Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(4): 155-156
DOI: 10.1055/s-0032-1318815
Forum

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sehr geehrte Damen und Herren,

Further Information

Publication History

Publication Date:
19 July 2012 (online)

ich freue mich sehr, hier auf Einladung von Herrn Professor Friedemann Nauck die Position der Deutschen Schmerzgesellschaft (vormals DGSS) zu den aktuellen Änderungen der Ärztlichen Approbationsordnung darzustellen. Die Offerte spiegelt die gute Zusammenarbeit der Präsidien der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und der Deutschen Schmerzgesellschaft wider – ein Umstand, der sicher dazu beigetragen hat, dass die Schmerzmedizin jetzt als eigener Querschnittsbereich 14 in die Approbationsordnung aufgenommen wird. Vielleicht markiert sie ja auch das Ende eines langjährigen und immer wieder aufflammenden Streits einzelner Vertreter beider Fachgesellschaften, die vornehmlich die eigene Profilierung zum Ziel hatten.

Aus Sicht der Deutschen Schmerzgesellschaft ist die Aufnahme der Schmerzmedizin als eigener Querschnittsbereich eine lange angestrebte und dringend notwendige Maßnahme zur Verbesserung der ärztlichen Ausbildung. Sie wird dazu führen, dass Studierende früher und konsequenter als bisher mit der Differenzialdiagnostik, der Epidemiologie und der Prävention von Schmerzen konfrontiert werden. Wie die Palliativmedizin beschäftigt sich die Schmerzmedizin mit einem – wenn nicht sogar mit dem – zentralen Thema der Medizin. Beide Fächer vermitteln mit der Schmerztherapie am Lebensende gemeinsame Lehrinhalte, dennoch sind die Überschneidungen denkbar gering. Die unterschiedlichen und teilweise konträren Behandlungsansätze von Patienten mit akuten oder chronischen Schmerzen einerseits und Patienten in der Palliativversorgung andererseits rechtfertigen jeweils eigene Querschnittsbereiche. Dies entspricht auch der europäischen Sichtweise beider Fächer, die international zumeist sowohl in akademischen als auch klinischen Strukturen separat abgebildet sind.

Andererseits erscheint es durchaus sinnvoll, die schon bestehende enge Vernetzung der Lehrenden beider Fächer in Deutschland weiter zu führen und sogar auszubauen: die medizinischen Fakultäten stehen jetzt vor der Aufgabe, den neuen Querschnittsbereich bis 2016 stundenneutral umzusetzen. Was heißt das konkret? Laut einer Umfrage werden an 70% der medizinischen Fakultäten bereits schmerzmedizinische Inhalte gelehrt. Hier bieten sich eine Zusammenfassung der schmerzmedizinischen Lehrinhalte und ihre Integration in einen eigenen Querschnittsbereich an. Die restlichen Fakultäten sind aufgerufen, sich der Herausforderung zu stellen, die Schmerzmedizin sichtbar zu machen. Die Ausgestaltung und praktische Umsetzung muss bei den Lehrbeauftragten vor Ort bleiben – hier wird es darauf ankommen, einen offenen und konstruktiven Dialog der beteiligten Fachdisziplinen zu unterstützen.

Die DGSS hatte 2008 für die Lehre ein Kerncurriculum Schmerztherapie für den Querschnittsbereich Schmerzmedizin verabschiedet, dieses kann nach wie vor als Grundlage für eine Neukonzeption dienen.

Das Kerncurriculum zielt auf die praktisch-klinische Ausbildung zum Allgemeinarzt und ist konzipiert für eine abgeschlossene Stundenzahl innerhalb eines Querschnittsfachs. Es ist interdisziplinär ausgerichtet und sieht 5 Unterrichtseinheiten (UE) à 45 min Theorie (Vorlesung) und 10 UE am Krankenbett (Kleingruppenunterricht mit max. 6 Studierenden) vor. Falls in der entsprechenden Fakultät eine höhere Stundenzahl für Schmerztherapie vorgesehen ist, ermöglicht die Konzeption als Kerncurriculum eine Ausweitung auf weiterführende Inhalte. Im Gegensatz zur Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“, die eine gebietsbezogene Diagnostik und Therapie chronisch schmerzkranker Patienten umfasst und für die eine Fülle von Lehrbüchern und Kursen existiert, soll der angehende Arzt die „allgemeine Schmerztherapie“ erlernen. Er soll dadurch in die Lage versetzt werden, Leiden durch neuropathische, akute posttraumatische/postoperative und Tumorschmerzen zu lindern, chronisch Schmerzkranke zu erkennen, einer Schmerzchronifizierung durch Prävention vorzubeugen und ggf. eine adäquate Weiterbehandlung zu veranlassen. Weiterhin soll deutlich werden, dass Schmerzen ein multidimensionales und komplexes Phänomen sind, das zielgerichtete Diagnostik und effektives Management durch den Behandler erfordert.

Um der weitreichenden Bedeutung der Ausbildung auf dem Gebiet der Schmerztherapie Rechnung zu tragen, sollten Lehrveranstaltungen mit dem Thema „Schmerz“ aber nicht nur quer- sondern auch längsvernetzt sein. Verteilt über die gesamte Dauer des Studiums werden bereits Schmerzthemen unterrichtet, jedoch interdisziplinär und ohne erkennbaren „roten Faden“. Schon in den ersten Studienjahren lassen sich zahlreiche Anknüpfungspunkte setzten, beispielhaft sollen hier nur die Fächer Anatomie, Biochemie, Physiologie und Psychologie genannt werden. Im klinischen Studienabschnitt kann diese Liste beliebig erweitert werden: Anästhesiologie, Neurologie, Chirurgie und Onkologie und nicht zuletzt eben Palliativmedizin sind nur einige denkbare Partner. Auch im Praktischen Jahr sind schmerztherapeutische Schwerpunkte z.B. im Rahmen von Einsätzen im Akutschmerzdienst oder in der Schmerzambulanz denkbar.

Die Schmerzgesellschaft wird nach Inkrafttreten der Änderung der Approbationsordnung zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und anderen Fachgesellschaften weitergehende, aufeinander abgestimmte Empfehlungen zur Implementierung der Schmerzmedizin erarbeiten.

Das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft möchte sich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei der Unterstützung durch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, namentlich bei Friedemann Nauck, bedanken und freut sich auf den nun anstehenden Prozess der Implementierung und einen konstruktiven Dialog.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr

Prof. Dr. Wolfgang Koppert
Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft

Prof. Dr. med. Wolfgang Koppert

    >