Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 323-324
DOI: 10.1055/s-0043-105059
DGGG
Mitteilungen aus der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Berlin, 02.01.2017 – Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. zum Thema – Mehr Wissen „Risikofaktoren für Brustkrebs“

Marcus Schmidt
,
Michael Friedrich
,
Birgit Seelbach-Göbel
,
Matthias W. Beckmann
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Publication History

Publication Date:
26 April 2017 (online)

Im Namen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) geben wir zu dem vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellten Entwurf zur Gesundheitsinformation „Mehr Wissen: Risikofaktoren für Brustkrebs“ nach kritischer Durchsicht und Diskussion folgende Stellungnahme ab:

Das grundsätzliche Anliegen, der Öffentlichkeit allgemein verständliche Gesundheitsinformationen zu Risikofaktoren für Brustkrebs zur Verfügung zu stellen, ist von großer Wichtigkeit und Bedeutung.

Die Informationen wurden vom IQWiG eigenverantwortlich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit erstellt. Im einleitenden Teil wird klar darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl der Frauen Risikofaktoren für das Auftreten von Brustkrebs haben, es allerdings nicht „die eine“ Ursache für Brustkrebs gibt. Dadurch, dass neben gut belegten Risikofaktoren wie erblich vorgegebener Anfälligkeit, hormonellen Faktoren, Lebensstil und Alter auch explizit auf den Zufall hingewiesen wird, wird der notwendigen Unsicherheit bei jeder Risikoabschätzung Raum gewährt, sodass deutlich wird, dass auch bei Nichtvorhandensein der übrigen genannten Risikofaktoren Brustkrebs auftreten kann.

In den weiteren Ausführungen wird auf das Alter als wesentlichen Risikofaktor hingewiesen. Es werden weitere Risikofaktoren wie bspw. frühe erste Regelblutung, hoher Alkoholkonsum und hohe Brustdichte benannt. Gleichzeitig wird erklärt, dass das Vorkommen dieser Risikofaktoren nicht notwendigerweise dazu führt, dass Brustkrebs tatsächlich auftritt. Es sollte in diesem Zusammenhang der Begriff hohe Brustdichte erläutert werden, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Bezeichnung allgemein verständlich ist.

In einem weiteren Abschnitt wird ausführlich auf die Rolle von Genveränderungen, der Familienanamnese, von Hormonen, des Lebensstils und der Umwelt eingegangen. Im Kontext mit Lebensstil/Umwelt ist es sicher sinnvoll, dass darauf aufmerksam gemacht wird, dass zu immer wieder diskutierten möglichen Risikofaktoren wie aluminiumhaltige Deos, Tragen enger BHs oder Stress keine wissenschaftliche Datengrundlage besteht.

Allerdings sehen wir es als problematisch an, dass explizit darauf hingewiesen wird, „die bisherigen Studien konnten nicht zeigen, dass körperliche Aktivität oder Ernährungsweise eine Rolle spielen“. In der diesbezüglichen Literatur zeigt sich, dass eine mediterrane obst- und gemüsereiche Diät [1] sowie sportliche/körperliche Aktivität („physical activity“) [2], [3], [5], [8] durchaus mit einem geringeren Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, assoziiert sind. Daher sind wir der Meinung, dass diese Zusammenhänge, die ja auch von Frauen selbst beeinflusst werden können, klarer dargestellt werden sollten. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass die Assoziation von Übergewicht und Brustkrebs nicht erwähnt wird. Hierzu gibt es allerdings eine eindeutige Datenlage speziell bei postmenopausalen Patientinnen [4], [6], [7]. Auch auf diesen Zusammenhang sollte eingegangen werden.

Anschließend wird auf den Begriff „erhöhtes Risiko“ mit Beispielen von rechnerischen Risikoerhöhungen bei verschiedenen Risikofaktoren und auf 2 „Brustkrebs-Rechner“ als Berechnungsmodelle für das Brustkrebsrisiko eingegangen, bei denen allerdings einschränkend aufgeführt wird, dass bislang nicht geprüft wurde, inwieweit die Ergebnisse der beiden Rechner auch auf in Deutschland lebende Frauen zutreffen. Aus diesem Grund schlagen wir vor, diese beiden „Brustkrebs-Rechner“ nicht in der vorliegenden Gesundheitsinformation aufzuführen.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Text um eine allgemein verständliche Erläuterung von Risikofaktoren für Brustkrebs. Aus unserer Sicht würde diese Gesundheitsinformation von den oben aufgeführten Änderungsvorschlägen profitieren.

Verfasser

Die Stellungnahme wurde von

Univ.-Prof. Dr. Marcus Schmidt,
Leiter Abteilung Molekulare Onkologie, Universitätsfrauenklinik Mainz

und

Prof. Dr. Michael Friedrich,
Direktor der Frauenklinik, HELIOS Klinikum Krefeld

erstellt.

Herzliche kollegiale Grüße

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Prof. Dr. Birgit Seelbach-Göbel
Präsidentin der DGGG e. V.
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Prof. Dr. Matthias W. Beckmann
Leitlinienbeauftragter der DGGG e. V.
 
  • Literatur

  • 1 Albuquerque RC, Baltar VT, Marchioni DM. Breast cancer and dietary patterns: a systematic review. Nutr Rev 2014; 72: 1-17
  • 2 Chlebowski RT. Nutrition and physical activity influence on breast cancer incidence and outcome. Breast 2013; 22 (Suppl. 02) S30-S37
  • 3 Eliassen AH, Hankinson SE, Rosner B. et al. Physical activity and risk of breast cancer among postmenopausal women. Arch Intern Med 2010; 170: 1758-1764
  • 4 Harvie M, Hooper L, Howell AH. Central obesity and breast cancer risk: a systematic review. Obes Rev 2003; 4: 157-173
  • 5 McTiernan A, Kooperberg C, White E. et al. Recreational physical activity and the risk of breast cancer in postmenopausal women: the Womenʼs Health Initiative Cohort Study. JAMA 2003; 290: 1331-1336
  • 6 Neuhouser ML, Aragaki AK, Prentice RL. et al. Overweight, obesity, and postmenopausal invasive breast cancer risk: a secondary analysis of the Womenʼs Health Initiative randomized clinical trials. JAMA Oncol 2015; 1: 611-621
  • 7 Phipps AI, Chlebowski RT, Prentice R. et al. Body size, physical activity, and risk of triple-negative and estrogen receptor-positive breast cancer. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2011; 20: 454-463
  • 8 Thomson CA, McCullough ML, Wertheim BC. et al. Nutrition and physical activity cancer prevention guidelines, cancer risk, and mortality in the womenʼs health initiative. Cancer Prev Res (Phila) 2014; 7: 42-53