Nachtschicht lässt Leistung von Radiologen spürbar sinken

Am Ende einer Nachtschicht brauchen Radiologen deutlich mehr Zeit, um Röntgenaufnahmen richtig auszuwerten. Zudem steigt die Fehlerrate. Vor allem bei Assistenzärzten geht die Leistung in die Knie. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Im Gegensatz zu Chirurgen, die durch helles Licht im OP oder Interaktion mit Menschen ihre Müdigkeit eher noch überwinden können, sind Radiologen beim Auswerten vom Röntgen-, MRT- und CT-Aufnahmen kaum anderen sensorischen Reizen ausgesetzt und daher einer Übermüdung stärker ausgeliefert, vermuten Radiologen um Dr. Tarek Hanna von der Emory-Universität in Atlanta. Wie sich eine Übermüdung auf die Interpretation der Bildgebung auswirkt, haben die Ärzte bei zwölf Kollegen untersucht, die sie einmal gegen Ende eines normalen Arbeitstags und einmal nach einer Nachtschicht Bilder auswerten ließen. Sieben Teilnehmer waren Assistenzärzte (im Schnitt 30 Jahre alt), die übrigen fünf erfahrene Kollegen (im Schnitt 38 Jahre alt). Mehr Fehler Alle mussten vor jeder Untersuchung einen Fatigue-Fragebogen ausfüllen (Swedish Occupational Fatigue Inventory, SOFI), der speziell dafür entwickelt worden ist, beschäftigungsbezogene Ermüdung zu erfassen. Jeweils fünf Fragen zielen auf Energiemangel, körperliche Erschöpfung, körperliche Missempfindungen wie angespannte Muskeln, Taubheitsgefühle oder steife Gelenke sowie auf Motivationsmangel und Schläfrigkeit. Jeder Radiologe sollte in jeder Untersuchung 20 Knochenradiografien auswerten. Fünf davon stammten von gesunden Knochen, die übrigen zeigten subtil bis moderat ausgeprägte Frakturen. Während der Auswertungen wurden Blickaufzeichnungen vorgenommen, zudem mussten die Ärzte angeben, wie sicher sie sich mit ihrer Diagnose waren. Wie sich zeigte, hinterließ die Nachtschicht deutliche Spuren bei den Radiologen. Die SOFI-Werte waren durch die Bank schlechter als am Ende der Tagesschicht – in allen fünf Domänen der Skala schnitten die Ärzte im Anschluss an die Nachtschicht schlechter ab. Besonders ausgeprägt waren die Motivationsdefizite – hierfür lagen die Werte nach der Nachtschicht rund fünffach höher als nach der Tagesarbeit, die Werte für Schläfrigkeit hatten sich vervierfacht. Assistenzärzte schienen nach der Nachtschicht etwas müder zu sein als ihre älteren Kollegen, dafür empfanden sie etwas weniger körperliche Strapazen. Im Anschluss an die Tagesschicht hatten die Ärzte insgesamt 124-mal eine Fraktur als solche erkannt, nur 108-mal geschah dies im Anschluss an die Nachtschicht. 56-mal wurde eine Fraktur nach der Tagesschicht nicht erkannt, 72-mal passierte ein solcher Fehler nach der Nachtschicht. Viermal sahen Radiologen tagsüber eine Fraktur, wo keine war, siebenmal nach der Nachtschicht. Tagsüber wurden 56 gesunde Knochen als gesund erkannt, nachts 53. Nach der Nachtschicht benötigten die Ärzte im Schnitt 36 Sekunden pro Aufnahme, nur 25 Sekunden waren es nach der Tagesschicht. Bei den Assistenzärzten ergab sich mit 40 versus 25 Sekunden eine noch größere Differenz. Assistenzärzte stärker betroffen Laut Blickaufzeichnung fixierten die Ärzte im übermüdeten Zustand deutlich mehr Punkte auf den Bildern als unter normalen Bedingungen (105 versus 68 Punkte). Auch diese Differenz war bei den Assistenzärzten am größten (118 versus 62 Punkte). Dagegen wussten die erfahrenen Radiologen auch nach der Nachtschicht noch genau, wo sie hinschauen sollten (86 versus 70 Punkte). Wenig überraschend benötigten die Ärzte nach der Nachtschicht auch deutlich länger als nach der Tagesschicht, bis sie zum ersten Mal die Fraktur im Blick hatten (15 versus 11 Sekunden). Wiederum schnitten die Assistenzärzte hier etwas schlechter ab (16 versus 12 Sekunden). Schließlich mussten die Radiologen den Frakturbereich nach der Nachtschicht etwas länger anschauen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, auch waren sie sich anschließend weniger sicher als nach einer Beurteilung im Anschluss an eine Tagesschicht. Unterm Strich benötigten die übermüdeten Ärzte 45% mehr Zeit pro Aufnahme und 60% mehr Blicke, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Außerdem brauchten sie rund ein Drittel länger, um eine Fraktur erstmals zu sehen. Gleichzeitig entgingen ihnen häufiger subtile Frakturen – solche Bereiche schauten sie sich wesentlich kürzer an als im wachen Zustand. Die Blickaufzeichnungen deuteten auf ein eher unorganisiertes Absuchen, ein mehr zufälliges Hin- und Herschauen im müden Zustand. Insgesamt benötigten die Radiologen nach einer Nachtschicht also deutlich mehr Zeit für die Auswertung, machten dabei aber wesentlich mehr Fehler als nach einer Tagesschicht. Das spricht nicht gerade für lange nächtliche Arbeitszeiten in der Radiologie. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut ist die Leistung von Radiologen zum Ende einer Nachtschicht? Antwort: Sie benötigen etwa die Hälfte mehr Zeit für die Bildauswertung und machen dabei deutlich mehr Fehler als gegen Ende einer Tagesschicht. Bedeutung: Zum Ende einer Nachtschicht leidet die Qualität der Arbeit spürbar. Einschränkung: Sehr kleine Studie.

Springer Medizin

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