Bei „Harnwegsinfekt“ mit Fieber an akute Prostatitis denken!

Symptome eines Harnwegsinfekts sind bei geriatrischen Patienten keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. Der Urogeriater Prof. Andreas Wiedemann von der Uni Witten/Herdecke warnt vor zwei schweren Krankheitsbildern, die immer noch häufig übersehen werden, und gibt praktische Tipps für die Diagnostik. Bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion (HWI) sollte man sich bei betagten Menschen keinesfalls auf die Urinteststreifen-Diagnostik verlassen: „Da die Hälfte der Keime kein Nitrit bildet, ist der Urinstix wertlos“, machte Univ.-Prof. Andreas Wiedemann, Universität Witten/Herdecke, anlässlich der DGIM-Tagung deutlich. Zu groß sei außerdem die Gefahr der Verfälschung durch äußere Faktoren. Ist die Prostata druckdolent? Eine „unkomplizierte“ HWI existiert bei geriatrischen Patienten laut Wiedemann praktisch nicht. Dem Urogeriater zufolge empfiehlt es sich in jedem Fall, auf Alarmsymptome zu achten und diese richtig zu interpretieren. Dies gelte vor allem für Patienten mit Fieber: „Streichen Sie aus Ihrem Gedächtnis den Begriff des fieberhaften HWI des Mannes“, bat Wiedemann. Wenn sich ein Patient mit Dysurie und/oder Strangurie – evtl. auch Harnverhalt –, reduziertem Allgemeinzustand und Fieber in der Praxis vorstelle, sei eine akute Prostatitis zumindest naheliegend. Hinweise darauf erhalte man bei der digitalen rektalen Untersuchung: „Die Prostata ist dann weich und druckdolent.“ Charakteristisch sei außerdem der steile Anstieg der PSA-Werte innerhalb weniger Tage. Wer sich die Mühe mache, diese zu bestimmen, werde nicht selten dreistellige Werte messen. In solchen Fällen droht laut Wiedemann ein (operationspflichtiger) Prostataabszess. Der Referent riet daher bei entsprechendem Verdacht zur stationären Einweisung und Einleitung einer intravenösen antibiotischen Therapie. Auf einen Dauerkatheter sollte bei den Betroffenen verzichtet werden. Unklares Fieber: Ist es eine Pyelonephritis? Bei stationär behandelten geriatrischen Patienten mit neu aufgetretenem unklarem Fieber sollte man laut Wiedemann an das gefährliche Krankheitsbild der obstruktiven Pyelonephritis denken. Dahinter könne zum Beispiel ein Harnleiterstein im kleinen Becken stecken. Das Tückische daran sei die Symptomarmut, trotz unter Umständen bereits vorhandener Bakteriämie. Hinweisend seien bei älteren Patienten folgende Konstellationen: anamnestisch bekannte Op. in Harnleiternähe (z. B. Hemikolektomie oder Op. nach Wertheim), vorangegangene Bestrahlung, Demenz, die Beschreibung „multipler Zysten“ im Ultraschall durch den Erstuntersucher. Letztere kämen durch die Stauung der ableitenden Harnwege durch die Urosepsis zustande. „Wenn wir hier eine Schiene legen, kommt oft gar kein Urin mehr runter, sondern nur noch Eiter“, sagte Wiedemann. Empfehlung der Redaktion Themenseite Harnwegsinfektionen Harnwegsinfektionen sind häufig – ebenso wie die Fragen, die immer wieder in diesem Zusammenhang auftauchen: Was bringen pflanzliche Mittel? Wann sind Antibiotika geboten? Welche eignen sich am besten zur Therapie? Unsere Themenseite hält Sie auf dem Laufenden zu Prophylaxe, Diagnostik und Therapie. Einen praktischen Tipp hatte der Geriater für Patienten mit HWI-Symptomen, die einen Blasenkatheter tragen: „Was kaum jemand weiß: In jedem Ableitungssystem gibt es einen Gummipoppel, das ist das Entnahmefeld“, erklärte Wiedemann. An dieser Stelle könne man nach Desinfektion problemlos Urin für die weitere Diagnostik gewinnen. Basierend auf: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, 13.–16. April 2024, Wiesbaden.

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