Erschienen in:
10.01.2018 | Leitthema
Qualitätsmanagement in der ambulanten pädiatrischen Versorgung
Vision und Utopie einer fehlerfreien Medizin
verfasst von:
Prof. Dr. W. Kiess
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 2/2018
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Zusammenfassung
Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen ist gesetzlich vorgeschrieben sowie zu Sicherung und Verbesserung von Struktur‑, Prozess- und Ergebnisqualität auch in der ambulanten Pädiatrie notwendig. Während im Krankenhaus-Setting Qualitätsmanagementsysteme bereits sehr oft eingesetzt werden, fehlen umfassende und generell angewandte Qualitätsmanagementstrukturen in der ambulanten Medizin noch weitgehend. Seit 1971 gibt es in Deutschland Kindervorsorgeuntersuchungen, für die aber noch immer nur begrenzt Qualitätssicherungsmaßnahmen eingesetzt werden. Ärzte tragen ihre Befunde ins „Gelbe“ oder „Grüne“ Heft ein, das den Eltern bei der Geburt des Kindes ausgehändigt wird. Kinder aus sozial schwachen Familien nehmen in Deutschland seltener an den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen teil als Nachwuchs aus der Mittel- und Oberschicht. Gleichzeitig diagnostizieren Kinderärzte bei Kindern aus sozial weniger privilegierten Familien jedoch häufiger Entwicklungsstörungen, wenn sie an den empfohlenen Untersuchungen teilnehmen. Wissenschaftlich basierte Erkenntnisse über die Dokumentationsqualität und den Informationsgehalt der „Gelben Hefte“ fehlen weitgehend. Beides ist entsprechend möglicherweise stark verbesserungswürdig. Ob sich die „Gelben/Grünen Hefte“ als Grundlage für umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zur Häufigkeit von Erkrankungen eignen und zur Qualitätsprüfung der medizinischen Versorgung von Kindern herangezogen werden können, ist bis nicht belastbar belegt. Das liegt v. a. daran, dass es bislang dem einzelnen Arzt/der einzelnen Ärztin überlassen bleibt, welche Untersuchungsmethoden sie verwenden und wie sie die Krankheiten dokumentieren. Um eine fundierte Auswertung zu ermöglichen, müsste jedoch klar definiert sein, welche Informationen in welcher Form in das „Gelbe Heft“ gehören.
Zudem werden viele „unplausible“ Einträge in den Gelben Heften dokumentiert. So werden beispielsweise chronische Seh- oder Hörstörungen bei einigen Untersuchungen notiert, bei anderen aber fehlt jeder Hinweis darauf. Sehr hinderlich ist auch, dass die Befunde noch immer handschriftlich und teilweise schwer leserlich in die Gelben Hefte eingetragen werden. Neben der Einführung systematisierter Untersuchungsabläufe und standardisierter Testverfahren ist deshalb auch unbedingt eine Digitalisierung der Untersuchungsbefunde anzustreben. Außerdem sollte ein Qualitätsmanagementsystem wie das European Forum for Quality Management (EFQM) verpflichtend eingeführt werden.