Die Indikation zum Sphinktererhalt bei Patienten mit einem sehr tief sitzenden Rektumkarzinom ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung und auch an die Beherrschung der intersphinktären Resektion gebunden. In dieser Arbeit sollen die zunehmend definierten Operationstechniken kurz vorgestellt und aktuell eingeordnet werden.
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Beim Rektumkarzinom im unteren Drittel sollen unterschiedliche offene und endoskopisch minimal-invasiv unterstützte Dissektions- sowie verschiedene Anastomosentechniken beherrscht und von erfahrenen Operateuren leitlinienkonform sowie evidenzbasiert indiziert werden. Vor dem Hintergrund sich rasch weiterentwickelnder multimodaler Konzepte muss die Bewertung der Operationsmethoden sowohl aus onkologischer als auch aus funktioneller Sicht dynamisch erfolgen.
Die Komplexität der sphinktererhaltenden Operationen bei Patienten mit sog. ultratiefsitzenden Rektumkarzinomen (≤ 5 cm ab anokutan) ist sehr hoch. In den letzten Jahren hat sich die intersphinktäre Dissektion mit der zunehmenden Akzeptanz eines distalen Sicherheitsabstands von weniger als 10 mm oder sogar 5 mm bei neoadjuvanter Therapie zu einem ultimativen Ansatz entwickelt, um die dauerhafte Stomaanlage zu vermeiden.
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Hintergrund
Das ultratiefsitzende Rektumkarzinom hat seinen Unterrand definitionsgemäß nicht höher als 5 cm ab anokutan. Es ist tastbar, und so stellt sich für Untersucher und Patient unmittelbar die Frage nach der Möglichkeit des Sphinktererhalts zur Vermeidung eines dauerhaften Anus praeter. Entsprechende offene Resektionstechniken wurden bereits vor mehr als 30 Jahren eingeführt [1‐3]. In der vorliegenden Arbeit sollen nun einige aktuelle technische Aspekte der wirklich tiefen, intersphinktären Rektumresektion (ISR) behandelt werden. Unschärfen gegenüber Klassifikationen, Definitionen, Leitlinien und Expertenstatements (Tab. 1) lassen sich dabei noch immer nicht vermeiden [4, 5].
Tab. 1
Expertenkonsens zur intersphinktären Resektion (ISR). (Nach [5])
Intersphinktäre Dissektion (ISD) erfolgt entlang des intersphinktären Raums (zwischen M. sphincter ani externus und longitudinalem Anteil des muskulären Analkanals) bei sehr tief sitzenden Rektumkarzinomen, um die distalen und zirkumferenziellen Sicherheitsabstände zu erweitern. Die ISD ist ein Teilschritt bei ISR und bei ultratiefer anteriorer Resektion.
(96,2% Zustimmung in zweiter Runde)
ISR ist eine Technik für ultratiefsitzende Rektumkarzinome und unterteilt sich in eine abdominale und eine transanal Phase. Sie ist gekennzeichnet durch die partielle, subtotale oder totale Resektion des M. sphincter ani internus über die ISD. Die koloanale Anastomose wird immer von Hand genäht
(100% Zustimmung in zweiter Runde)
Ultratiefe anteriore Resektion immer durch eine ISD gekennzeichnet; soll distalen Sicherheitsabstand vergrößern. Das Rektum wird sehr tief entweder transabdominell mechanisch bzw. manuell oder von transanal manuell durchtrennt (transanale Durchtrennung und Single-Stapler-Anastomose; TTSS). Transsektion auf oder knapp unterhalb der Levatorebene. Kolorektale/koloanale Anastomose kann mechanisch oder manuell erfolgen. Ultratiefe anteriore Resektion und ISR sind zwei verschiedene Operationstechniken
(84,6% Zustimmung in dritter Runde)
Parks-Technik sollte nicht als ISR betrachtet werden
(89,6% Zustimmung in erster Runde)
ISR sollte in partielle, subtotale oder totale ISR eingeteilt werden
(86,2% Zustimmung in erster Runde)
Einige Punkte werden einleitend kurz angemerkt. Mit proktologischer Expertise (digital, starre Prokto‑/Rektoskopie) soll die Tumorlokalisation in Beziehung zum individuellen anatomischen und chirurgischen Analkanal [6] sowie geschlechtsabhängig eingeschätzt und genau dokumentiert werden. Die Untersuchung ist nach neoadjuvanter Therapie und unmittelbar intraoperativ (in Narkose) zu wiederholen um die Operationsindikation jeweils zu bestätigen (Abb. 1). Hinsichtlich des distalen Sicherheitsabstands (DRM) werden unter Berücksichtigung multimodaler Therapie Sicherheitsabstände von 10 mm und weniger akzeptiert [7‐10]. Zur geforderten onkologischen Radikalität gehört neben der Unversehrtheit des Mesorektums unbedingt auch die Einhaltung des zirkumferenziellen Sicherheitsabstands (CRM). Daher muss die MRT die Frage zur Infiltration des Sphinkterapparats sowohl im Staging als auch im Restaging nach neoadjuvanter Therapie differenziert und mit hoher Genauigkeit beantworten.
Abb. 1
Schema zu intersphinktärer und ultratiefer Resektion. IS M. sphincter ani internus, ES M. sphincter ani externus, PR M. puborectalis. Asterisk Doppel‑/Single-Stapler oder Handanastomose, Raute Handanastomose
Dazu sind neben den nach der Tumorlängsachse ausgerichteten Serien auch die parakoronar zum Analkanal ausgerichteten Sequenzen wichtig. Eine Beteiligung des äußeren Schließmuskels, des M. puborectalis und/oder des M. levator ani wird als cT4b-Krankheit klassifiziert. Eine etwaige Invasion des inneren Schließmuskels und der intersphinktären Ebene sollte immer zusätzlich beschrieben werden. Zudem wird vorgeschlagen, T3-Tumoren mit Infiltration des Mesorektums (oberhalb der Levatorebene) von T3-Tumoren mit Infiltration in die intersphinktäre Ebene zu unterscheiden (T3isp), da Letzteres als Kontraindikation zur ISR gesehen wird [5, 11, 12].
Die endoanale/-rektale Ultraschalluntersuchung trägt weiterhin zur Unterscheidung der T1- und T2-Situation bei und wird zur Indikation lokaler Exzisionen gefordert. In der Hand des Geübten lässt sie Aussagen zur Sphinkteranatomie bzw. Sphinkterinfiltration zu [13].
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Eine kategoriale Beurteilung des analen Ruhe- und Willkürtonus ist klinisch möglich, [14] fließt ergänzt durch Scores (POLARS, Wexner etc.) in das Aufklärungsgespräch ein und hilft bei der partizipativen Entscheidungsfindung zum Sphinktererhalt [15]. Eine Möglichkeit zur funktionellen Nachsorge sollte bestehen und prinzipiell die patientenseitige Compliance zur wahrscheinlich auch notwendigen Behandlung des tiefen anterioren Resektionssyndroms [16].
Intersphinktäre Resektion
Mit einer Übersicht zu 22 Publikationen mit 1958 Patienten, die über die Jahre 2000 bis 2015 mit einer ISR behandelt wurden, legen Shirouzou et al. [17] dar, dass die laparoskopisch assistierte der abdominell offenen Operation onkologisch gleichzusetzen ist. Insbesondere wurden niedrige 5‑Jahres-Lokalrezidivraten um 7 % durch retrospektiv ausgewertete Daten aus über 25 Jahren ISR bei tief sitzenden Rektumkarzinomen (n = 303) bestätigt (1990–98: 4,3 %; 1999–06: 5,8 %; 2007–14: 3,5 %; [18, 19]). Dabei zeigten sich bei gleichbleibender TME-Qualität und konstantem CRM signifikante Unterschiede: Die Rate laparoskopischer Operationen nahm zu und erreichte 85 %. Die Rate neoadjuvanter Radiatio lag schließlich bei 92 %. Es wurden tiefer sitzende und ausgedehntere Karzinome operiert, dennoch verkürzte sich der DRM von 25 auf 10 mm und die Rate der totalen ISR halbierte sich von 52 % auf 25 %. Die Autoren gaben an, ab 2008 die Dissektion des unteren Rektumdrittels eher von transanal auszuführen. Die Rationale war ein sicherer CRM durch partielle Mitnahme der pelvinen Faszie. Im Langzeitverlauf nach ISR litten 42 % der Patienten an einem tiefen anterioren Resektionssyndrom (LARS); 12 % benötigten eine Kolostomie. Auch minimal-invasiv durchgeführt ist die ISR gegenüber der tiefen anterioren Rektumresektion mit deutlich erhöhten Major-LARS-Raten verbunden (55,0 % vs. 29,7 %) und wurde als unabhängiger Risikofaktor herausgestellt (Odds-Ratio [OR] 3,3; 95 % Konfidenzintervall [KI] 1,5–7,4; p = 0,004; [20]).
Modifikationen des transanalen Zugangs
Im Zuge der transanalen totalen mesorektalen Exzision (TaTME) wurde u. a. die mit Hilfe von beidseitiger Tabaksbeutelnaht durchgeführte Single-Stapler-Anastomose durchgeführt (Abb. 2) und (neben der Handanastomose) für die tiefe koloanale Anastomose empfohlen [21]. Ausgehend von der TaTME erfolgte unter weitgehendem Verzicht auf die „bottom-up“ mesorektale Dissektion die Übernahme einzelner Elemente des transanalen Zugangs zur Rektotomie und Rekonstruktion mittels Single-Stapler-Anastomose („transanal transection and single-stapled anastomosis“, TTSS; Tab. 2). Zunächst wurden 8 Patienten mit ultratiefsitzenden Rektumkarzinomen (3–5 cm ab ano) komplikationslos operiert [22]. In einer umfangreichen Einzelserie ergaben sich nach TTSS (n = 50), TaTME (n = 100) und laparoskopischer TME mit Doppel-Stapler-Anastomose (n = 127) niedrige Insuffizienzraten für die TTSS (2 %) und die TaTME (6 %) (vs. 17,5 %) [23]. Die Durchführung der TTSS setzt idealerweise eine komplett von abdominal (offen/laparoskopisch/robotisch) komplettierte mesorektale Dissektion und die zirkumferenzielle Mobilisation des Rektumcuffs am Beckenboden bis unterhalb des späteren Transsektionslevels voraus. So wird die später schwierigere Mobilisation der oberen Cuff-Anteile vermieden und die transanal gestochene Tabaksbeutelnaht zum Verschluss der anorektalen Manschette sicherer. Wenn allerdings diese Manschette aufgrund des tiefen Tumorsitzes zum Klammern unzureichend ist, wird die intersphinktäre Resektion mit handgenähter koloanaler Anastomose unter Inkaufnahme signifikant höherer Raten des Major-LARS notwendig (27 % vs. 5 %; [24]).
Abb. 2
Ultratiefe koloanale Single-Stapler-Anastomose bei kurzem weiblichem Analkanal. Tumorunterrand knapp oberhalb Puborektalisschlinge (transanale totale mesorektale Exzision, TaTME) a Staplerkopf mit Silikonschlauch bestückt, b Anastomose, c Anus schließt
Transanale Transektion und Single-Stapler-Anastomose (TTSS). (Nach [24])
1. Einsetzen des Lone-Star® Retractor (CooperSurgical™ Inc, Trumbull, CA, USA), Einführen einer Kompresse in das Rektum proximal des Tumors
2. Zirkumferenzielle Rektotomie (Vollwand) 1–2 cm distal des Tumors oberhalb des anorektalen Übergangs
3. Verschluss des Rektumlumens mit 3/0 Vicryl. Vor- und nachher Spülung mit Beta-Lösung
4. Fortgesetzte Dissektion um etwa 1 cm nach proximal, um die bereits von abdominal erreichte TME-Ebene zu treffen oder die mesorektale Dissektionsebene zu erreichen (wenn von transanal beginnend)
6. Proximale Durchtrennung des Kolons, Einbringen des Staplerkopfes und Bestücken mit einem Silikonschlauch. Rückverlagerung in das kleine Becken
7. Anlage Tabaksbeutelnaht (PDS 3/0) am Rektumstumpf
8. Durchzug des Silikonschlauchs zentral durch den nahtarmierten Rektumstumpf nach transanal. Entfernung des Schlauchs vom Staplerkopf, unmittelbare Konnektion mit dem Zirkulärstapler. Schürzen/Knoten der Tabaksbeutelnaht. Approximieren der Staplerenden und Schießen der Single-Stapler-Anastomose
9. Einzelknopfübernähung PDS 3/0
TME totale mesorektale Exzision
Aus einer retrospektiven multizentrischen Kohortenstudie (4 High-Volume-Zentren; jeweils > 500 TME jährlich) ging nach einem Propensity Score Matching hervor, dass sowohl die Rate negativer DRM (99 % vs. 91 %) als auch die Rate unversehrter TME-Präparate (98 % vs. 87 %) signifikant besser ausfiel, wenn die ISR transanal-endoskopisch mit einem flexiblen Single-Port minimal-invasiv assistiert wurde. Auch die onkologischen Langzeitergebnisse (krankheitsfreies Überleben, kumulative Rezidivrate) waren signifikant besser. Darüber hinaus zeigte sich die endoskopische Assistenz als unabhängiger Einflussfaktor auf den funktionellen Sphinktererhalt (Stomarückverlagerung; keine funktionsbedingte Stoma[wieder]anlage). Weiterhin waren in dieser Gruppe bei Patienten mit neoadjuvanter Therapie die funktionellen Einschränkungen (Wexner-Sore > 10) signifikant niedriger (9,5 % vs. 50 %; p = 0,009) und damit auch der funktionelle Sphinktererhalt erfolgreicher (100 % vs. 79 %; p = 0,042; [25]). Die transanale ISR endoskopisch assistiert in Jackknife-Position durchzuführen und nach Umlagerung in Steinschnittlage mit laparoskopischer TME und TTSS zu komplettieren, ist machbar (n = 10; [26]). Dieses Vorgehen soll die intersphinktäre Dissektion erleichtern, was noch durch weitere Daten belegt werden müsste.
Transanale totale mesorektale Exzision
Erste Ergebnisse des europäischen RESET-Trials zeigen bei einem Risikokollektiv (n = 1078 mit ≥ 2 definierten Risikofaktoren: Body-Mass-Index [BMI] > 30; enges Becken; großes Tumorvolumen; geplante ultratiefe/koloanale Anastomose), dass in der Gruppe der TaTME die Raten ultratiefer Karzinome (≤ 5 cm ab anokutan) und koloanalen Anastomosen (59 %/37 %) im Vergleich zu offener (47 %/12 %), laparoskopischer (42 %/16 %) und robotischer TME (49 %/32 %) am höchsten war [27]. Surrogat-Parameter ergaben keine perioperativen Ergebnisunterschiede zwischen den minimal-invasiven Methoden; funktionelle und onkologische Ergebnisse sind weiter abzuwarten.
In einer unizentrischen retrospektive Kohortenstudie zur ISR bei TaTME zeigte sich das Single-Stapling (n = 39) der koloanalen Handnaht (n = 48) signifikant überlegen (Anastomoseninsuffizienz 0 % vs. 15 %; LARS-Score Median 32 vs. 37; Major-LARS 56 % vs. 79 %). Die Sicherheitsabstände (DRM/CRM) unterschieden sich nicht, aber die handgenähte Anastomose lag signifikant tiefer (3 cm [1–4 cm] vs. 3 cm [2–4 cm] ab anokutan; p < 0,001). Bei fehlendem Standard wurde auf die Indikationsstellung des erfahrenen Operateurs verwiesen, der die technische Machbarkeit einer Stapleranastomose gegenüber der Handnaht kritisch einschätzen muss [28]. Eine randomisierte Studie zu diesem Thema „Super SST“ rekrutiert bereits Patienten [29]. Die Erweiterung der ISR ist in Abhängigkeit von Tumorsitz und -ausdehnung sowie Expertise des Operateurs möglich (Abb. 3). Der robotische transanale Single-Port-Zugang könnte für die ISR von Vorteil sein [30]. Die transanale minimal-invasive Chirurgie mittels robotischem Single-Port umfasst erst 1 % publizierter robotisch durchgeführter kolorektaler Single-Port-Operationen bei Karzinom. Detaillierte Beschreibungen für die robotische transanale intersphinktäre Dissektion bei ultratiefsitzendem Rektumkarzinom sind bisher nicht publiziert [31, 32].
Abb. 3
Weiblich 70 Jahre, mrT3−4, mrCRM pos. („vagina, perineal body“). Neoadjuvante Radiatio (5 × 5) gefolgt von abdominal robotisch und transanal offen assistierter, erweiterter intersphinktärer Rektumresektion mit partieller Resektion der Vaginahinterwand (a–e). Vagina- und Dammrekonstruktion, Spannungsfreie und gut durchblutete End-zu-End koloanale Handanastomose (f–h), protektives Ileostoma. Nach Stomarückverlagerung transanale Irrigation.
Turnbull-Cutait-Durchzug mit zweizeitiger koloanaler Handnaht
In einer aktuelle Metaanalyse (4 Studien 2016–2020) zum analen Kolondurchzug mit verzögerter Resektion des exterritorialisierten Kolons (6–10 cm Stumpflänge) und koloanaler Handanastomose hatten 32 von 150 Karzinompatienten (21,3 %) eine ISR. Auf eine protektive Stomaanlage wurde verzichtet. Im Vergleich zu Patienten mit koloanaler Anastomose und protektivem Stoma kam es zu einer signifikant niedrigeren Rate an pelviner Sepsis (7 % vs. 14 %; [33]). Seown-En et al. [34] führten bei 12 TaTME-Patienten mit Karzinomen im unteren Rektumdrittel eine verzögerte handgenähte Anastomose durch und fanden in der gematchten Vergleichsgruppe funktionell (Wexner- und LARS-Score) keinen signifikanten Unterschied zur laparoskopischen und robotischen TME mit primärer koloanaler Stapler-Anastomose. Eine aktuellere Metaanalyse konnte für die verzögerte Anastomose nach onkologischer tiefer anteriorer Resektion auch eine signifikant niedrigere Insuffizienzrate nachweisen (15,4 % vs. 23,5 %; OR 0,55; 95 % KI 0,31–0,97; p = 0,04; [35]).
In der einzigen randomisierten Studie zeigte sich kein Unterschied in der Rate postoperativer Anastomosen Komplikationen im Vergleich zur ultratiefen Resektion mit primärer koloanaler Anastomose und Stomaschutz. Elf von 46 Patienten (23,9 %) hatten eine verlängerte Paralyse, während dies in der Gruppe mit der um durchschnittlich 9,8 (± 4,7) Tage verzögerten Anastomose nicht vorkam (p = 0,001; [36]). Im 3‑Jahres-Verlauf zeigten sich keine Unterschiede in der kolorektalen Funktion. Weder der Wexner-Score: 11 (6–16) vs. 13 (7–16) noch der LARS-Score: 32 (21–37) vs. 34 (23–39) ergab signifikante Unterschiede zwischen der „Stoma-Gruppe“ und der „Turnbull-Cutait-Gruppe“. Gleiches galt für die onkologischen Ergebnisse, [37], so dass diese Methode in ausgewählten Fällen, in denen auf ein protektives Stoma verzichtet wird, alternativ zur Anwendung kommen kann (Abb. 4).
Abb. 4
Männlich, 60 Jahre, Body-Mass-Index (BMI) 34, abdominal-robotisch und transanal-endoskopisch assistierte totale mesorektale Exzision (TME) mit partiell intersphinktärer Resektion sowie Turnbull-Cutait-Durchzug bei juxtaanalem Rektumkarzinom (a,b). Zweizeitige koloanale Handnaht am 6. postoperativen Tag (c-e). Erste ambulante Kontrolle am 15. postoperativen Tag mit gutem Sphinktertonus (Ruhe/Willkür) (f). Loperamid und transanale Irrigation verordnet.
Angepasste rektoanale Transsektion zum partiellen Sphinktererhalt
Bei ursprünglich geplanter totaler intersphinktärer Resektion kann in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation in einigen Fällen ein Teil des internen Sphinkters auf der Gegenseite verbleiben [18]. Schemata verschiedener Autoren nehmen entsprechend ausgebuchtete Transsektionslinien häufig kommentarlos auf.
Für selektierte Patienten mit Karzinomen < 3 cm Durchmesser, die weniger als ein Drittel der Zirkumferenz einnehmen, ihren Unterrand bei 4–5 cm vom Analrand bzw. weniger als 2 cm über der Linea dentata haben und den intersphinktären Raum nicht infiltrieren, wird ein individuell auf den Tumorsitz zugeschnittener partieller Sphinktererhalt („conformal sphincter preservation operation“, CSPO) vorgeschlagen und mit Daten hinterlegt [38]. Nach Durchtrennung des dorsalen hiatalen Ligaments stoppt die abdominell offene oder laparoskopische Dissektion (TME) ohne Eröffnung des intersphinktären Raums. Nach Durchtrennung des Sigma und Dilatation des Anus wird das Rektosigmoid transanal evertiert. Mit 1 cm distalem Sicherheitsabstand erfolgt die Dissektion unter Sicht mit dem Ziel, so viel wie möglich vom unteren Rektum, der Linea dentata und dem internen Analsphinkter auf der dem Tumor gegenüberliegenden Seite zu erhalten. Der intersphinktäre Raum soll zum Schutz der autonomen Sphinkterinnervation weitgehend unberührt bleiben. Bei 98 % (100/102) der Patienten (BMI: 23 ± 3,3; neoadjuvante Radiochemotherapie [nCRT]: 34 %) erfolgte nach obligater Schnellschnittuntersuchung der Einzelknopfnahtverschluss des anorektalen Stumpfes und die dezentrale zirkuläre Staplernaht (25 mm) am höchstmöglichen Punkt. Der DRM betrug 5 mm (3–8 mm). Zwei Anastomoseninsuffizienzen und drei Strikturen wurden erfasst. Onkologische (Lokalrezidiv 2 %; krankheitsfreies 3‑Jahres-Überleben 83,9 %) und funktionelle Ergebnisse (Major-LARS: 47,7 %; Wexner-Score: 5,9 ± 4,3) seien akzeptabel und vergleichende Untersuchungen zur ISR werden angeregt.
LARS-Prävention
Zur chirurgisch-technischen (intraoperativen) Prävention des LARS bei TME werden Robotik und intraoperatives Neuromonitoring vorgeschlagen [39]. In einer aktuellen prospektiven Studie mit 342 eingeschlossenen Patienten ergibt sich nach multivariater Analyse die laparoskopische gegenüber der robotischen Operation als unabhängiger (auch unabhängig von der ISR!) signifikanter Risikofaktor für ein Major-LARS (OR: 2,24; 95 % KI 1,06–4,73; p = 0,03; 39 % vs. 24 %; [20]). Das pelvine Neuromonitoring ist auch bei ultratiefer, intersphinktärer Resektion hilfreich einsetzbar (Abb. 5) und führte in einer multizentrisch randomisierten Studie zu signifikant niedrigeren Wexner-Scores (5,5 ± 4,5 vs. 7,9 ± 5,6) und weniger Problemen mit fraktionierter Entleerung (56 % vs. 75 %; [40, 41]). In einer interessanten Studie wurde bei 26 Patienten mit totaler ISR untersucht, inwieweit eine gestielte Omentumtransposition zur dorsolateralen Ummantelung des Neorektums zur LARS-Prävention beiträgt [42]. Drei Monate postoperativ zeigte sich in der Gruppe mit „Neomesorektum“ ein signifikant besserer LARS-Score, außerdem fand sich ein niedrigerer mittlerer neorektaler Ruhedruck (1,79 mm Hg ± 0,89 vs. 3,50 ± 1,81 mm Hg; p = 0,010) und in der MR-Defäkographie eine höhere Compliance mit besser koordinierter Peristaltik.
Abb. 5
Männlich, 62 Jahre, juxtaanales Rektumkarzinom 4 cm ab anokutan; 1 cm ab Linea dentata (a), mrT2, N +; transanale Sicht: transanal minimal-invasiv assistierte robotische totale mesorektale Exzision (rTaTME) mit partiell intersphinktärer Resektion (pISR) und pelvinem intraoperativem Neuromonitoring (pIONM) (b-d), koloanale Handanastomose, protektives Ileostoma, pT2, N0 (0/18), cM0, G2, L0, V0, Pn0, R0, zirkumferenzieller Dissektionsrand (CRM) neg., distaler Sicherheitsabstand (DRM) neg. (5 mm), Präparatequalität gut, pIONM positive Signale bds
Die Komplexität der chirurgischen Behandlung des ultratiefen Rektumkarzinoms ist sehr hoch, daher sollten betroffene Patienten in Zentren mit spezieller viszeralchirurgischer, kolorektaler sowie proktologischer Kompetenz behandelt werden.
Bei Indikation zur intersphinktären Resektion ist der Operateur auf die uneingeschränkte Verfügbarkeit maximaler operationstechnischer Ausrüstung und ein trainiertes sowie informiertes Team angewiesen.
Differenzierte transanale Zugänge zur intersphinktären Resektion und die Auswahl der Anastomosentechnik sind an Erfahrung und Qualitätssicherung onkologischer sowie funktioneller Ergebnisse zu binden.
Sowohl zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens als auch zur Prävention und Therapie des tiefen anterioren Resektionssyndroms (LARS) müssen Patienten vollumfänglich informiert werden.
Die Entscheidung zum Sphinktererhalt erfolgt auf der Basis präziser klinischer sowie modernster bildgebender Befunde und weiterentwickelter multimodaler Konzepte dynamisch, evidenzbasiert und partizipativ.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
W. Kneist: Referentenhonorar für online Weiterbildungsvortrag von Falk (2024).
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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