Erschienen in:
14.06.2019 | Posttraumatische Belastungsstörung | Originalien
Psychotherapeutischer Unterstützungsbedarf Hinterbliebener nach plötzlichem unerwarteten Tod
Medizinisch-psychologisches und rechtsmedizinisches Kooperationsprojekt in Hamburg
verfasst von:
Birgit Wulff, Klaus Püschel, Martin Härter, Frank Schulz-Kindermann, Christina Rosenberger
Erschienen in:
Rechtsmedizin
|
Ausgabe 4/2019
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Nach einem plötzlichen Todesfall befinden sich die nächsten Angehörigen häufig durch den unerwarteten Verlust und seine Umstände in einer akuten Belastungssituation. Seit 2009 existiert ein Kooperationsverfahren zwischen dem Institut für Rechtsmedizin (IfR) sowie dem Institut und der Poliklinik für Medizinische Psychologie, beide am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), um besonders betreuungsbedürftigen Angehörigen kurzfristig die Möglichkeit einer Krisenintervention vermitteln zu können.
Ziel der Arbeit
Es werden die Ergebnisse aus dieser 10-jährigen Kooperation berichtet. Typische Konstellationen, in denen Angehörige mit der Bewältigung eines Todesfalls im näheren Umfeld überfordert waren und professioneller Unterstützung bedurften, werden aufgezeigt.
Material und Methoden
Ausgewertet wurden die Protokolle des Instituts für Rechtsmedizin sowie die Behandlungsakten des Instituts und der Poliklinik für Medizinische Psychologie. In die Analyse wurden Hinterbliebene von „rechtsmedizinisch“ untersuchten Verstorbenen, die eine Einzelberatung erhalten hatten, aufgenommen. Das Kollektiv umfasst 50 Hinterbliebene im Alter von 23 bis 80 Jahren, davon 15 Männer und 35 Frauen. Das Alter der Verstorbenen reichte von unter einem bis zum 86. Lebensjahr, 35 waren männlich und 15 weiblich. Annähernd 50 % der Hilfesuchenden benötigten einen bis 3 Kontakte; die längste Behandlung erstreckte sich über mehr als 100 Termine.
Ergebnisse
Besondere Betreuung benötigen Hinterbliebene, deren Angehöriger unter dramatischen oder als sinnlos erlebten Umständen in ihrer Anwesenheit ums Leben kamen, sowie Hinterbliebene, deren psychische Ressourcen bereits vor diesem Todesfall reduziert waren. Die bisher nur in Hamburg modellhaft existierende Kooperation hat sich für die Hinterbliebenen, die in engem zeitlichen Zusammenhang zum Todesfall psychologische Hilfe erhalten konnten, als gut funktionierend erwiesen. In der Hälfte der Fälle war bereits eine geringe Interventionsfrequenz hilfreich.
Schlussfolgerung
Ergebnisse der vorgestellten Analyse u. a. weisen auf einen höheren Hilfebedarf als den zurzeit angebotenen hin. Bei diesen Angehörigen handelt es sich um eine im universitären Kontext rechtsmedizinischer Abläufe in Deutschland zu wenig wahrgenommene Gruppe, für deren Versorgung weitere Ressourcen benötigt werden.