Zentralbl Chir 2010; 135(4): 357-358
DOI: 10.1055/s-0030-1262521
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Operativ relevante venöse Erkrankungen und stadienadaptierte konservative pAVK-Therapie – Leitthemen des jüngsten Berliner Gefäßchirurgischen Symposiums

– Neues Interesse an etablierten Themenkomplexen –Surgically Relevant Venous Diseases and Stage-Adapted Conservative Therapy – Main Topic of the Latest Berlin Symposium of Vascular Surgery– New Interest in Established Subject Groups –W. Hepp, F. Meyer
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Publication Date:
30 August 2010 (online)

Das letztjährige, nun schon längst traditionelle 24. Berliner Gefäßchirurgische Symposium mit etabliertem Zuhörer- und Kongressbesucherkreis, der sich aus einem breiten Spektrum von Gefäßmedizinern bzw. gefäßmedizinisch interessiertem und tätigen medizinischen Personal zusammensetzt, stand im Zeichen von venösen Erkrankungen und der konservativen Therapie der pAVK als den Hauptthemen neben den üblichen „Varia“. 

Wie auch im / n (den) Vorjahr(en) [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] soll eine limitierte aber illustrative Auswahl an Symposiumspräsentationen auch in publizistischer und begutachteter Manuskriptform erfolgen, die u. a. die angeregtesten Diskussionen erfuhren, um einen repräsentativen Symposiumseindruck von Themenspektrum, Verlauf und Atmosphäre zu vermitteln. 

Während der erste Themenkomplex ein wiederkehrender „Dauerbrenner“ unter den angiologisch-gefäßmedizinischen „hot topics“ darstellt, hat sich gerade in der nichtoperativen, ja nichtinterventionellen Therapie der pAVK von Stadium II b (neue Alternativmedikation: Cilostazol [Pletal®]) bis IV reichend, einiges Neues an therapeutischen Alternativen herauskristallisieren können. 

Gerade im Stadium IV wird mit intermittierender Kompressionstherapie, „Spinal cord stimulation“, konservativem Medikationsansatz mit Lysetherapie bis hin zur Stammzelltransplantation (die eine Aussprossung neuer Gefäße erbringen soll und eine durchaus ansprechende Rate einer mittelfristigen Amputationsvermeidung aufweist) neben Ausschöpfung angezeigter, teils komplikationsträchtiger peripherer Bypasschirurgie um signifikante Fortschritte im mittelfristig verbesserten Outcome gerungen, angezeigt durch definitive Heilung der peripheren Haut- bzw. Weichteilläsionen und Herausschieben des Amputationsbedarfs / -zeitpunkts. 

Die „Spinal cord stimulation“ (SCS – Autor: P. Klein-Weigel) soll als ausführlich präsentiertes Beispiel aus dieser Veranstaltung zur zwar interventionellen, aber durchaus alternativen Behandlungsoption bei teils ausgereizten konservativen, mehr etablierten Ansätzen dienen, wobei das bekannte Phänomen genutzt wird, dass die SCS, bisher hauptsächlich genutzt zur Schmerztherapie, eine Durchblutungssteigerung durch spinal vermittelten sympathikolytischen Effekt und neuronal vermittelte lokale Freisetzung verschiedener Vasodilatatoren bewirkt, messbar am transkutanen Sauerstoffpartialdruck des Fußrückens. Damit solle die Beinerhaltungsrate verbessert werden. 

Daneben stand der wieder mehr in Betracht gezogene interventionelle bzw. operative Ansatz einer Versorgung der tiefen Becken-Bein-Venenthrombose im Mittelpunkt. 

Das Thema des Poplitealvenenaneurysmas verdient in dieser Hinsicht ebenfalls große Beachtung, um trotz der Seltenheit eine adäquate Betreuung des betroffenen Patienten zu erreichen und durchaus berichtete Todesfälle an Lungenembolie nach Phlebothrombose durch unterschätztes, teils prolongiertes befundinadäquates Vorgehen definitiv zu vermeiden. 

Herr Halloul aus Magdeburg präsentiert einen typischen Fall (50-jährige Patientin) mit systematischem Hintergrund zu Epidemiologie, Diagnostik (Duplexsonografie, ggf. Phlebografie), Therapie (Aneurysmaresektion und direkte Naht – alternativ: Venorrhaphie) und Nachsorge (bevorzugt Duplexsonografie). 

Ein weiteres seltenes gefäßmedizinisches Krankheitsbild, das wie stets und traditionell mit dem jeweiligen adäquaten diagnostischen und therapeutischen Management zu den behandelten Themenkomplexen gehört, betraf die zystische Adventitiadegeneration (segmentale Fehlverteilung muzinproduzierender Zellen, ggf. Zystenverbindung zum Kniegelenksspalt) der A. poplitea von Stoewe et al. Farbkodierte Duplexsonografie und ergänzend eine Angiografie (MRA oder DAS mit „scimetar sign“ – sichelähnlicher Kontrastmittelfluss im stenosierten zystentragenden Poplitealbereich) sicherten die Diagnose bei 2 Patienten mit Claudicatio-ähnlichen Beschwerden. In sequenziellem Vorgehen war wegen rezidivierter Beschwerden nach wenigen Wochen in beiden Fällen eine autologe Rekonstruktion durch V. saphena magna ipsilateral in „reversed“-Technik erforderlich, die in der Nachsorge einen Dauererfolg sicherstellten. 

Ein weit häufigeres Krankheitsbild am arteriellen Poplitealsegment stellt das meist asymptomatische Aneurysma der A. poplitea (> 50 % des ursprünglichen Durchmessers) dar (Präsentation: Gruppe Prof. Eckstein – München) mit Therapieindikation > 2 cm, falls asymptomatisch (bei Symptomen sofort). Nach mehr als 50 Jahren gefäßrekonstruktiver Verfahren kommen nunmehr endovaskuläre Therapieformen häufiger zum Einsatz. 

Ein neues Jubiläumssymposium wirft seine Schatten voraus, das mittlerweile zum 25. Mal neben und in sinnvoller Ergänzung zu den etablierten wissenschaftlichen Kongressveranstaltungen eine im Laufe der Zeit durchaus angestammte Rolle in der praxisnahen, aktuell-relevanten gefäßmedizinischen Themenbesprechung im offenen, ungezwungenen kollegialen Disput sieht. 

Eine veranstaltungsorganisatorische und publizistische Fortsetzung erscheint nach einhelliger Meinung der Organisatoren, Schirmherren, Förderer und Teilnehmer als auch aller darüber hinaus Interessierter wünschenswert.

W. Hepp, F. Meyer

Literatur

  • 1 Gäbel G, Pyrc J, Hinterseher I et al. Arterielle Gefäßverletzungen im Rahmen offener Frakturen – Management und Versorgung.  Zentralbl Chir. 2009;  134 292-297
  • 2 Amann B, Lüdemann C, Ratei R et al. Extremitätenerhalt durch autologe Knochenmarksstammzelltransplantation zur Induktion der Arteriogenese bei kritischer, nicht-revaskularisierbarer Extremitätenischämie.  Zentralbl Chir. 2009;  134 298-304
  • 3 Sagban A, Schiegel E, Pfeiffer T et al. Entwicklung neointimaler Matrix nach Einheilen moderner Prothesen: Vergleich zwischen ePTFE und Dacron.  Zentralbl Chir. 2009;  134 305-309
  • 4 Schönefeld E, Schönefeld T, Osada N et al. Lange femoro-popliteale Läsionen erfordern lange Stents – erste Erfahrungen mit 128 Protégé-Stents.  Zentralbl Chir. 2009;  134 310-315
  • 5 Botsios S, Schmidt A, Klaeffling C et al. Die endovaskuläre Behandlung von Bauchaortenaneurysmen bei älteren Patienten (≥ 80 Jahre).  Zentralbl Chir. 2009;  134 325-329
  • 6 Tsilimparis N, Laipple A, Yousefi S et al. Stellenwert der endovaskulären Therapie bei Reeingriffen nach Ausschaltung aortoiliakaler Aneurysmata.  Zentralbl Chir. 2009;  134 331-337
  • 7 Grotemeyer D, Iskandar F, Voshege M et al. Der retrograde aorto-mesenteriale Bypass mit links retrorenalem Verlauf („französischer Bypass“) bei der Behandlung der akuten und chronischen viszeralen Ischämie.  Zentralbl Chir. 2009;  134 338-344
  • 8 Schuld J, Richter S, Moussavian M R et al. Venöses Portsystem. Implantation in Vollnarkose oder Lokalanästhesie? Eine retrospektive Aufwandsanalyse.  Zentralbl Chir. 2009;  134 345-349
  • 9 Aspacher F, Vogel P. Laparoskopische, minimalinvasive Techniken in der Gefäßchirurgie: Beispiel Dunbar-Syndrom (Truncus-coeliacus-Kompressionssyndrom).  Zentralbl Chir. 2009;  134 357-361
  • 10 Halloul Z, Weber M, Steinbach J et al. Erfolgreiche offen-chirurgische, suprazöliakale Bifurkationsprothesenimplantation mit simultaner prothetomesenterialer und -renaler Revaskularisation bei hohem Leriche-Syndrom.  Zentralbl Chir. 2009;  134 316-321
  • 11 Tautenhahn J, Meyer F, Pech M et al. Diagnostik und Therapie der Karotidynie als seltenes Krankheitsbild.  Zentralbl Chir. 2009;  134 322-324

Prof. Wolfgang Hepp

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