Chronischer Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut (CPNL) stellt ein häufig auftretendes Symptom bei zahlreichen Erkrankungen aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten dar. Die Vielzahl möglicher ätiologischer Ursachen erschwert die Diagnosestellung der zugrunde liegenden Erkrankung oft erheblich.
Ziel der Arbeit
Dieser Übersichtsartikel gibt einen Überblick über die klinische, laborchemische und bildgebende Diagnostik bei CPNL.
Material und Methoden
Es erfolgte eine ausführliche PubMed-Recherche zur Diagnostik bei chronischem Pruritus mit der Verwendung der Schlüsselwörter „chronic pruritus AND non-lesional skin“, „chronic itch AND non-lesional skin“, „chronic pruritus AND diagnostics“, „chronic itch AND diagnostics“, „CKD-aP“, „hepatic pruritus“, „cholestatic pruritus“ und „myeloproliferative neoplasms AND pruritus“.
Ergebnisse
Zur Abklärung des CPNL wird eine Stufendiagnostik empfohlen, die sich an der Prävalenz mit Pruritus assoziierten Erkrankungen orientiert. Eine Basisdiagnostik ermöglicht eine kosteneffiziente und gezielte Evaluation beim medizinischen Erstkontakt. Die hier erhaltenen Informationen über zugrunde liegende Erkrankungen können durch spezialisierte Diagnoseverfahren noch präziser aufgearbeitet werden.
Diskussion
CPNL stellt eine diagnostische Herausforderung dar. Ein schrittweises Diagnoseverfahren erleichtert, die zugrunde liegende Ätiologie zu identifizieren. Dies ist entscheidend, um Erkrankungen zu erkennen und den Pruritus gezielt mit krankheitsspezifischen Therapien zu behandeln.
Obwohl Pruritus häufiger bei klassischen dermatologischen Erkrankungen mit sichtbaren Hautveränderungen auftritt, leiden auch zahlreiche Patienten an Pruritus auf primär unveränderter, nichtläsionaler Haut. Die fehlenden primären Hautveränderungen erschweren die ätiologische Zuordnung und die erforderliche Diagnostik. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die gezielte klinische, laborchemische und bildgebende Diagnostik bei Pruritus auf primär unveränderter Haut sowie über die zugrunde liegenden Erkrankungen.
Pruritus übt physiologisch eine sinnvolle Warnfunktion aus, um die menschliche Haut gegenüber schädlicher Exposition wie Insekten oder Pflanzen zu schützen. Bei zahlreichen dermatologischen oder systemischen Erkrankungen entwickelt sich Pruritus über mehr als 6 Wochen jedoch zu einem chronischen Symptom. Bis zu ein Fünftel der deutschen Bevölkerung litt schon einmal im Leben an chronischem Pruritus (CP) [13]. Die Punktprävalenz von CP liegt in verschiedenen Studien aus Deutschland mindestens über 10 % [13, 18]. Trotz dieser Häufigkeit wird CP sowohl von Patienten als auch medizinischem Personal teilweise nicht ausreichend ernst genommen. Dabei bestätigen Daten aus dem Jahr 2010, dass fast die Hälfte von Patienten mit CP diesbezüglich keine medizinische Hilfe in Anspruch nimmt [18]. CP kann mild und sporadisch auftreten, aber auch moderate bis schwere Verlaufsformen annehmen. Patienten können hierdurch eine stark eingeschränkte gesundheitsbezogene Lebensqualität erleben. CP kann Schlafmangel, Tagesmüdigkeit und deutlich verringerte Leistungsfähigkeit verursachen. Es bestehen Assoziationen von CP zu Depressionen und Suizidalität.
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CP tritt in einem relevanten Anteil der Fälle auch auf primär nichtläsionaler, also unveränderter Haut (CPNL) auf [20]. Pruritus kann in diesen Fällen Symptom einer systemischen, neurologischen, psychiatrischen oder malignen Erkrankung sein, die selbst einer Behandlung bedarf und nicht übersehen werden sollte [1]. Aufgrund der vielzähligen Ursachen gibt dieses Manuskript einen Überblick über CPNL und zeigt eine sinnvolle Diagnostik für die Praxis auf.
Ätiologie
CP kann aufgrund verschiedener Aspekte eingeteilt werden. Hierzu zählt u. a. der klinische Phänotyp, insbesondere Läsionen der Haut, oder die zugrunde liegende Erkrankung, als deren Symptom CP auftritt. Die aktuelle deutsche S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus“ fasst sämtliche Handlungsempfehlungen zu CP übersichtlich zusammen [20]. Diese Leitlinie empfiehlt die primäre Einordnung von CP anhand des klinischen Phänotyps entsprechend der internationalen Klassifikation des International Forum for the Study of Itch (IFSI) ([19]; Tab. 1). Sekundär sollte weiter nach kausalen Erkrankungsentitäten unterschieden werden. Bezüglich des CP auf primär nichtläsionaler (unveränderter) Haut (CPNL) sind diverse auslösende u. a. dermatologische, (hämato)onkologische, gastroenterologisch/hepatologische, nephrologische, neurologische, psychologische/psychiatrische, infektiologische und medikamentöse Differenzialdiagnosen in Erwägung zu ziehen, die in Tab. 2 mit Beispielen zusammengefasst sind. Die Primär- und Sekundärcharakterisierung mittels Subkategorien trägt der Komplexität von Patienten mit CP Rechnung [25].
Tab. 1
Klassifikation des chronischen Pruritus. (Adaptiert von [19, 20])
Klinischer Phänotyp
Bezeichnung
Pruritus bei gleichzeitigem Vorliegen von Hautveränderungen, zumeist im Rahmen einer Hauterkrankung
(Früher auch: Pruritus cum materia)
IFSI I: chronischer Pruritus auf primär läsionaler (veränderter) Haut (CPL)
Pruritus ohne initiales Vorliegen von Hautveränderungen
(Früher auch: Pruritus sine materia)
IFSI II: chronischer Pruritus auf primär nichtläsionaler (unveränderter) Haut (CPNL)
Vorherrschen von chronischen Kratzläsionen (z. B. chronische Prurigo, Lichen simplex), die eine Einteilung in die erste oder zweite Gruppe nicht möglich machen
IFSI III: chronischer Pruritus mit schweren Kratzläsionen
IFSI International Forum for the Study of Itch
Tab. 2
Differenzialdiagnostische Kategorien bei CPNL (chronischer Pruritus auf unveränderter Haut). (Adaptiert von [20, 24])
Bei Pruritus auf primär läsionaler Haut (CPL) liegen in den meisten Fällen dermatologische Erkrankungen zugrunde, wie z. B. entzündliche Dermatosen, infektiöse Dermatosen, Autoimmundermatosen, Genodermatosen, Schwangerschaftsdermatosen sowie Neoplasien [20].
Im klinischen Alltag gestalten sich die Klassifikation des CP als Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung und die praktische diagnostische Aufarbeitung häufig schwieriger, wenn keine Hautläsionen oder stark ausgeprägte Kratzexkoriationen (IFSI III, s. Tab. 1) vorliegen [20]. In der Pruritusdiagnostik und -therapie, insbesondere bei CPNL, ist ein interdisziplinärer Ansatz entscheidend. Dies spiegelt sich bereits in den beteiligten Autor/-innen der deutschen S2k-Leitlinie zum CP wider, die aus verschiedenen Fachbereichen der Dermatologie, Nephrologie, Gastroenterologie/Hepatologie, Versorgungsforschung und medizinischen Psychologie stammen [20].
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In der Pruritusdiagnostik und -therapie ist ein interdisziplinärer Ansatz entscheidend
Primäre Ansprechpartner für CP sind in der Regel aus dem hausärztlichen oder niedergelassenen dermatologischen Fachbereich [11]. Daher ist es hilfreich, mit einer initialen Basisdiagnostik zu starten, die bei unauffälligen Befunden ausgebaut werden kann.
Häufiger besteht die Sorge einer malignen Grunderkrankung bei Vorliegen von CPNL. Zwei große Kohortenstudien mit 8744 und 12.813 Patienten wiesen bei der Ursachenabklärung des CPNL erhöhte Malignomraten lediglich für hämatologische Erkrankungen, insbesondere Lymphome und myeloproliferative Neoplasien sowie Gallengangskarzinome auf [4, 9].
Trotz intensiver Abklärung kann die Ursache des CPNL bei manchen Patienten ungeklärt bleiben. Hier variiert die Zahl der betroffenen Fälle in der Literatur je nach untersuchtem Kollektiv zwischen 13 und 50 % [16].
Hierbei ist zu beachten, dass auch ein prämonitorischer Pruritus vorliegen kann, der einer Erstdiagnose der auslösenden Grunderkrankung um Monate bis Jahre vorausgeht [20]. Daher kann eine erneute Kontrolle der Basisdiagnostik nach 6 bis 12 Monaten bzw. in Abhängigkeit der klinischen Entwicklung sinnvoll sein.
Basisdiagnostik
Aufgrund der diversen Ursachen des CPNL ist eine Stufendiagnostik empfehlenswert. Es sollte eine initiale Basisdiagnostik erfolgen, die auch kostengünstig hausärztlich oder im niedergelassenen dermatologischen Bereich durchgeführt werden kann (Tab. 3; [20]). Bei spezifischen Auffälligkeiten, wie z. B. erhöhten Transaminasen, Cholestase- oder Retentionsparametern, sollte Kontakt zur entsprechenden Fachdisziplin zur Mitbeurteilung aufgenommen werden.
Tab. 3
Basisdiagnostik (Anamnese und Labordiagnostik) des chronischen Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut (CPNL). (Adaptiert von [20])
Basisdiagnostisches Vorgehen
Anamnese
Pruritus
Beginn, Dauer
Intensität
Lokalisation
Qualität („Jucken wie Insektenstich“, Brennen, neuropathische Empfindungen etc.)
Verlauf: Abhängigkeit von Tages- oder Jahreszeit, kontinuierlich vs. attackenartig
Faktoren mit Verbesserung (z. B. Kälte)/Verschlechterung Pruritus (z. B. Wasserkontakt)
Auftreten von Pruritus im engeren Umfeld
Kratzverhalten
Zeitlicher Zusammenhang zu bestimmten Ereignissen (Operationen, Medikamenteneinnahmen, neuen Erkrankungen etc.)
Effektive/nichteffektive Vortherapien
Patiententheorie zur Genese des Pruritus
Psychosoziale Faktoren
Einschränkung der Lebensqualität, Leidensdruck, Schlafstörungen
Erweiterte Anamnese
Vorerkrankungen
Medikamente
Operationen
Allergien (Typ I, Typ IV)
Atopische Diathese
B‑Symptomatik
Reiseanamnese
Schwangerschaft
Labordiagnostik
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und C‑reaktives Protein (CRP)
Kreatinin, Harnstoff, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), K+, Urin (Streifentest)
Nüchternglukose
Laktatdehydrogenase (LDH)
Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH)
GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase, ALAT Alanin-Aminotransferase, GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, ASAT Aspartat-Aminotransferase, K+ Kaliumionen
Bei nicht ausreichend wegweisenden Befunden in den Basisanalysen werden weiterführende Untersuchungen empfohlen, die sich an den häufigen mit CPNL-assoziierten Erkrankungen aus allen Fachbereichen orientieren (Tab. 3; Abb. 1). Die initiale Diagnostik beinhaltet neben einer Laboranalyse auch eine gezielte Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung.
Abb. 1
Spezifische Diagnostikoptionen bei chronischem Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut (CPNL). V.a. Verdacht auf, PSA prostataspezifisches Antigen, LK Lymphknoten, CT Computertomographie, MRT Magnetresonanztomographie, KM Knochenmark, Anti-HVA-IGM Antikörper gegen Hepatitis-A-Virus vom Typ Immunglobulin M, Ig Immunglobulin, HBsAg „Hepatitis B surface antigen“, Anti-HBc Antikörper gegen Hepatitis-B-Core-Antigen, Anti-HCV Hepatitis-C-Antikörper, HAV Hepatitis-A-Virus, RNA Ribonukleinsäure, HBV Hepatitis-B-Virus, DNA Desoxyribonukleinsäure, HCV Hepatitis-C-Virus, HEV Hepatitis-E-Virus, MRCP Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie, ERCP endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie, HIV humanes Immundefizienzvirus, CA2+ Kalzium, TSH Thyroidea-stimulierendes Hormon, fT3 freies Trijodthyronin, fT4 freies Tetrajodthyronin. (Adaptiert nach Tab. 8 der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus“ [20])
In der Anamnese sollten die Charakteristika des CP abgefragt werden. Hierzu zählen die Eigenschaften des Pruritus und die allgemeine Erkrankungsanamnese u. a. Vorerkrankungen, Medikamente und Allergien (s. Tab. 3). Da Juckempfindung subjektiv ist, erfolgt die Einschätzung durch Patientenbefragung [20]. Zur ersten Beurteilung wird die Pruritusintensität in der klinischen Praxis über eine numerische Ratingskala erhoben [17, 20]. Dabei wird entweder die durchschnittliche oder höchste Intensität der letzten 24 h abgefragt, da längere Erinnerungszeiträume von Patienten unzuverlässig eingeschätzt werden. Weitere Details des Pruritus werden im Anamnesegespräch oder über strukturierte Fragebögen erhoben. Seit 2011 ist hierzu in Deutschland ein Pruritus-Fragebogen der Arbeitsgemeinschaft Pruritusforschung (AGP) verfügbar [23]. Um den zeitlichen Verlauf des CP besser zu überwachen, können auch Tagebücher in analoger oder digitaler Form (z. B. kostenfreie ItchyApp) zum Einsatz kommen [20].
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Die psychischen Auswirkungen des Pruritus sowie psychische Komorbiditäten und deren ggf. bestehende Therapien sollten im Rahmen der Anamnese erfragt werden, und ggf. sollte eine weitere spezialisierte Diagnostik bzw. Behandlung angeschlossen werden (z. B. psychosomatische Grundversorgung, Schulungsprogramme, psychosomatisch/psychiatrisch fachärztliche Diagnostik/Behandlung, Psychotherapie). In manchen Fällen liegen neben organischen Pruritusursachen auch relevante psychische und/oder psychosomatische Faktoren vor, die einer entsprechenden Mitbehandlung bedürfen. Derartige Faktoren können nach Ausschluss organischer Ursachen auch überwiegend oder alleinig für CP verantwortlich sein, der als „somatoformer Pruritus“ klassifiziert wird [14]. Insgesamt sind in der Diagnostik des CP Screeningfragen bezüglich Angst- und Depressionsstörungen sinnvoll [20]. Pruritus, der im Rahmen einer Zönästhesie oder schizophrenen Psychose auftritt, sollte als Symptom einer Schizophrenie klassifiziert werden und bedarf psychiatrischer Therapie der Grunderkrankung.
In der Anamnese sollte die Erfassung des individuellen Kratzverhaltens erfolgen. Bei CPNL mit ausgeprägten Kratzläsionen (ISFI III) kann die Unterscheidung zwischen primären (meist dermatologische Grunderkrankungen) und sekundären Hautveränderungen (durch intensives Kratzen bedingt) herausfordernd sein. In der körperlichen Untersuchung kann eine Aussparung des mittleren Rückens als sog. „Schmetterlingszeichen“ beobachtet werden. Dies spricht für sekundär bedingte Hautveränderungen, die an gut zugänglichen Hautpartien entstanden sind und initial ein CPNL vorlag. Die diagnostische Evaluation soll dann als Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut erfolgen.
Auch die Lokalisation des Pruritus kann zumindest grundlegende Hinweise auf eine mögliche Genese geben. Pruritus bei Nierenerkrankungen (CKD-assoziierter Pruritus [CKD-aP]) tritt typischerweise an Kopf, Rücken oder Shunt-Arm auf, wenngleich 25–50 % der Patienten über einen generalisierten Pruritus berichten [15]. Hepatischer Pruritus ist häufiger an den Extremitäten lokalisiert, charakteristisch sind Handinnenflächen und Fußsohlen betroffen, jedoch generalisiert der Pruritus im Krankheitsverlauf ebenfalls häufig [2]. Insbesondere Patienten mit myeloproliferativen Neoplasien können unter einem aquagenen Pruritus leiden mit stechendem Jucken nach Wasserkontakt bzw. nach dem Abtrocknen der Haut. In einer Studie bei Patienten mit aquagenem Pruritus wurde in 25 % der Fälle eine Laktoseintoleranz als möglicher Auslöser identifiziert [7]. Bei anogenitalem Pruritus sollten parasitäre Erkrankungen (insbesondere Wurmbefall), Hämorrhoidalleiden, angewandte Kosmetika, übertriebene Hygienemaßnahmen, die gynäkologische und urologische Vorgeschichte und sexuelle Besonderheiten in die Diagnostik miteinbezogen werden [22].
Bestimmte Formen des neuropathischen Pruritus treten an spezifischen Lokalisationen auf und können zusätzlich mit Dys‑/Parästhesien einhergehen. So betrifft brachioradialer Pruritus typischerweise den dorsolateralen Unterarm und Notalgia paraesthetica den Bereich zwischen den Schulterblättern. Pruritus im Rahmen von Kleinfaserneuropathien wie im Rahmen eines Diabetes mellitus ist klassischerweise „strumpf-/handschuhförmig“ an den Extremitäten zu erwarten.
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Die Lokalisation des Pruritus kann grundlegende Hinweise auf eine mögliche Genese geben
Die klinische Untersuchung sollte darüber hinaus eine umfassende Inspektion der gesamten Haut sowie Schleimhäute, Kopfhaut, Haare, Nägel und Anogenitalregion beinhalten [20]. Hierzu zählt auch die Einordnung von Effloreszenzen, Hautkolorit und Hautzeichen systemischer Erkrankungen. Bei vorliegender Leberzirrhose können Pruritus-unabhängige Auffälligkeiten bestehen wie Skleren‑/Hautikterus, Spidernävi, Palmar‑/Plantarerythem, Lacklippen/Lackzunge, Caput medusae (oberflächliche Umgehungskreisläufe) oder eine Bauchglatze [3]. Zusätzlich ist eine orientierende internistische körperliche Untersuchung sinnvoll (Herz, Lunge, Leber, Milz, Nieren und Lymphknotenstationen).
Laborchemische Basisparameter sollten zur weiteren Diagnostik erhoben werden. Hierzu zählen u. a. hämatologische Werte, Leber- und Nierenwerte (inklusive Urintest) sowie Nüchternglukose, LDH (Laktatdehydrogenase) und TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) (s. Tab. 3). Bereits in der Basisdiagnostik mittels Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labordiagnostik können sich wichtige Hinweise auf bestimmte zugrunde liegende Erkrankungen ergeben (Abb. 2), und die weitere Abklärung kann zielgerichteter erfolgen.
Abb. 2
Spezifische klinische Konstellationen bei verursachenden Erkrankungen des chronischen Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut (CPNL). V.a. Verdacht auf. (Adaptiert nach Tab. 5 der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus“ [20]. Erstellt mit BioRender.com)
Finden sich in den Basisuntersuchungen Auffälligkeiten, sollten bereits gezielte weiterführende Untersuchungen angeschlossen werden, und ggf. sollte eine Überweisung an eine entsprechende medizinische Fachrichtung erfolgen. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen zugrunde liegenden Erkrankungen bei CPNL ist die weiterführende Diagnostik in Abb. 1 nochmals übersichtlich zusammengefasst.
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Die zugrunde liegende Ursache des Pruritus zu identifizieren ist ein häufiger Patientenwunsch, aber auch relevant für gezielte therapeutische Maßnahmen, insbesondere da in den letzten Jahren vermehrt Medikamente zur Behandlung des Pruritus in spezifischen Erkrankungsentitäten zugelassen wurden [1], von denen betroffene Patienten profitieren können. Positiv ist hier hervorzuheben, dass Pruritus im Rahmen zahlreicher klinischer Studien als relevantes Symptom entweder als primärer Studienendpunkt oder auch als sekundärer Outcome-Parameter bei krankheitsmodifizierenden Medikamenten evaluiert wird.
Der peripher wirksame κ‑Opioid-Rezeptor(KOR)-Agonist Difelikefalin wurde 2022 als erstes Medikament zur spezifischen Behandlung des Pruritus bei Nierenerkrankungen (CKD-aP) zugelassen und ist insbesondere für Patienten unter Hämodialyse hilfreich [5]. Das Medikament wird 3‑mal/Woche intravenös nach der Dialysebehandlung verabreicht.
Es gibt eine wachsende Anzahl an Arzneimitteln zur Behandlung des Pruritus in spezifischen Erkrankungsentitäten
Bei myeloproliferativen Neoplasien können Inhibitoren des überaktivierten JAK-STAT(„Janus kinase-signal transducers and activators of transcription“)-Signalwegs wie Ruxolitinib nicht nur die Grunderkrankung therapieren, sondern auch Pruritus deutlich reduzieren [10].
Im Bereich des hepatischen Pruritus wurden für hereditäre Cholestasesyndrome kürzlich 2 IBAT(ilealer Gallensalztransporter)-Inhibitoren, Odevixibat und Maralixibat, zugelassen [6, 21]. Weitere Medikamente aus der Klasse der IBAT-Inhibitoren werden bei weiteren Gallenwegserkrankungen in klinischen Studien aktuell noch untersucht. In 2 großen Phase-III-Studien von Agonisten am Transkriptionsfaktor PPAR („peroxisome proliferator-activated receptor“) führte die Behandlung mittels Seladelpar und Elafibranor zur deutlichen laborchemischen Verbesserung bei Patienten mit primär biliärer Cholangitis (PBC). Wenngleich Elafibranor nur einen antipruriginösen Trend aufwies, erreichte Seladelpar auch den sekundären Endpunkt einer deutlichen Pruritusreduktion [8, 12].
Fazit für die Praxis
Bei chronischem Pruritus auf primär nichtläsionaler Haut (CPNL) sollten dermatologische, (hämato)onkologische, gastroenterologische/hepatologische, nephrologische, neurologische, psychologische/psychiatrische, infektiologische und medikamentöse Differenzialdiagnosen evaluiert werden.
Für die initiale und schnelle Diagnostik wird eine Pruritus-spezifische Anamnese, körperliche Untersuchung und laborchemische Basisdiagnostik empfohlen.
Anamnestische Details können bereits Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung geben: So tritt hepatischer Pruritus häufiger an Handinnenflächen oder Fußsohlen auf, aquagener Pruritus kann auf myeloproliferative Neoplasien hinweisen.
Je nach Befunden der Basisdiagnostik sollten zur weiteren Abklärung des CPNL eine spezifischere Labordiagnostik, Bildgebung und interdisziplinäre Beratung angeschlossen werden.
Die genaue ätiologische Einordnung von CPNL ist sinnvoll, um behandlungsbedürftige Grunderkrankungen zu identifizieren, und den Pruritus individualisiert mit spezifischen Medikamenten behandeln zu können.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M.M. Düll gibt an: Berater‑, Reisekosten- und Teilnahmeunterstützung von Ipsen und Advanz Pharma. A.E. Kremer gibt an: Berater- und Vortragshonorare von CymaBay, Escient, Falk, FMC, GSK, Intercept, Ipsen, Mirum und Vifor Pharma.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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