Psychiatr Prax 2007; 34(8): 407-408
DOI: 10.1055/s-2007-993275
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Balintgruppe: Die Arzt-Patient-Beziehung im Buch

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Publication Date:
06 November 2007 (online)

 

Der nun erschienene Titel "Die Balintgruppe. Praktische Anleitung für Teilnehmer" entstand im Auftrag der Deutschen Balint Gesellschaft, in deren Händen auch die Ausbildung von Balintgruppenleitern in Deutschland liegt. Den Auftrag als Herausgeber hat Steffen Häfner angenommen, der selbst Mitglied des Vorstandes der Gesellschaft ist und als Psychotherapeut klinisch und wissenschaftlich ausgewiesen ist. Gemeinsam mit seinen Koautoren Heide Otten und Kurt Laederach-Hoffmann erschließt er das Feld der Balintarbeit in 15 Kapiteln. Damit erfüllt dieses neue Buch das Desiderat nach einer aktuellen Einführung in die Balintarbeit, wie sie zuletzt von W. Stucke vorgelegt worden ist, in dessen Nachfolge dieser Titel sich nun auch als eine 3., aber eben "völlig überarbeitete und erweiterte" Auflage stellt. Gemeinsam mit dem 2004 von Werner König verfassten Leitfaden "Die Leitung von Balintgruppen" existieren insofern nun auf dem Buchmarkt zwei neue Titel, die die Methode der Balintarbeit umfassend vermitteln und dieses einzige Gruppenverfahren vorstellen, das die Arzt-Patienten-Beziehung fokussiert. Das Eponym "Balintgruppe" erinnert an den Arzt und Psychoanalytiker Michael Balint (1896-1970), der dieses tiefenpsychologisch fundierte Verfahren entwickelt hat.

Zu Beginn seiner Lektüre eröffnet sich dem Leser in dem Geleitwort des in Israel tätigen Benyamin Maoz ein besonderer Zugang zur Balintarbeit: Es ist seine persönliche, mittlerweile jahrzehntelange Erfahrung mit der Balintarbeit, die Maoz hier offenbart, der Nutzen und die Freude, die er daraus zieht. Das anschließende Vorwort des Herausgebers verortet Balintarbeit in dem Kontext der gegenwärtigen medizinischen Versorgungslandschaft.

Es folgen die inhaltlichen Kapitel, die auf die vielfältigen Aspekte eingehen, die für das Verstehen der Balintmethode, ihren Nutzen und ihre Wertschöpfung sowie die Praxis der Gruppenarbeit relevant sind: So wird der Umgang mit psychosomatischen Patienten im allgemeinen skizziert und die Technik der Beziehungsdiagnostik und -therapie mit der Balintarbeit. Die konkrete Arbeitsweise in einer Balintgruppe -möglicherweise das Kapitel, das ein Interessent hier zuerst aufschlagen wird - findet ausführlich Darstellung, sogleich verbunden mit den Zielen dieser Gruppenarbeit. Dass die Balintmethode sich für eine breite Klientel eignet, dass die Arbeit sich aber dann je nach Teilnehmerkreis in Nuancen unterschiedlich gestaltet, drückt sich in mehreren Einzelkapiteln aus: Balintgruppe für Klinikärzte und Niedergelassene, Nichtärzte und Studenten. Wenn sich auch Balintarbeit nicht nur auf den Bereich der psychosomatischen Versorgung beschränkt, so widmen sich dieser aber doch spezielle Abschnitte des Buches, zum einen über das Verhältnis der Balintmethode zur Psychosomatischen Medizin, zum anderen über das Potenzial von Balintarbeit zur Effizienzsteigerung in der Psychosomatik. Die Lebendigkeit der Balintarbeit spiegelt sich in der methodischen Variante des Einbezugs einer therapeutischen Skulptur in die Balintarbeit wieder, die erfreulicherweise auch Erwähnung und Raum in dem anschaulichen Kapitel von H. Otten findet.

Dass den sogenannten "Fehlentwicklungen" in einer Balintgruppe ein eigenes Kapitel gewidmet ist, macht darauf aufmerksam, dass die Balintarbeit bei allem Pragmatismus in ihrer Anwendung doch stets nur nutzbringend sein kann und den Namen verdient, wenn sie ihren Kernregeln folgt. Wichtig ist dabei allerdings weniger ein striktes Befolgen von konkreten Regeln als vielmehr die Wachsamkeit für die "Meta-Regeln", die eine lebendige, offene und kreative Gruppenarbeit ermöglichen: Das "frech Denken" der Teilnehmer und die Flexibilität des Leiters, der den Gruppenprozess und seine eigenen Interventionen ständig vor dem Hintergrund der speziellen Arzt-Patient-Beziehungsgeschichte reflektiert. Ob der Gebrauch des zwar im Jargon geläufigen Terminus eines "Balintoids" in diesem Fachbuch sinnvoll ist oder eher zu Irritationen führt, muss offen bleiben.

Zusammenfassend ergibt sich: Auch wenn die Reihenfolge der einzelnen Kapitel in dem Aufbau des Buches beim ersten Durchblättern etwas wahllos anmuten mag, so ist "Die Balintgruppe" gut lesbar und verständlich, umfassend und inhaltsreich, sie ist aktuell und bietet dem Leser mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis Material für eine vertiefte Beschäftigung mit Einzelthemen. Darüberhinaus kann der Leser mit der Lektüre dieses Buches die Methode der Balintgruppenarbeit als ein modernes Verfahren erfassen, das seit Jahrzehnten eingesetzt wird, ohne zu erstarren, sondern das gereift ist, indem es sich auf dem Grund einer soliden methodisch-theoretischen Basis in seiner Praxis kontinuierlich weiterentwickelt hat und an wechselnde Bedürfnisse anzupassen vermag. Damit erweist sich die Balintmethode gleichsam als ideal geeignet für einen festen Platz in dem sich ja in permanentem Wandel begriffenen Gesundheitssystem, in dem aber doch die eine Größe konstant bleiben sollte: Der Schwerpunkt ärztlichen Handelns ist die Arzt-Patient-Beziehung.

"Die Balintgruppe" kann allen Ärzten empfohlen werden, deren Interesse der Beziehung zu ihren Patienten und Patientinnen gilt.

Philipp Portwich, Luzern

Email: Philipp.portwich@suva.ch

Häfner S (Hrsg). Die Balintgruppe. Praktische Anleitung für Teilnehmer. 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Köln: Deutscher Ärzteverlag, 2007, 114 S., € 24,95

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