Versorgungslücken und digitale Lösungen
Die Versorgung von Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Psoriasis (PsO) und Psoriasisarthritis (PsA) wird zunehmend schwieriger [
1]. Ein zentrales Problem ist der anhaltende Mangel an Fachärzt:innen für Dermatologie und Rheumatologie [
2,
3]. Dieser erschwert eine zeitnahe Diagnostik, Therapieeinleitung und langfristige Betreuung. Von dieser Versorgungslücke sind insbesondere chronische Erkrankungen wie Psoriasis und Psoriasisarthritis betroffen, die ein komplexes Management und einen hohen Aufklärungsbedarf erfordern [
4].
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sowie frei verfügbare Gesundheits-Apps bieten hier potenziell neue Ansätze, um Patient:innen beim Selbstmanagement zu unterstützen, Krankheitsverläufe zu dokumentieren und die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern [
5]. In einer prospektiven Kohortenstudie mit rheumatologischen Patient:innen zeigte sich zwar eine insgesamt eingeschränkte Adhärenz, die Akzeptanz von DiGAs war jedoch hoch. Besonders eine Untergruppe, die eine übungsbasierte DiGA bei Rückenschmerzen nutzte, berichtete von klinischen Verbesserungen [
6]. In einer aktuellen Befragung von 246 rheumatologischen Patient:innen in Deutschland zeigte sich trotz geringer bisheriger Nutzung von DiGAs (12,6 %) ein hohes Interesse: Über 70 % gaben an, künftig eine DiGA regelmäßig nutzen zu wollen, und 76 % äußerten den Wunsch nach einer rheumatologiespezifischen Anwendung [
7]. Während für andere chronisch-entzündliche Erkrankungen bereits erstattungsfähige DiGAs verfügbar sind, fehlt ein entsprechendes Angebot für PsO und PsA bislang [
8].
DiGAs und Gesundheits-Apps bieten Patient:innen Unterstützung beim Selbstmanagement
Der vorliegende Beitrag gibt einen systematischen Überblick über derzeit im deutschsprachigen Raum verfügbare Apps mit Bezug zu PsO und PsA. Er analysiert deren Funktionen und Zielsetzungen und diskutiert ihren potenziellen Nutzen für die Versorgung in der Praxis.
Recherche- und Auswahlkriterien für Apps
Zur Identifikation relevanter Gesundheits-Apps für Psoriasis und Psoriasisarthritis wurde eine umfassende Literaturrecherche in den Datenbanken „PubMed“ und „Google Scholar“ durchgeführt. Dabei wurden die Begriffe „psoriasis“, „psoriatic arthritis“, „dermatology“, „mobile app“, „smartphone“ und „telemedicine“ sowie verwandte Schlagwörter in unterschiedlichen Kombinationen verwendet. Zusätzlich wurden die App-Stores von Google und Apple manuell nach dem Suchbegriff „Psoriasis“ durchsucht (Stand: 12. Mai 2025). Berücksichtigt wurden ausschließlich in Deutschland verfügbare Anwendungen, die sich an Patient:innen richten. Viele im englischsprachigen Raum verbreitete Apps (z. B.
Psoriasis Point of Care – Psoriasis Manager (AtPointofCare, Florida, USA),
My Arthritis (Ampersand Health Ltd, London, England),
GRAPPA App (GRAPPA Network, Seattle, USA)) sind in deutschen App-Stores nicht auffindbar und wurden daher aus dieser Übersicht ausgeschlossen [
9]. Ergänzend wurde das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) herangezogen.
Apps mit unklarer Zielsetzung, unzureichender methodischer Qualität oder fehlendem Bezug zu PsO/PsA wurden ausgeschlossen. In die Bewertung flossen publizierte Studien zur Usability, Akzeptanz oder Wirksamkeit ein, sofern verfügbar.
Dermatologisch fokussierte Apps
Als derzeit umfassendste deutschsprachige App für Menschen mit PsO gilt
Sorea, entwickelt von der Nia Health GmbH (Berlin, Deutschland) in Kooperation mit dem Deutschen Psoriasis Bund [
10]. Die Anwendung kombiniert ein digitales Symptommonitoring mit dem Psoriasis-Flächen- und -Schweregrad-Index (
Englisch PASI) mit einem Tagebuchsystem zur Auslösererkennung sowie mit edukativen Inhalten zu den Themen Hautpflege, Lebensstil und psychische Gesundheit. Über eine integrierte Chatfunktion können Nutzer:innen zudem Kontakt zu medizinisch geschultem Fachpersonal aufnehmen. Die generierten Berichte können ärztliche Konsultationen unterstützen. Auch wenn derzeit keine formale wissenschaftliche Evaluation vorliegt, bietet
Sorea eine strukturierte Unterstützung für das Selbstmanagement bei aktiver Erkrankung. In einem Review zur Qualität von Psoriasis-Apps erhielt die App Sorea (ehemals
Psoriasis-Helferin) die höchste Bewertung in den Kategorien Funktionalität, Ästhetik und Informationsqualität [
5].
Die App
Psoriasis Monitor (RPM Healthcare, Florida, USA) wurde speziell für PsO und PsA entwickelt und ermöglicht die regelmäßige Erfassung von Hautsymptomen, Gelenkbeschwerden und allgemeinen Befindlichkeitsangaben [
11]. Zum Einsatz kommen u. a. PASI, der Dermatologische Lebensqualitäts-Index (DLQI) und Angaben zur Lebensqualität. Ziel ist eine übersichtliche Darstellung des Krankheitsverlaufs zur gemeinsamen Nutzung durch Patient:innen und Ärzt:innen. Die App ist in Deutschland verfügbar, jedoch nur in englischer Sprache, was ihre Nutzbarkeit für ein breites deutschsprachiges Publikum einschränken kann. In dem o. g. publizierten Vergleich aus dem Jahr 2022 wurde Psoriasis Monitor als die zweitbeste Psoriasis-App eingestuft [
5].
Rheumatologisch fokussierte Apps
Die
Mida Rheuma App (Midaia GmbH, Heidelberg, Deutschland) richtet sich an Menschen mit verschiedenen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, darunter auch PsA. Die Anwendung eignet sich besonders für Patient:innen mit komplexen Verläufen, die eine individuelle Begleitung im Alltag benötigen [
12]. Sie basiert auf einem KI-gestützten System, das Symptome, Gelenkbeschwerden und Medikationsverläufe unter Anwendung von Machine-Learning-Algorithmen analysiert und personalisierte Empfehlungen generiert [
13]. In der prospektiven Pilotstudie mit 17 Patient:innen erreichte die Mida-Rheuma-App einen hohen Anwendbarkeitswert. Die Benutzerfreundlichkeit der mHealth-App wurde im Durchschnitt mit 5,96 von 7,0 bewertet, und es traten keine unerwünschten Ereignisse auf. Nach vierwöchiger Nutzung zeigte sich eine signifikante Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36 Physical Component Summary +23,6 %;
p < 0,05) sowie eine Abnahme der Krankheitsaktivität um 38,4 % (Clinical Disease Activity Index [CDAI];
p < 0,05) und 39,9 % (Simple Disease Activity Index [SDAI];
p < 0,05; [
14]).
Die App
Rheuma-Auszeit wurde vom Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V. (Bonn, Deutschland) entwickelt. Sie richtet sich allgemein an Menschen mit rheumatischen Schmerzen und ist nicht spezifisch für PsA konzipiert. Das Angebot umfasst praktische Übungen in Form von Audio- und Videodateien, darunter progressive Muskelentspannung, passive Entspannungsverfahren, Selbstmassage, Gedankenreisen, Kälte- und Wärmebehandlungen sowie Bewegungstraining [
15]. In einer 2021 publizierten Studie von Lambrecht et al. machten Patient:innen mit PsA 31,7 % der untersuchten Kohorte aus. Die Ergebnisse zeigten eine gute Akzeptanz, insbesondere in Bezug auf Funktionalität und Ästhetik, mit einem medianen uMARS-Score von 3,9 (IQR 0,7; [
16]).
Edukative und therapiebegleitende Apps
MyTherapy der Smartpatient GmbH (München, Deutschland) ist eine medikationszentrierte App, die optional um ein Psoriasis-Modul erweitert werden kann [
17]. Ihr Fokus liegt auf der Förderung der Therapietreue. Die App erinnert an die Einnahme von Medikamenten, dokumentiert diese (z. B. Biologika-Injektionen) und ermöglicht die Erfassung von Symptomen sowie das Erstellen von Arztberichten. Spezifische psoriatische Inhalte wie PASI oder eine Hautfotodokumentation sind allerdings nicht vorhanden. Der Nutzen liegt vor allem im organisatorischen Bereich.
Die vom Deutschen Psoriasis Bund e. V. (Hamburg, Deutschland) herausgegebene App,
PSO Kiosk, bietet eine digitale Informationsplattform für Patient:innen mit regelmäßig aktualisierten Inhalten zu Therapieoptionen, Forschung, Alltagsfragen und Sozialrecht [
18]. Obwohl interaktive Funktionen fehlen, leistet die App einen Beitrag zur Stärkung der Gesundheitskompetenz.
Zusammenfassung der Analyse
Die sechs identifizierten Gesundheits-Apps verfolgen unterschiedliche Ziele: Während
Sorea, Psoriasis Monitor und
Mida Rheuma App das Krankheitsmonitoring in den Mittelpunkt stellen, fokussieren
MyTherapy und
PSO Kiosk auf Adhärenzförderung und Information. Die
Rheuma-Auszeit App fokussiert sich auf Symptomlinderung. Eine kurzgefasste Übersicht der identifizierten Apps und ihrer Eigenschaften ist in Tab.
1 dargestellt. Zur Bewertung der Apps wurde zudem, wo verfügbar, das MARS-G-Rating (Mobile Application Rating Scale, deutsche validierte Version) herangezogen. Hierbei handelt es sich um ein validiertes Instrument, das die Qualität von Gesundheits-Apps anhand von Kriterien wie Engagement, Funktionalität, Ästhetik und Information auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 5 (hoch) beurteilt [
5]. Zusätzlich enthält die MARS‑G einen App-spezifischen, subjektiven Einfluss-Score, den sog. Psychotherapie-Score. Dieser umfasst 6 Items, die das Potenzial der App zur Beeinflussung von Wissen, Einstellungen, Verhaltensintentionen, Hilfesuchverhalten, Selbstwirksamkeit und tatsächlichem Verhalten bewerten. Die uMARS‑G ist eine an Patient:innen angepasste Version. Sie enthält in der Informationskategorie nur 4 statt 7 Fragen und verzichtet vollständig auf den Psychotherapie-Score.
Tab. 1
Übersicht zu Gesundheits-Apps für Psoriasis (PsO) und Psoriasisarthritis (PsA)
Sorea | Dermatologie (Psoriasis) | Symptom- und Verlaufstracking, Foto-Upload, Patientenedukation | DE | Mean MARS‑G 4,18/5,00 [ 5] |
Psoriasis Monitor | Dermatologie (Psoriasis) | Symptomtracking, Fotos-Upload, Therapietagebuch | DE und international | Mean MARS‑G 3,00/2,63 [ 5] |
Mida Rheuma App | Rheumatologie (RA, PsA, SpA) | Verlaufsdokumentation, Symptomtracking, Patient-Reported Outcomes (PROs) | DE | CDAI −38,4 % SDAI −39,9 % |
Rheuma-Auszeit | Rheumatologie (allg.) | Audio‑/Videoübungen: Muskelentspannung, Bewegungstraining | DE | |
PSO Kiosk | Edukativ | Informationsplattform zu Psoriasis | DE | Keine Studiendaten |
MyTherapy | Therapiebegleitend (unspezifisch) | Medikamenten- und Erinnerungstracking, Tagebuch, Symptomdokumentation | DE und international | Keine Studiendaten |
Allen Apps gemein ist das Fehlen einer DiGA-Zulassung und somit die fehlende Erstattungsfähigkeit. Systematische Evaluationsstudien liegen ebenfalls nur vereinzelt vor. Dennoch zeigt sich, dass digitale Anwendungen das Selbstmanagement der Patient:innen potenziell verbessern und die ärztliche Versorgung sinnvoll ergänzen können.
Ausblick
Die Analyse macht deutlich, dass es derzeit eine Vielzahl digitaler Angebote für Menschen mit PsO und PsA gibt, die jedoch keinen formalen DiGA-Status haben. Die Anwendungen lassen sich grob in 3 Kategorien einteilen: Apps mit dermatologischem Fokus (z. B. Sorea, Psoriasis Monitor), Apps mit rheumatologischer Ausrichtung (z. B. Mida Rheuma App, Rheuma-Auszeit) sowie edukative und therapiebegleitende Tools (z. B. MyTherapy, PSO Kiosk). Kombinierte Lösungen, die sowohl Haut- als auch Gelenksymptome abbilden, sind bislang selten.
Erste Studien liefern Hinweise auf den potenziellen Nutzen digitaler Anwendungen
Trotz der fehlenden Erstattungsfähigkeit liefern erste Studien Hinweise auf den potenziellen Nutzen digitaler Anwendungen. So konnte die
Mida Rheuma App in einer Pilotstudie die Lebensqualität und die subjektiv empfundene Krankheitsaktivität verbessern [
14]. Auch achtsamkeitsbasierte Apps zeigen in mehreren randomisierten Studien positive Effekte auf den Schweregrad von Psoriasis (saPASI) sowie auf Angst und Depressionen [
19].
Darüber hinaus deuten aktuelle Entwicklungen darauf hin, dass zunehmend digitale Tools mit systematischer Evaluation in die Versorgung gelangen könnten. Kombinierte E‑Health-Angebote mit edukativen Inhalten in Verbindung mit PsO-Apps zeigen das Potenzial, das psychische Wohlbefinden von Betroffenen weiter zu stärken und insbesondere Symptome von Angst und Depression signifikant zu reduzieren [
20,
21]. Gerade bei PsO und PsA, bei denen Stress und psychische Komorbiditäten häufig auftreten, sollten daher auch digitale Angebote zur mentalen Gesundheit in die Versorgung integriert werden [
22]. Eine Kombination aus Monitoring-, edukativen und psychologischen Modulen könnte das Potenzial digitaler Tools besonders gut ausschöpfen.
Neben den spezifisch für PsO und PsA entwickelten Anwendungen existieren zahlreiche weitere DiGAs, die aufgrund häufiger Komorbiditäten dieser Patient:innen von Relevanz sein können. Hierzu zählen z. B. Apps für muskuloskeletale Beschwerden wie
Kaia (Rückenschmerzen, Kaia Health Software GmbH, München, Deutschland),
Vivira (Osteochondrose, Vivira Health Lab GmbH, Berlin, Deutschland) oder
eCovery (Schmerzen im unteren Rücken, eCovery GmbH, Leipzig, Deutschland), Anwendungen zur Behandlung chronischer Schmerzen wie
HelloBetter (GET.ON Intitut für Online Gesundheitstrainngs GmbH, Hamburg, Deutschland), Programme zur Gewichtsreduktion wie
Oviva Direkt (Oviva AG, Potsdam, Deutschland) für Adipositas sowie eine Vielzahl von DiGAs, die auf Depressionen und andere psychische Erkrankungen ausgerichtet sind [
8].
Ein weiteres Beispiel für die zukünftige Ausrichtung solcher Anwendungen ist die Implementierung neuer, automatisierter Funktionen, die Krankheitsaktivitäten direkt messen können, wie beispielsweise durch Videodokumentationen des Faustschlusses von PsA-Patienten [
23]. Dadurch können biometrische Kennwerte des Gelenkstatus quantitativ erfasst und künftig in individualisierte Therapieempfehlungen einfließen. Zudem gilt es, bestehende rechtliche und regulatorische Hürden abzubauen, um den Weg zur DiGA-Zulassung zu ebnen und Patient:innen den Zugang zu digitalen Therapiebegleitern zu erleichtern.
Hinweis des Verlags
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