Einleitung
Das Prostatakarzinom (PCA) ist in Deutschland mit jährlich ca. 78.000 Neudiagnosen der häufigste solide Tumor des Mannes [
1]. Auch wenn sich initial < 10 % der Patienten mit einem primär metastasierten PCA präsentieren, entwickeln bis 40 % aller Patienten nach lokaler Therapie Metastasen [
2]. In der Situation des systemisch metastasierten hormonsensitiven PCA (mHSPC) stellt die Androgendeprivation (ADT) in Kombination mit einem modernen Androgenrezeptorbiosyntheseinhibitor (ARI) bei geringer Metastasenlast oder in Kombination mit einem ARI und Docetaxel bei hoher Metastasenlast und Eignung für Docetaxel die leitlinienbasierte Therapie der Wahl dar [
3,
4]. Lediglich bei Patienten mit geringer Metastasenlast sollte zusätzlich zur systemischen Therapie eine lokale Therapie des Primarius addiert werden [
5‐
7]. Trotz einer hohen Ansprechrate werden alle Patienten mit einem mHSPC ein kastrationsresistentes PCA (CRPC) entwickeln, das trotz der modernen Behandlungsmöglichkeiten durch molekulare Ansätze oder die Radioligandentherapie durch einen aggressiven Verlauf und eine limitierte Überlebenszeit charakterisiert ist.
Somatische Mutationen der Karzinomzellen führen zu Funktionsveränderungen spezifischer Gene oder Signaltransduktionskaskaden, die in die molekulare Pathogenese, Metastasierung und Resistenzentwicklung involviert sind [
8]. Die Identifikation solcher genomischer Alterationen kann dazu beitragen, die Mechanismen der Tumorprogression zu verstehen und innovative Therapieoptionen zu entwickeln.
Verschiedene Wege der molekularen Diagnostik beim mHPSC und noch mehr beim mCRPC haben zu der Identifikation von Treibermutationen geführt, die in den Prozess der Progression involviert sind und zum Teil bereits therapeutisch gezielt angegangen werden können [
9,
10]. Jedoch ist die molekulare Diagnostik des mHSPC bzw. des mCRPC in der klinischen Routine herausfordernd, da das zur Verfügung stehende Material meist limitiert und archiviert ist und die wenigsten Patienten in der klinischen Routine eine Biopsie progedienter Metastasen erhalten [
9,
10].
Es ist die Zielsetzung unserer retrospektiven Analyse, die Möglichkeiten der molekularen Diagnostik einer Panelanalyse von verschiedenen Mutationen in Metastasengewebe auf der Basis des modernen „next generation sequencing“ (NGS) und der sich daraus potenziell ergebenden therapeutischen Konsequenzen im klinischen Alltag aufzuzeigen.
Von dem archivierten Material wurden 10-mm-Schnitte angefertigt und der tumortragende Anteil wurde von einem Uropathologen markiert. Der markierte Bereich wurde mit einem Skalpell vom Glasträger abgekratzt und in ein 1,5-ml-Röhrchen überführt. Für die Extraktion wurde das QiAamp DNA FFPE Advanced Kit (Qiagen, Hilden, Deutschland) nach Herstellerangaben verwendet. Nach Lösung der DNA von der Qiagen-Säule wurde die Quantifizierung sowie die Kontrolle der Reinheit mittels NanoDrop (Thermo Fisher Scientific, Langerwehe, Deutschland) durchgeführt. Um eine mögliche Degradierung der DNA auszuschließen, wurden die DNA-Proben stichpunktartig in einem 1 %-Agarose-Gel geladen.
Molekulare Analyse aus Biopsien
Im Falle von CT-gestützten Biopsien wurden 1–3 Gewebeproben aus der Zielläsion entnommen, in Kochsalzlösung asserviert und unmittelbar in das Institut für Pathologie verbracht, nach einem standardisierten Protokoll aufgearbeitet und analysiert (s. unten).
„Gene panel analysis by parallel sequencing“
Mit dem Qubit dsDNA HS Assay (Thermo Fisher Scientific) auf dem Qubit 2.0 Fluorometer (Thermo Fisher Scientific) wurden 40 ng DNA quantifiziert und nachfolgend auf dem Covaris E220 Focused-ultrasonicator (Woburn, MA, USA) mit der 8 microTUBE-50 Strip AFA Fiber V2 entsprechend des Herstellermanuals „sheared“. Die Behandlungszeit der Proben ist optimiert für FFPE-Material und das Setting ist wie folgt: Peak Incident Power (W): 75; Duty Factor: 15 %; Cycles per Burst: 500; Treatment Time (s): 360; Temperature (°C): 7; Water Level: 6. Für die DNA library Präparation und die Anreicherung wurde der TruSight Oncology 500 Kit (Illumina) entsprechend des Herstellermanuals verwendet. Die Libraries wurden nach Anreicherung quantifiziert, gepoolt und auf einem NextSeq 500 (Illumina, San Diego, CA, USA) sequenziert.
Die Qualität der NextSeq 500 (Illumina)-Sequenzen wurde auf dem Illumina Sequencing Analysis Viewer (Illumina) beurteilt. Die Sequenzierungsdaten wurden mit der TruSight Oncology 500 Local App Version 1.3.0.39 (Illumina) analysiert. Neben den reinen Mutationsdaten konnten der Mikrosatellitenstatus sowie die „tumor mutational burden“ analysiert werden.
Expressionsanalyse
Die Differentialexpression der selektierten Gene auf RNA-Ebene wurde mittels der Anwendung eines kommerziellen NanoString Panel (NanoString Technologies, Inc., Seattle, WA, USA) durchgeführt. Die isolierte mRNA wurde mit einem Set von genspezifischen und fluoreszenzmarkierten Gensonden für 18 h bei 65 °C hybridisiert. Die Hybridisationsprodukte wurden weiter auf einem nCounter PrepStation (NanoString Technologies, Inc.) präpariert, bevor diese in die entsprechenden Cartridges geladen wurden. Das digitale Zählen der Fluoreszenzsignale erfolgte auf dem nCounter Digital Analyzer. Nachfolgend wurde die Datenanalyse inklusive der erforderlichen Statistik mit der nsolver 3.0 Software und dem zugehörigen Advanced Analysis 2.0 Package durchgeführt. Die Normalisierung der Proben erfolgt mittels Analyse der in dem Panel inkludierten Housekeeping-Gene.
Die Mutationsanalyse erfolgte initial mittels NGS [
22] in einem von uns zusammengestellten „Prostatakarzinompanel“ von 18 Multiplex PCR Amplikons (AR, ATM, AURKA/MYC, BRCA 1/2, CDK12, CTNNB1, DLL3, ETS family, FOXA1, FOX01, MED12, PIK3CA, PTEN, RAD51C, TP53, Wnt-Pathway), deren Generierung mit einem GeneRead DNAseq Custom Panel V2 (Qiagen) durchgeführt wurde. Das Panel wurde generiert, um die häufigsten, potenziell therapierbaren Mutationen in einer Analyse nachweisen zu können. Zudem haben wir den MSI-Status und den HRD-Score berechnet (s. unten). Ab 2023 führen wir in ausgewählten Fällen die NGS-Analyse mittels des TSO500-Panels durch. Für die Library-Erstellung wurden GeneRead DNA Library I Core, GeneRead DNA I Amp Kits sowie NEXTflex-96 DNA Barcode Adapter verwendet.
Die Analyse der Defizienz der homologen Rekombinationsreparatur (HRD) erfolgt über die Kombination von BRCA 1- und BRCA 2-Mutationen sowie dem HRD-Score (Genomic ScarScore GSS) mittels des HANDLE HRD Focus Panels (Halo-shape Annealing und Defer-Ligation Enrichment, AmoyDx). Zur gezielten Erfassung von Varianten und HRD-Score wurde mittels Molecular Inversion Probe (MIP)-Technologie eine Parallelsequenzierungsbibliothek hergestellt. Die Sequenzierung wurde auf dem NextSeq (Illuma) durchgeführt. Die anschließende Datenauswertung erfolgte mit dem ANDAS Server (AmoyDx). Die Datenauswertung erfolgte mit den folgenden Schwellenwerten: Tumorzellgehalt ≥ 30 %, GScore positiv bei ≥ 50, HRD positiv: GScore bei ≥ 50 oder BRCA 1/2-Kategorie-4/5 Mutation.
Zudem führten wir neben der NGS-basierten Analyse des Mikrosatellitenstatus (MSIhigh) die immunhistochemische Expressionsanalyse der Mismatch-repair-Gene MSH2, MSH6, PMS2 und MLH1 durch.
Diskussion
Die Kombination einer Androgendeprivation mit einem ARI stellt die Therapie der Wahl des mHSPC dar [
3,
4]. Bei Eignung der Patienten für eine Docetaxel-Therapie sollte die Triple-Therapie durch die Addition von Abirateron/Prednison oder Darolutamid insbesondere bei hoher Metastasenlast angewendet werden. [
12,
13]. Trotz des erheblichen Benefits in Bezug auf das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) und das Gesamtüberleben werden auch in Deutschland noch immer nur ca. 40 % der mHSPC-Patienten leitliniengerecht behandelt [
14]. Mehr als der Hälfte der Patienten wird eine der lebensverlängernden Therapien aus nicht nachvollziehbaren Gründen vorenthalten.
Trotz eines initial guten therapeutischen Ansprechens entwickeln nahezu alle mHSPC-Patienten eine Resistenz auf die alleinige oder kombinierte Hormontherapie, so dass nachfolgende Zweit- und Drittlinientherapien mit alternativem Wirkmechanismus (zytotoxische oder Radioligandentherapie, PARP-Inhibitoren) eingesetzt werden, um ein erneutes Ansprechen zu induzieren [
2]. Letztendlich ist keine der innovativen Therapien kurativ oder von langer Wirkdauer, so dass es sinnvoll erscheint, mit den modernen Methoden der molekularpathologischen Diagnostik frühzeitig Treibermutationen zu identifizieren, die in den Prozess der Resistenzentwicklung und Tumorprogression involviert sind und die eventuell durch eine zielgerichtete medikamentöse Therapie inhibiert werden können [
10].
Die überwiegende Mehrzahl der Patienten entwickelt die Androgenresistenz bereits im Progress nach der ersten kombinierten Hormontherapie [
15]. In dieser Situation besteht eine Zulassung für die Anwendung von PARP-Inhibitoren bei Nachweis einer BRCA 1/2-Mutation [
16]. Auch wenn die PARP-Inhibitoren auf dem Boden der aktuellen Zulassungssituation auch bei fehlendem Nachweis einer BRCA-Mutation angewendet werden können, zeigen die Subgruppenanalysen der Studien einen klinisch relevanten Benefit letztendlich nur für die Patienten mit Mutationen der BRCA-Gene [
18,
19]. Wir favorisieren deshalb, die molekulare Testung bereits beim ersten Übergang des mHSPC in das mCRPC, spätestens jedoch nach Versagen der ersten Zweitlinientherapie.
Die Ergebnisse unserer retrospektiven Analyse zeigen, dass eine molekulare Testung von Gewebeproben aus archiviertem Material oder frisch gewonnenen Biopsien progredienter Metastasen unproblematisch nach interdisziplinärer Diskussion in den klinischen Alltag integriert werden kann. Wir können zeigen, dass bei zwei Dritteln der Patienten Metastasen vorliegen, die meist CT-gestützt, seltener sonographisch gestützt biopsiert werden können und bei denen unabhängig von der Lokalisation der Metastasen in 85 % (Knochen) bis 95 % (Weichteilmetastasen) ausreichende DNA-Mengen zur molekularen Analyse extrahieren werden können. Gerade bezüglich der hohen Verwertbarkeit auch der Biopsien aus ossären Metastasen spielen die modernen Methoden des „next generation sequencing“ (NGS) aufgrund der gegenüber früheren Techniken zur validen Auswertung deutlich geringeren Menge an DNA eine entscheidende Rolle [
10]. Wir favorisieren bezüglich der Mutationsanalyse eine Biopsie aus den in der bildgebenden Diagnostik nachweisbaren progredienten Metastasen, da sich hier am ehesten die für die Progression verantwortlichen somatischen Mutationen detektieren lassen. Auf das archivierte Gewebe greifen wir nur dann zurück, wenn die Metastasen nicht biopsierbar sind bzw. keine ausreichende DNA-Menge aus der Biopsie extrahiert werden kann. In diesem Zusammenhang konnten Hussain et al. [
11] zeigen, dass die Ausbeute der NGS umso höher ist, je besser das zur Untersuchung zur Verfügung stehende Biomaterial ist und stützen damit unsere Strategie der Biopsie progredienter Metastasen. Als Alternative zur molekularen Analyse von Gewebeproben steht prinzipiell auch zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) zur Verfügung. Diesbezüglich konnte in einer Auswertung der PROfound-Studie gezeigt werden, dass nur eine geringe Konkordanz von 27 % bezüglich des Vorliegens von homozygoten Deletionen für BRCA und ATM zwischen ctDNA und Gewebe vorhanden ist, während sich eine hohe Konkordanz für Nonsense‑, Splice- und Frameshift-Mutationen zeigte [
21]. Wir favorisieren aus diesem Grund derzeit weiterhin die NGS-Analyse aus Gewebeproben biopsierter Metastasen.
Wir haben mit unserer retrospektiven Analyse auch zeigen können, dass ein bezüglich der häufigsten beim mCRPC vorkommenden Mutationen zusammengestelltes Panel in nahezu 50 % der Patienten eine therapierbare Mutation erkennt und dass die generelle Anwendung eines TSO500-Panels nicht zielführend und kostenorientiert ist. Nur bei einer minimalen Anzahl von Patienten können durch das ausgedehnte TSO500-Panel zusätzliche potenziell therapierbare Mutationen identifiziert werden.
Bezüglich der identifizierten Mutationen waren Alterationen der BRCAness-Gene, des p53 Tumorsupressorgens und des Androgenrezeptors mit 22 % bzw. 14 % am häufigsten nachweisbar und decken sich mit den Daten anderer klinischer Studien [
10,
11,
15,
21,
30]. Die überwiegende Mehrzahl der Mutationen des p53 kann aktuell noch nicht therapiert werden bzw. die theoretisch zur Verfügung stehende Therapieoption mit wee-1 Kinase-Inhibitoren ist aufgrund der hohen therapieassoziierten Toxizitäten noch nicht in den klinischen Alltag integriert. [
23]. Nur die 3 von uns beschriebenen Mutationen mit dem „gain of function“ könnten prinzipiell therapeutisch genutzt werden. Die Mutationen p53
R248W sowie p53
R273H führen zu Konformationsveränderungen des p53 mit einem daraus resultierenden Verlust der Tumorsuppressoraktivität [
24]. In präklinischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass diese beiden Mutationen nach Schädigung der DNA durch γ‑Strahlung zu einer Verlagerung des MRN-Komplex an die Position der geschädigten DNA führt und dadurch eine Inaktivierung des ATM mit konsekutiver genetischer Instabilität bedingt. In dieser klinischen seltenen Situation könnte ein PARP-Inhibitor ein therapeutisches Ansprechen erzielen. Des Weiteren sind die beschriebenen GOF-Mutationen mit einem verkürzten Überleben bei verschiedenen Tumorentitäten sowie mit einer Chemoresistenz gegenüber Zystostatika durch eine Induktion von CYP3A4 assoziiert [
25].
Für die Mutationen der BRCAness-Gene und der AR-Mutationen stehen klinisch anwendbare Therapieoptionen zur Verfügung [
16‐
20,
26]. Niraparib, Olaparib, Rucabarib und Talazoparib haben in prospektiv randomisierten Studien eine klinisch bedeutsame therapeutische Wirksamkeit entfaltet, wenngleich besondere Aspekte der Wirksamkeit berücksichtigt werden müssen [
16‐
20,
26]. In der PROfound-Studie war der signifikante Benefit von Olaparib nur für die Patienten mit einer BRCA 1/2- oder ATM-Mutation nachweisbar, jedoch nicht für die Patienten mit anderen Mutationen [
16]. In der TRITON-Studie wurde gezeigt, dass Rucaparib nur bei Patienten mit einer BRCA 1/2-Mutation einen Benefit erzielt, nicht jedoch in der ATM-Subgruppe [
26]. Die TALAPRO-Studie zeigte eine hohe objektive Ansprechrate von 81,5, 81,8 und 70 % für Mutationen von BRCA 1/2, ATM bzw. CDK12, während Mutationen von PALB‑2 und CHECK2 nur mit einer Ansprechrate von 33 % bzw. 50 % assoziiert waren [
20]. In der Magnitude-Studie hingegen wurde ein Benefit in Bezug auf das rPFS sowohl für die BRCA-Gruppe als auch für die Gruppe mit anderen Mutationen der HRR-Gene dokumentiert [
17]. Diese Daten der verschiedenen Studien verdeutlichen, dass im klinischen Alltag eine fundierte molekulare Analyse der gesamten Bandbreite der BRCA-Gene erforderlich ist, um eine individuelle Entscheidung für den einen oder anderen PARP-Inhibitor zu treffen.
Beim Ovarialkarzinom und auch beim Mammakarzinom hat sich neben der Testung auf eine Mutation von BRCA 1/2 der HRD-Score als allgemeiner Parameter der Defizienz einer homologen Rekombination durchgesetzt. Der HRD-Score („homologous recombination deficiency“) setzt sich aus drei unabhängigen Markern („loss of heterozygosity“ [LOH], „large scale state transitions“ [LST] und „telomeric allelic imblance“ [TAI]) zusammen und kennzeichnet eine gestörte homologe Rekombination, die ein positives Ansprechen auf PARP-Inhibitoren signalisiert [
27]. Um zwischen HRD-Positivität bzw. HRD-Negativität zu unterscheiden, werden in der Labordiagnostik klinisch validierte Schwellenwerte für die jeweiligen HRD-Scores definiert. Wie in unserer Studie gezeigt, können eine Vielzahl von inaktivierenden Mutationen der HRD-Gene beim mCRPC durch NGS-Verfahren identifiziert werden. Beim Ovarialkarzinom wurde für Olaparib die Zulassung bei positivem HRD-Score ausgesprochen, nachdem sich ähnlich für BRCA 1/2 Mutationen ein erheblicher Überlebensbenefit darstellen ließ [
28]. Auch wenn es beim Prostatakarzinom noch keine entsprechenden klinischen Studien zum HRD-Score gibt, haben wir diesen Marker in die routinemäßige molekulare Analyse integriert. Patienten mit positivem HRD-Score, aber fehlender BRCA 1/2-Mutation werden mit einem PARP-Inhibitor behandelt.
Die molekulare Analyse des Androgenrezeptors (AR) erbrachte bei 14 % der Patienten Mutationen mit therapeutischer Implikation. Die Mutationen des AR sind als ein durch die vorhergehende ADT in Kombination mit ARIs induzierter Resistenzmechanismus anzusehen, der sich bei der Mehrzahl der von uns untersuchten Patienten schon nach der antihormonellen Erstlinientherapie entwickelt [
15,
30‐
32]. So haben wir keine signifikanten Differenzen in der Häufigkeit und der Art der AR-Mutationen bei Patienten identifiziert, die unmittelbar nach Versagen der Erstlinientherapie oder erst nach Versagen auch einer Drittlinientherapie molekular getestet worden sind. Alle Mutation wurden in der LBD des AR identifiziert und wirken sich dahingehend aus, dass die eingesetzten AR-blockierenden Medikamente teils als totale oder als partielle Agonisten wirken und somit den Progress der Erkrankung beschleunigen (Tab.
6). Bei den meisten AR-Mutationen wirken die klassischen ARIs Abirateron, Apalutamid bzw. Enzalutamid agonistisch, während Darolutamid als Antagonist in diesen Situationen eingesetzt werden kann [
30,
32]. Nur bei der AR-Mutation V716M wirkt Darolumatid agonistisch und die anderen ARI sind antagonistisch wirksam [
29]. Andere Mutationen (L702H, W742L, T878A) induzieren einen promiskuitiven AR, der unter Prednison/Prednisolon eine Proliferationsstimulation bewirkt, während die Applikation von Dexamethason eine Proliferationsinhibierung induziert. Diese Daten verdeutlichen aus unserer Sicht, dass eine fundierte molekulare Analyse des AR nach Versagen der initialen antihormonellen Kombinationstherapie erworbene Resistenzmechanismen aufzeigen kann, die durch eine einfache Umstellung der ARI-Komponente oder im Falle von Abirateron/Prednison mit dem Ersatz des Prednison durch Dexamethason ein weitergehendes therapeutisches Ansprechen induzieren kann. Aus den Daten der hier vorliegenden Arbeit sowie aus den bereits publizierten Daten möchten wir deshalb empfehlen, eine molekulare Analyse auf das Vorliegen von AR-Mutationen sowie Mutationen der HRD-Gene nach Versagen der Erstlinientherapie in den klinischen Alltag zu integrieren. Wir gehen aktuell so vor, dass wir bei entsprechender AR-Mutation eine Umstellung der Therapie vornehmen und dadurch noch ein mittleres therapeutisches progressionsfreies Intervall von 6–8 Monaten induzieren können.
In unserem molekularen PCA-Panel haben wir die Untersuchung auf eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) sowie den Verlust der Mismatch-repair-Gene (MMR) MLH1, MSH6, MSH, MSH2, PMS2 integriert, da sich aus dieser einfachen immunhistochemischen Analyse wichtige therapeutische Implikationen für eine geringe Anzahl von Patienten ergeben könnten. Zirka 2 % der von uns getesteten Patienten zeigten eine entsprechende Mutation, was sich mit den Daten der Literatur deckt, in der diese Alterationen in 3–5 % der mCRPC-Patienten beschrieben werden [
33]. Lediglich beim duktalen PCA wird eine Mutationsfrequenz von bis zu 40 % angegeben, so dass bei diesen Patienten ein generelles Screening bereits bei Erstdiagnose überlegt werden kann [
34]. Sowohl für die Situation der MSI-high als auch für den Verlust der MMR-Gene kann Pembrolizumab als therapeutische Option appliziert werden, wenn keine anderen vertretbaren Möglichkeiten bestehen. Ein therapeutisches Ansprechen ist bei > 50 % der Patienten zu erwarten [
35]. Auch in unserem Patientenkollektiv zeigte sich ein PSA-Ansprechen bei 2 von 3 Patienten für ein mittleres Zeitintervall von 6 Monaten. Auch wenn der Verlust der MMR bzw. eine MSI-high nur bei knapp 2 % der Patienten nachweisbar war, sollte die einfache Untersuchung in das diagnostische Armentarium zumindest nach Versagen der Zweit- oder Drittlinientherapie integriert werden.
Eine Mutation für PIK3CA bzw. einen Verlust von PTEN wiesen 8 % der Patienten auf, die uns weiterhin vor eine therapeutische Herausforderung stellt. Prinzipiell könnte hier die Therapie mit dem AKT-Inhibitor Ipatasertib im Sinne einer Off-label-Anwendung erwogen werden. Jedoch zeigen die Daten der IPATential150-Studie ein marginales Ansprechen bei hoher therapieassoziierter Nebenwirkungsrate [
36]. In die prospektiv randomisierte klinische Phase-III-Studie wurden 1101 Patienten mit einem mCRPC in die beiden Therapiearme Abirateron/Prednison plus Ipatasertib vs. Abirateron/Prednison mit dem Ziel der Verbesserung des rPFS randomisiert. Nach einem medianen Follow-up von 19 Monaten (0–33) war ein statistisch signifikanter, klinisch jedoch moderater Benefit im rPFS von 16,5 vs. 18,5 Monaten (HR 0,77, 95 %-CI 0,61–0,98,
p = 0,034) zu verzeichnen. Jedoch zeigten sich in der Gruppe der Kombinationstherapie ≥ Grad-3-Nebenwirkungen in 70 % vs. 39 % sowie eine deutlich höhere Rate an frühzeitigem Therapieabbruch von 21 % gegenüber 5 %. Auch zeigen die aktualisierten Daten bei längerem Follow-up keinen Benefit des Gesamtüberlebens, so dass sich derzeit für Patienten mit einer Aktivierung des PIK3CA/AKT-Pathways bzw. einem PTEN-Verlust keine wirklich guten Therapiemöglichkeiten ergeben. Es könnte lediglich im Sinne einer Off-label-Anwendung die Kombination von Ipatasertib mit einem anderen ARTA in Abhängigkeit des AR-Mutationsstatus individuell angewendet werden. Zu diesem Ansatz zeigt eine aktuelle Phase-Ib-Studie der Kombination Ipatasertib (4 × 400 mg/Tag) plus Darolutamid (2 × 600 mg/Tag) eine minimale Interaktion der beiden Medikamente, eine Rate an ≥ Grad-3-Nebenwirkungen und frühzeitigen Therapieabbrüchen bei nur 14 % bzw. 7 % der Patienten [
37]. Wir haben keine Erfahrungen in der Anwendung von Ipatasertib und wären aufgrund der beschriebenen Datenlage eher zurückhaltend in der Anwendung dieser Therapieoption.
Mutationen im Wnt-Pathway zeigten 5 % unserer Patienten, die aktuell aufgrund fehlender medikamentöser Ansatzpunkte zwar noch nicht therapeutisch genutzt werden können, die aber Hinweise auf mögliche Resistenzmechanismen gegenüber ARI geben. So konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass die Aktivierung des Wnt-Pathways zu einer Resistenz gegenüber Abirateron führt und somit zur individuellen Therapieplanung genutzt werden könnte [
38].
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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.