durch die niedergelassenen Vertragsärzte sichergestellt. Entsprechende Verträge haben die Krankenkassen mit den KVen geschlossen. Die weitaus meisten Impfungen werden so abgewickelt und über die KVen abgerechnet. Letzten Endes müssten die Kassen zahlen Die bislang umstrittene Frage, ob dies zu einer Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung führt, hat das BSG nun bejaht (Az.: B 6 KA 31/17 R). In den Verträgen zwischen Kassen und KVen durfte danach auch die Zuständigkeit der Prüfgremien der vertragsärztlichen Versorgung für die Wirtschaftlichkeit von Impf-Verordnungen bestimmt werden. Ärzte müssen daher auch hier mit Regressen rechnen. Dabei machten die Kasseler Richter einerseits deutlich, dass nicht die Krankenkassen als letzte in der Bestellkette das volle Risiko von Lieferengpässen der Hersteller tragen müssen. Ganz offensichtlich hatten sie aber auch Verständnis für die Situation der Ärzte. Schließlich wollten sie, was als Allgemeinwohlziel anerkannt ist: möglichst viele Patienten zu impfen. So ließ der BSG-Vertragsarztsenat das Argument des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig nicht gelten, die Ärzte hätten ihre Patienten aufklären müssen, dass die Vogelgrippe keinen medizinischen Grund für eine Grippeimpfung liefert. Denn auch wenn die Motivation der Patienten nicht trägt, müssen Ärzte nicht von einem gesellschaftlich erwünschten Verhalten abraten, betonten die Kasseler Richter. Und Ärzte sollen außerdem das Risiko nicht verbrauchter Impfstoffe auch nur insoweit tragen, als sie die Möglichkeit haben, dies zu begrenzen. Den konkreten Fall soll daher das LSG Schleswig nochmals prüfen. Für die Zukunft bedeutet dies zunächst, dass Praxen sich gegen eine spätere Lieferung von Grippeimpfstoffen absichern sollten, um Regresse zu vermeiden. So könnten sie erklären, dass sie die Ampullen nach einem bestimmten Stichtag nicht mehr oder nicht mehr in der bestellten Menge verordnen. Das Risiko bliebe so an der Apotheke hängen. Naturgemäß würde die versuchen, es beim Großhändler und der dann beim Hersteller abzuladen. Die wiederum würden letztendlich wohl höhere Preise durchsetzen, sodass die Kosten letztlich wieder bei den Krankenkassen landen. Schon dieses Ergebnis stellt den Sinn eines solchen Kreislaufs infrage. Zudem geht die Situation auf Umstände zurück, für die keiner der Beteiligten verantwortlich ist: zum einen eine unerwartete Nachfrage, zum anderen das langwierige Herstellungsverfahren. Ähnliche Probleme bestehen, wenn das Robert Koch-Institut – wie vergangene Saison – schon neue Impfstoffe empfiehlt, der Gemeinsame Bundesausschuss dem aber vor Saisonbeginn noch nicht folgen konnte. Adäquates Vakzinmanagement gefragt Statt der Reihe nach mit dem Finger auf den Nächsten zu zeigen, liegt es nahe, dass Kassen, KVen, Apotheker und Hersteller gemeinsam klären, wie sie künftig solche Situationen handhaben wollen, um gemeinsam unnötige Kosten so weit als möglich zu vermeiden. Erst in der nächsten Stufe sollte es dann darum gehen, die für eine gute Impfversorgung nicht vermeidbaren Kosten gerecht zu verteilen. Empfehlung der Redaktion Ärzte Zeitung Logo 05.12.2018 | Link Ärzte Zeitung Dieser Beitrag stammt aus der Feder unserer Kollegen der Ärzte Zeitung. Noch mehr Beiträge zu Gesundheits- und Berufspolitik, aber auch zu Praxisthemen wie Abrechnung und Recht finden Sie bei Ärzte Zeitung Online.

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