Laryngorhinootologie 2003; 82(3): 194-196
DOI: 10.1055/s-2003-38409-2
Kommentar
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Zur Wertigkeit retrospektiver Vergleichsanalysen laserchirurgischer und konventionell-chirurgischer Behandlungen von Larynxkarzinomen

Kommentar zur vorangegangenen OriginalarbeitJ.  A.  Werner2-1
  • 1 Direktor der Klinik für HNO-Heilkunde der Philipps-Universität Marburg
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Der nachfolgende Kommentar befasst sich mit den Problemen einer retrospektiven Therapievergleichsstudie am Beispiel der in dieser Ausgabe publizierten Untersuchung zum T2-Glottiskarzinom. Weiterhin sollen mit diesen Ausführungen auch grundlegende Aspekte eines solchen Untersuchungsdesigns diskutiert werden, welche die Schwierigkeiten sogar einer prospektiv angelegten Analyse zur Wertigkeit der Laserchirurgie verdeutlichen.

Kehrl u. Mitarb. berichten in einer retrospektiven Auswertung über die chirurgischen Behandlungsergebnisse von insgesamt 46 Patienten, die an einem glottischen T2-Karzinom erkrankt waren. Die Ergebnisanalyse nutzen die Autoren zum Vergleich zweier vorselektionierter Patientengruppen. Zum einen handelt es sich um 27 endolaryngeal laserchirurgisch behandelte Patienten, zum anderen um 19 Patienten, bei denen eine Teilresektion von außen vorgenommen wurde. Die Begutachtung dieser Arbeit gab im Vorfeld wiederholt Anlass zu intensiven Diskussionen mit z. T. kontroversen Ansichten auch der Gutachter. Vor diesem Hintergrund entschied sich der Schriftleiter, Herr Prof. Helms, den Artikel zum Druck zu akzeptieren, allerdings in Verbindung mit einer Stellungnahme.

Die Arbeit von Kehrl u. Mitarb. fokussiert auf die Behandlung von T2-Stimmlippenkarzinomen, einer speziellen Tumorkategorie, zu der es nur wenige Mitteilungen gibt. Diese beinhalten in aller Regel eine Ergebnisdarstellung laserchirurgisch [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7], konventionell-chirurgisch [1] [8] oder strahlentherapeutisch [9] behandelter Patienten. Besondere Erwähnung finden sollen zwei Arbeiten [10] [11], die über eine retrospektiv vergleichende Analyse von laserchirurgisch, konventionell-chirurgisch oder strahlentherapeutisch behandelten Patienten mit T1- und T2-Glottiskarzinomen berichten. Übereinstimmend scheinen die in den beiden genannten Arbeiten retrospektiv erhobenen Daten darauf hinzuweisen, dass die Rezidivquote nach laserchirurgischer Resektion von T2-Glottiskarzinomen im Gegensatz zur primären Strahlentherapie und konventionell-chirurgischen Therapie etwas niedriger erscheint. Das retrospektive Studiendesign legt die Vermutung nahe, dass der dieser Ergebnisanalyse zugrunde liegende Selektionsprozess die Resultate in ähnlicher Weise beeinflusst haben könnte wie in der in dieser Ausgabe veröffentlichten Arbeit.

Bei Durchsicht der Literatur zur Chirurgie von T2-Stimmlippenkarzinomen fällt rasch auf, dass die jeweils untersuchte Fallzahl im Vergleich zu T1- und T3-Karzinomen oftmals sehr klein ist. Eine Erklärung hierfür liegt sicherlich in der im Vergleich zu T3-Karzinomen primär schwierigeren Klassifikation glottischer T2-Karzinome. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass ein T1- und T3-Karzinom viel einfacher bereits von Assistenzärzten als solches erkannt werden kann als ein T2-Karzinom. Vor diesem Hintergrund sollten Diskussionen um die Therapie von T2-Stimmlippenkarzinomen die Schwierigkeiten bei der Festlegung der T-Kategorie erwähnen und in diesem Zusammenhang an die von Kleinsasser und Glanz [12] vorgeschlagene Subklassifikation erinnern. Diese klassifiziert Karzinome zwischen 15 und 25 mm als T2a und Karzinome > 25 mm als T2b. Ein solcher Hinweis fehlt in der Arbeit von Kehrl u. Mitarb., eine zumindest zu diskutierende Sichtweise. So differenziert beispielsweise Steiner [6] die laserchirurgisch erzielten Behandlungsergebnisse für T2a- und T2b-Karzinome. Eine derartige Spezifizierung mag in der zu diskutierenden Arbeit infolge der retrospektiven Aktenaufarbeitung nicht möglich gewesen sein.

Ein wesentlicher Kritikpunkt der von Kehrl u. Mitarb. vorgelegten Arbeit ist die retrospektiv angelegte Analyse zweier Patientengruppen, deren Zusammensetzung auf einem präoperativen Selektionsprozess beruht, der das zu ermittelnde Ergebnis unmittelbar beeinflusst. Die von den genannten Autoren eingesetzten Auswahlkriterien zur Therapierandomisierung wurden in ähnlicher Weise bereits von Böckler et al. [1] gewählt, um eine vergleichende Stimmuntersuchung nach laserchirurgischer versus frontolateraler Kehlkopfteilresektion bei T1b- und T2-Karzinomen vorzunehmen. Nach Autorenangaben wurde die Indikation zur Laserchirurgie meist dann gestellt, wenn das Karzinom endoskopisch gut exponiert werden konnte. Bedingt durch die im Bereich der vorderen Kommissur nicht selten erschwerte Einstellbarkeit wurden die bis in dieses Gebiet reichenden Karzinome in der Mehrzahl von außen operiert. Trotz dieses - offensichtlich allerdings nicht streng berücksichtigten - Selektionskriteriums beobachteten die Autoren eine erhöhte Rezidivrate im Bereich der vorderen Kommissur nach Laserchirurgie gegenüber einem eher im mittleren bzw. hinteren Stimmlippenbereich bevorzugten Rezidivbereich bei den von außen operierten Karzinomen. Das Ergebnis vermehrter Rezidive nach Laserchirurgie im Bereich der vorderen Kommissur erscheint aus den nachfolgend dargelegten Gründen primär plausibel.

Die auch in der hier diskutierten Arbeit beobachtete Häufung von im Bereich der vorderen Kommissur lokalisierten Rezidiven nach laserchirurgischer Behandlung wurde zuvor wiederholt publiziert [3] [5] [13]. Dies ist mit wenigstens zwei Gründen erklärbar. Zum einen ist es die bei der transoralen Präparation bereits primär bestehende, zum Teil deutlich erschwerte Exponierbarkeit der vorderen Kommissur mit einer zudem oftmals nur tangential möglichen Schnittführung. Zum anderen ist es die Gefahr der Karzinomausbreitung in verknöcherte Areale des Schildknorpels entlang der Broyles'schen Sehne oder entlang von in verknöcherte Areale ziehenden Blutgefäßen. Beide Faktoren bieten Erklärungen, warum die Laserchirurgie von im Bereich der vorderen Kommissur lokalisierten Karzinomen dem offenen, konventionell-chirurgischen Zugang von außen primär unterlegen zu sein scheint, ein Faktor, der zudem ganz maßgeblich mit dem Grad der laserchirurgischen Ausbildung des Operateurs korreliert. Gerade unter den letztgenannten Gesichtspunkten muss bei bestimmten Situationen auch eine Knorpelresektion erfolgen, eine Maßnahme, die als laserchirurgisches Vorgehen technisch schwierig sein kann.

Die von Kehrl u. Mitarb. publizierten Daten und auch zitierten Literaturstellen zusammenfassend, lässt sich feststellen, dass es gegenwärtig keine wirklich validen Ergebnisse gibt, die den selektionsfreien, kritischen Vergleich konventionell-chirurgisch und laserchirurgisch behandelter Patienten erlaubt. Vor diesem Hintergrund liefert auch die Arbeit von Tolkemitt u. Mitarb. keinen tatsächlichen Zugewinn an neuen Resultaten, verdeutlicht aber einmal mehr die primär notwendig erscheinende Forderung nach einer prospektiv angelegten Untersuchung an einem repräsentativen Patientenkollektiv als Basis einer vergleichenden Ergebnisanalyse zur optimalen Behandlung glottischer T2a- und T2b-Karzinome.

Das erwähnte Verlangen um eine prospektiv angelegte multizentrische Studie wird allerdings nicht selten in den Raum gestellt, ohne dass die damit verbundenen Schwierigkeiten tatsächlich kritisch hinterfragt sind. Bei der hier diskutierten Fragestellung würde ein Vorhaben initiert, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Grunde schon bei der Planung zum Scheitern verurteilt sein könnte. So setzt die verantwortungsvolle laryngeale Laserchirurgie schwer zugänglicher Karzinome fundierteste Erfahrungen mit dieser operativen Technik voraus, ein Faktor, der als Qualitätskriterium des Operateurs nur schwer standardisierbar ist.

Prinzipiell kann festgestellt werden, dass die weit überwiegende Mehrzahl glottischer T2-Karzinome laserchirurgisch reseziert werden kann, worauf auch Steiner [2] [6] [7] wiederholt hingewiesen hat. Das hierbei jedoch vielfach übersehene Problem ist die Erfahrung des Operateurs, welches sich bei der laserchirurgischen Resektion von T2-Glottiskarzinomen als schwerwiegender erweisen kann als bei konventioneller Chirurgie von außen. So sollte es nachvollziehbar sein, dass es einen höheren Ausbildungsgrad erfordert, ein schwer exponierbares T2-Glottiskarzinom auch mit Zerteilung des Tumors, durch ein eventuell nur sehr enges Rohr hindurch onkologisch sicher zu resezieren, als es bei der Tumorresektion über einen gut einsehbaren, offenen Zugang von außen der Fall ist. Diese Darstellung verdeutlicht einmal mehr, dass das Erreichen onkologisch hervorragender Behandlungsergebnisse bei Larynxkarzinomen mit dem Laser eine intensive Ausbildung des Chirurgen erfordert und Bedenken unzweifelhaft gerechtfertigt sind, wenn der Chirurg bereits zu Beginn seiner operativen Ausbildung fortgeschrittene Larynxkarzinome laserchirurgisch reseziert. Diese Anmerkungen, und das ist mit Nachdruck unterstrichen, zielen in keiner Weise auf die hier zu diskutierende Originalarbeit von Kehrl u. Mitarb. Sie sollen vielmehr in genereller Hinsicht verdeutlichen, dass es hinsichtlich prospektiver Vergleichsstudien gegenwärtig schwieriger sein könnte, eine Gruppe fundiert ausgebildeter Laserchirurgen zu ermitteln als eine Gruppe von in der konventionellen Chirurgie von außen versierten Operateuren. Dies hat keineswegs etwas mit den sehr hohen Ansprüchen um das auf dem Boden rekonstruktiver Maßnahmen mögliche Erreichen funktionell hervorragender Behandlungsergebnisse bei der offenen Chirurgie zu tun. Hierfür ist unzweifelhaft eine ebenso hohe Expertise erforderlich [14] wie bei der laserchirurgischen Resektion schwer exponierbarer Larynxkarzinome. Es geht in dem hier diskutierten Zusammenhang lediglich primär um die Frage der onkologisch sicheren Resektion. So bringen uns bei Klärung der vorgenannten Fragestellung weniger retrospektive Studien weiter als zunächst einmal das Verständnis und auch die Akzeptanz darum, dass die Laserchirurgie schwer exponierbarer und auch fortgeschrittener Karzinome bei weitem keine Gelegenheitschirurgie ist, sondern eine intensive Ausbildung, aber ganz besonders auch kontinuierliche Anwendung dieser operativen Technik voraussetzt. Erst wenn sich eine solche Denkweise durchgesetzt hat, macht es Sinn, Behandlungsergebnisse konventionell-chirurgischer und laserchirurgischer Techniken prospektiv und multizentrisch zu vergleichen.

Retrospektive Beobachtungsanalysen auf dem Boden streng selektionierter Patientengruppen haben in der Vergangenheit Trends aufzeigen können. In der Zukunft allerdings sollten derartige Bemühungen erst nach einer wirklich kritischen Analyse der bereits hinreichend bekannten Daten der Literatur unternommen werden.

Literatur

  • 1 Bockler R, Bonkowsky V, Seidler T, Hacki T. Vergleichende Stimmuntersuchung nach laserchirurgischer versus fronto-lateraler Kehlkopfteilresektion bei T1b- und T2-Stimmlippenkarzinomen.  Laryngo-Rhino-Otol. 1999;  78 512-515
  • 2 Steiner W. Results of curative laser mikrosurgery of laryngeal carcinomas.  Am J Otolaryngol. 1993;  14 116-121
  • 3 Rudert H, Werner J A. Endoskopische Teilresektionen mit dem CO2-Laser bei Larynxkarzinomen, Teil II.  Laryngo-Rhino-Otol. 1995;  74 294-299
  • 4 Rudert H, Werner J A. Endoscopic resections of glottic and supraglottic carcinomas with the CO2-laser.  Eur Arch Otolaryngol. 1995;  252 146-148
  • 5 Eckel H E, Schneider C, Jungehülsing M, Damm M, Schröder U, Vössing M. Potential roel of transoral laser surgery for larynx carcinoma.  Lasers Surg Med. 1998;  23 79-86
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  • 7 Steiner W, Ambrosch P, Martin A, Liebmann F, Kron M. Results of transoral laser microsurgery of laryngeal cancer. 3rd European Congress of the European Federation of Oto-Rhino-Laryngological Societies „Eufos”. Bologna; Monduzzi Editore S.p.a 1996: 369-375
  • 8 Johnson J T, Myers E N, Hao S P, Wagner R L. Outcome of open surgical therapy for glottic carcinoma.  Ann Otol Rhinol Laryngol. 1993;  102 752-755
  • 9 Burke L S, Greve K M, McGuirt W T, Case D, Hoen H M, Raben M. Definitive radiotherapy for early glottic carcinoma: prognostic factors and implications for treatment.  Int J Radiat Oncol Biol Phys. 1997;  38 1001-1006
  • 10 Eckel H E. Local recurrences following transoral laser surgery for early glottic carcinoma: frequency, management, and outcome.  Ann Otol Rhinol Laryngol. 2001;  110 7-15
  • 11 Puxeddu R, Argiolas F, Bielamowicz S, Satta M, Ledda G P, Puxeddu P. Surgical therapy of T1 and selected cases of T2 glottic carcinoma: cordectomy, horizontal glottectomy and CO-laser endoscopic resection.  Tumori. 2000;  86 277-282
  • 12 Hermanek P, Henseon D E, Hutter R VP, Sobin L H. UICC: TNM Supplement 1993. A commentary for uniform use. Berlin; Springer 1993
  • 13 Eckel H E. Topographische und klinisch-onkologische Analyse lokoregionärer Rezidive nach transoraler Laserchirurgie zur Behandlung von Kehlkopfkarzinomen.  Laryngo-Rhino-Otol. 1993;  72 406-411
  • 14 Glanz H, Kimmich T, Eichhorn T, Kleinsasser O. Results of treatment of 584 laryngeal cancers at the Ear-Nose-Throat Clinic of Marburg University.  HNO. 1989;  37 1-10

Prof. Dr. Jochen A. Werner

Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde · Philipps-Universität Marburg

Deutschhausstraße 3 · 35037 Marburg

Email: j.a.werner@mailer.uni-marburg.de

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