Kurze Verhaltenstherapie lindert Onlinesucht

Eine kognitive Verhaltenstherapie über vier Monate hinweg kann fast 70% der Online- und Computerspielsüchtigen in Remission bringen. Das legt eine deutsch-österreichische Studie nahe. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Online- und Computerspielsüchte sind gerade unter jungen Männern weit verbreitet. Mit einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ließen sich in Studien häufig gute Erfolge erzielen, allerdings ist die Zahl der verfügbaren und entsprechend ausgebildeten Therapeuten eher gering. Forscher um den Diplompsychologen Dr. Klaus Wölfling von der Ambulanz für Spielsucht in Mainz haben nun in einer randomisiert-kontrollierten Studien gezeigt, dass bereits 15 Gruppen- und acht Einzelsitzungen genügen, um die meisten der Betroffenen wieder in Remission zu bringen – zumindest die meisten der Patienten, die in eine KVT einwilligen und sie auch bis zum Ende durchhalten. Für ihre Studie konnten die Forscher 143 Männer gewinnen, die überwiegend von Hausärzten und Psychotherapeuten an Klinikambulanzen in Mainz, Tübingen, Mannheim und Wien überstellt worden waren. Rund zwei Drittel von ihnen wurden in Mainz behandelt. Alle erfüllten die DSM-5-Kriterien für eine Onlinesucht oder eine Computerspielsucht, sie verbrachten also übermäßig viel Zeit mit On- oder Offline-Computerspielen, mit Onlinepornographie, sozialen Medien, exzessivem Shopping oder Streamen von Videos und Filmen, und dies trotz negativer Konsequenzen für ihr Berufsleben oder ihr soziales Umfeld. Symptomscore fast um zwei Drittel gesunken Im Schnitt waren die Männer 26 Jahre alt, ein Drittel hatte einen Job, die übrigen waren in der Ausbildung, ein erheblicher Teil (19%) auch arbeitslos. 57% hatten vor allem ein Problem mit exzessivem Onlinespielen, 6% mit Offlinespielen, 16% mit Onlinepornografie und 21% mit anderen Internetaktivitäten. Die Forscher um Wölfling verteilten die Männer nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen. Die eine erhielt einen Platz auf der Warteliste, die andere eine in Mainz entwickelte spezifische Kurzzeit-KVT (STICA, short-term treatment for internet and computer game addiction). Nach dieser Methode ist die Abhängigkeit das Ergebnis von dysfunktionalen Bewältigungsstrategien und störungsspezifischen kognitiven Verzerrungen. In den 15 wöchentlichen Gruppensitzungen à 100 Minuten sollten die Betroffenen die Verzerrungen erkennen und alternative Bewältigungsstrategien erlernen. Die dazwischen gestreuten acht Einzelsitzungen sollten die Motivation stärken und Krisen vermeiden. Als primärem Endpunkt wählten die Forscher eine Remission (Werte unter 7 Punkten) gemäß der Selbstbeurteilungsskala AICA-S. Zu Beginn zeigten die Männer ein moderat (7–13 Punkte) oder ein stark ausgeprägtes (>13 Punkte) Suchtverhalten. Im Schnitt betrug der Wert in beiden Gruppen zu Beginn 13 Punkte, mit der KVT sank er über alle Patienten gemittelt im Laufe der knapp vier Monate dauernden Behandlung auf 4,6 Punkte, in der Wartegruppe nur auf 11,5 Punkte. 43 Patienten (25 mit KVT, 18 ohne) brachen die Studie vorzeitig ab. Wurden nur die 100 Patienten betrachtet, die bis zum Schluss durchhielten, so erreichten 69% in der KVT-Gruppe, aber nur 24% in der Wartegruppe eine Remission. 36 Patienten in der KVT-Gruppe konnten sechs Monate nach dem Ende der Behandlung erneut befragt werden, bei ihnen war der AICA-Wert weitgehend stabil geblieben. Insgesamt traten bei elf Patienten 14 unerwünschte Wirkungen auf – jeweils sieben in jeder Gruppe. Hauptsächlich waren dies depressive Episoden. Mit der KVT kam es sechsmal zu schweren psychischen Problemen, nur zweimal passierte das in der Wartegruppe. Durch den Selbstbeurteilungsfragebogen und die Wartegruppe (Noceboeffekt!) wurde der Nutzen der Therapie möglicherweise überschätzt, geben auch die Studienautoren zu bedenken. Sie sehen die kurze KVT aber als Benchmark, um weitere Verfahren zu untersuchen. In künftigen Studien könnte dann direkt gegen die STICA geprüft werden. *AICA: Assessment of Internet and Computer Game Addiction Das Wichtigste in Kürze Frage: Wirkt eine kurze kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gegen Online- und Computerspielsüchte? Antwort: In einer kontrollierten Studie gelangte die Mehrheit der Patienten mit einer solchen Behandlung in Remission. Bedeutung: Eine kurze KVT scheint hilfreich zu sein. Einschränkung: Nur Männer, keine aktive Kontrollgruppe, Selbstbeurteilungsfragebögen.

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Kurze Verhaltenstherapie lindert Onlinesucht

Weiterführende Themen

Neu in den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie

Demenzkranke durch Antipsychotika vielfach gefährdet

Parkinson-Therapie im Wandel – aktuelle Leitlinie im Fokus

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Auf diese Krankheiten bei Geflüchteten sollten Sie vorbereitet sein