Kommentar
Die Studie wurde kürzlich beim ASCO 2022 in Chicago vorgestellt und ist trotz geringer Patientenzahl und kurzer Nachbeobachtungszeit bereits im renommierten
New England Journal of Medicine als Vollpublikation erschienen [
1]. Im Vorfeld hatte eine Pilotstudie beim primären, nichtmetastasierten Kolonkarzinom mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) gezeigt, dass nach einer neoadjuvanten „Kurzzeit“-Immuntherapie mit nur einer Gabe Ipilimumab und 2 Gaben Nivolumab gefolgt von obligater Operation insgesamt 19 von 20 Patienten eine ausgeprägte Tumorregression aufwiesen (Nachweis von < 10 % residuellen, viablen Tumorzellen; [
2]). Beim metastasierten MSI-H-Kolorektalkarzinom ist die Immuntherapie mittlerweile die empfohlene
First-line-Therapie, nachdem die KEYNOTE-177-Phase-3-Studie bei besserer Verträglichkeit eine signifikante Überlegenheit von Pembrolizumab gegenüber der klassischen Chemotherapie (mFOLFOX6, FOLFIRI) hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens gezeigt hat (median 16,5 vs. 8,2 Monate, HR 0,59, 95 %-CI 0,45–0,79; [
3]).
Beim Rektumkarzinom gab es zu dieser seltenen molekularen Subgruppe von Patienten (nur ca. 5 % aller Enddarmkarzinome weisen eine MSI‑H auf) bisher nur Einzelfallberichte, die aber schon eine hohe Effektivität der (neoadjuvanten) Immuntherapie nahelegten [
4]. Die aktuelle, prospektive Phase-2-Studie testete nun eine auf 6 Monate prolongierte Immuninduktionstherapie mit der Option einer Watch-&-wait-Strategie bei Erreichen einer klinischen Komplettremission (cCR). Während dieser 6 Monate erfolgte ein engmaschiges Monitoring der Tumorantwort mittels repetitiver Endoskopien und Tumorbiopsien, MRT des Beckens und FDG-PET-CT, um einerseits frühzeitig ein fehlendes Ansprechen erkennen zu können und andererseits die spezifische Dynamik der Tumorregression eines rektalen Karzinoms mit MSI‑H unter PD-1-Blockade zu untersuchen.
Interessanterweise wiesen 5 von 10 Patienten in den repetitiven Biopsien bereits 6 Wochen nach Therapiebeginn keine viablen Tumorzellen mehr auf, nach 3 Monaten zeigte die Endoskopie bei 5 von 12 Patienten eine cCR, während die FDG-PET-CT zu diesem Zeitpunkt bereits eine komplette SUV-Reduktion auf Hintergrundlevel aufwies. Demgegenüber entwickelten sich die Response-Kriterien in der MRT-Untersuchung verzögert. In translationalen Begleituntersuchungen war u. a. ein initialer Anstieg der PD-L1-Expression und der Expression von CD8+-T-Lymphozyten in Tumor- und Normalgewebe nach 6 Wochen zu erkennen, begleitet von einem Anstieg von CD20+-B-Lymphozyten als tertiäre lymphoide Strukturen im peritumoralen Stromagewebe.
Warum sind die Komplettremissionsraten der „neoadjuvanten“ Immuntherapie beim MSI-H-Rektumkarzinom so gut und teils deutlich besser als die neoadjuvante Immuntherapie bei anderen soliden Tumoren mit nachgewiesener Sensitivität gegenüber einer Checkpointblockade im metastasierten Setting (z. B. NSCLC, Melanom; [
5])? Neben einer adäquaten molekularen Selektion (Expressionsverlust in mindestens 2 der 4 untersuchten Mismatch-Reparatur-Proteine, hohe tumorale Mutationslast) hat wahrscheinlich auch die lange, 6‑monatige Dauer der Immuntherapie zu der hohen Rate an cCR beigetragen. Bekannterweise entwickelt sich nämlich das Tumoransprechen auf eine Immuntherapie verzögert über Wochen bis Monate [
6], sodass das mittlerweile beim Rektumkarzinom etablierte lange Intervall von Therapiebeginn bis zur endgültigen Responsebeurteilung (analog den TNT-Regimen bei MSS-Tumoren) mit repetitivem Monitoring der Therapieantwort und selektiven W&W-Optionen eine ideale Studiensituation erlaubte [
7].
Markus Diefenhardt, Emmanouil Fokas, Claus Rödel, Frankfurt
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