Erschienen in:
20.07.2022 | Wissenschaft für die Kitteltasche
Predatory Journals – Raubtierverlage in der Komplementärmedizin
verfasst von:
PD Dr. Johannes Fleckenstein
Erschienen in:
Deutsche Zeitschrift für Akupunktur
|
Ausgabe 3/2022
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Auszug
Der Begriff „Predatory Journals“ wird dem Bibliothekar Jeffrey Beall in den Mund gelegt. Er bezeichnete damit illegitime wissenschaftliche Zeitschriften, die von Verlagen mit rein kommerziellen Zielen betrieben werden. Im Jahr 2010 veröffentlichte er erstmals eine Liste mutmaßlicher Verlage, die seitdem stetig aktualisiert wird (
https://beallslist.net/; [
1]). In den Jahren zuvor sah er sich einer steigenden Flut von Mails gegenüber, die ihn dazu aufforderten, bei ihm völlig unbekannten Verlagen Manuskripte einzureichen, welche dann gegen Gebühr veröffentlicht werden würden [
2]. Das Ganze unter dem Stichwort Open Access, das bedeutet, die Artikel sind im Volltext für jeden mit Internetzugang offen verfügbar. Dies steht im Gegensatz zum Modell etablierter Verlage, wo die Artikel meist nur durch Bezahlung oder über ein institutionelles Abonnement abgerufen werden können. Zudem ist der Publikationsprozess bei Open-Access-Zeitschriften schneller und einfacher, was für viele Forscher:innen einen zusätzlichen Anreiz darstellt. Beall stellte fest, dass für die Verlage somit ein erheblicher Interessenkonflikt entsteht, denn „je mehr Artikel ein Verlag zur Veröffentlichung akzeptiert, desto mehr Geld verdient er: ein perfektes Rezept für Korruption.“ Dies bezeichnete Beall als ein räuberisches Wirtschaftsmodell („predatory“). Dass dieser Markt relevant ist, belegt eine Untersuchung aus dem Jahr 2015, die zu diesem Zeitpunkt die Open-Access-Artikel auf etwa 65 Mio. schätzte [
10]. Bei einer Publikationsgebühr zwischen $1500 und $5000 pro Artikel führt dies zu einem Marktvolumen von über 200 Mrd. Dollar – Tendenz steigend! Angesichts der Auswirkungen der Coronapandemie auf die Verbreitung von Veröffentlichungen, der zunehmenden Verwendung von Preprints (nicht begutachtete Vorabartikel im Internet) und der gesteigerten öffentlichen Wahrnehmung ist es wahrscheinlich, dass die Menge an Raubjournalen in den letzten 2 Jahren exponentiell gewachsen ist [
5,
14]. …