Erschienen in:
01.03.2012 | Übersichten
Psychotherapie in Westdeutschland nach 1945
Brüche, Kontinuitäten, Thematisierungen und Reflexionen zur nationalsozialistischen Vergangenheit
verfasst von:
Prof. Dr. Volker Roelcke, M. Phil.
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 2/2012
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Zusammenfassung
Protagonisten aus der Formierungsphase der ärztlichen Psychotherapie nach 1945 (z. B. Ernst Speer, Berthold Kihn) waren an der nationalsozialistischen Selektions- und „Erbgesundheitspolitik“ beteiligt und haben wesentliche Überzeugungen aus dieser Zeit auch nach 1945 keineswegs aufgegeben. Zur Kontextualisierung und Analyse dieses Befunds werden die breiteren Strukturen und Dynamiken in der Psychotherapie und der personell mit ihr verbundenen Psychiatrie vor und nach 1945 in den Blick genommen. Es wird die Hypothese formuliert, dass Psychotherapie und Psychiatrie aufgrund ihrer Beschäftigung mit Erleben und Verhalten von Menschen für öffentliche Aufmerksamkeit, Akzeptanz, Wertschätzung und Ressourcenzuweisung stärker als die organmedizinischen Disziplinen abhängig von den je zeitspezifischen politischen und ökonomischen Kontexten sind, da diese Kontexte selbst mit jeweils spezifischen Menschenbildern und Verhaltensnormen verbunden sind. In einem weiteren Schritt werden drei Paradigmen des Umgangs mit der Zeit des Nationalsozialismus in der Nachkriegsmedizin charakterisiert: das Isolationsparadigma, das Kontinuitätsparadigma und das lokalisierend-komplexe Paradigma.