Eine 59-jährige Patientin wird wegen einer akut aufgetretenen Polyarthritis nach Karibikreise vorgestellt. Begleitend bestehen konstitutionelle Symptome sowie Myalgien und Arthralgien. In der Bildgebung zeigt sich eine Synovitis der Hand- und Fingergrundgelenke ohne erosive Veränderungen. Immunserologisch stellen sich zudem normwertige Befunde ohne Hinweis auf Autoimmunerkrankung oder Vaskulitis dar. In der erweiterten Diagnostik zeigen sich serologische Hinweise für eine Infektion mit dem Chikungunya-Virus.
Hinweise
Redaktion
B. Salzberger, Regensburg
R. Schmitt, Kiel
K. Singler, Nürnberg
×
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Kasuistik
Anamnese
Die Vorstellung der 59-jährigen Patientin erfolgte wegen akut auftretender, an Händen und Füßen betonter Gelenkschmerzen. Diese nahmen im Verlauf einen immobilisierenden Charakter an.
Vorausgegangen war eine Urlaubsreise in die Dominikanische Republik. Im Verlauf des Aufenthalts trat bei der Patientin akutes Fieber bis ca. 39 °C mit darauffolgenden Arthralgien und Myalgien auf. Vor Ort erfolgte eine symptomatische Therapie der Beschwerden. Nach Reiserückkehr nahmen die Arthralgien in den Händen und Füßen zu. Aufgrund der Beschwerden erfolgte eine Vorstellung in einem auswärtigen Krankenhaus. Dort wurde eine umfangreiche rheumatologische und infektiologische Serumdiagnostik (u. a. Denguevirus, CMV, EBV, Hepatitisviren) ohne konkreten Hinweis für eine Ursache durchgeführt.
Anzeige
Im Röntgen von Thorax sowie Händen und Füßen wurden regelrechte Befunde erhoben, eine Abdomensonographie war unauffällig.
Die Patientin wurde symptomatisch mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt und im Verlauf entlassen. Aufgrund der weiter progredienten Symptomatik stellte sie sich akut fachrheumatologisch vor. Vorerkrankungen oder eine regelmäßige Medikation bestanden nicht.
Klinischer Befund
In der klinischen Untersuchung zeigten sich eine Gangstörung, generalisierte Muskelschmerzen und eine deutliche Schmerzhaftigkeit der Hände und Füße. Schwellungen und Druckschmerzen waren vor allem über den Metakarpophalangeal(MCP)- und Handgelenken (Abb. 1a), den Metatarsophalangeal(MTP)-Gelenken und den oberen Sprunggelenken nachweisbar. Es bestand ein proximaler muskulärer Druckschmerz an den Armen. Fieber oder Hautveränderungen lagen nicht vor. Der weitere klinische Untersuchungsbefund war regelrecht.
×
Arthrosonographie
In der Untersuchung der Hände zeigte sich eine Synovitis II° in den Handgelenken sowie in den MCP-2- und -3-Gelenken beidseits (Abb. 1b, c). Eine Power-Doppler-Aktivität bestand nicht, Erosionen waren nicht nachweisbar, degenerative Gelenkveränderungen gering ausgeprägt. An den Beugesehnen der Hände mäßig floride Tenosynovitis.
Anzeige
Laborbefunde
Laborchemisch war das C‑reaktive Protein mit 0,81 mg/dl (Normwert < 0,5) und die BSG mit 28 mm/h (NW < 20) leicht erhöht, antinukleäre Antikörper (ANA), antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA), Rheumafaktor und Anti-citrulliniertes-Protein-Antikörper (ACPA) zeigten Normalbefunde.
In der ergänzenden infektionsserologischen Diagnostik waren die Parvovirus-B19- und HIV-Serologie unauffällig, demgegenüber waren IgM-Ak gegen das Chikungunya-Virus (CHIKV) positiv und IgG-Ak hochtitrig nachweisbar.
Diagnose
Akute Polyarthritis bei Chikungunya-Virus-Infektion
Therapie und Verlauf
Bei der Patientin erwies sich eine Therapie mit NSAR als nicht ausreichend, sodass die Behandlung um oral verabreichte Glukokortikoide sowie einen Protonenpumpeninhibitor erweitert wurde. Da eine Besserung der Beschwerden nur langsam eintrat, wurde eine steroidsparende Therapie mit Methotrexat 15 mg/Woche subkutan eingeleitet. Im Verlauf konnte Prednisolon ausgeschlichen werden, auch Methotrexat wurde bei zunehmender Besserung der Beschwerden unterbrochen.
Diskussion
Die Ursachen akut bzw. subakut auftretender Polyarthritiden betreffen neben entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auch polyartikuläre Manifestationen stoffwechselbedingter Arthritiden und Infektionen mit (reaktiver) Polyarthritis.
Die Frequenz reiseassoziierter Arbovirosen hat in den letzten 20 Jahren signifikant zugenommen [4]. Chikungunya leitet sich von einer Redewendung der Makonde (Volk im Südosten Tansanias) ab und bedeutet übersetzt „das, was sich beugt“. Akut einsetzendes Fieber, Exanthem, Konjunktivitis, Myalgien und Arthritiden prägen das klinische Spektrum von CHIKV-Infektionen [6]. CHIKV ist ein Alphavirus mit einsträngiger positiver RNA aus der Familie der Togaviren. Die westafrikanische, die ost-, zentral- und südafrikanische sowie die asiatische Viruslinie unterscheiden sich genotypisch voneinander, ihre Namensgebung bezieht sich auf deren ursprüngliche geografische Begrenzung [10]. Der Erreger wurde erstmals nach einem Ausbruch 1952–1953 in Tanganyika (Tansania) beschrieben und später als Virus identifiziert [9]. CHIKV zirkuliert in zwei Übertragungszyklen:
1.
Durch Aedes-Mücken im enzootischen Kreislauf sylvatischer Regionen der Subsahara zwischen nichthumanen Primaten und anderen Wirbeltieren
2.
Im urbanen Kreislauf durch die Aedes-Spezies A. aegypti und A. albopictus, die hoch anthropophil sind [2]
CHIKV-Infektionen treten in Afrika, Asien, der Karibik, sowie Zentral- und Südamerika auf [3]. In Europa konnten lokale Ausbrüche von CHIKV-Infektionen in Italien (2007 und 2017) nachgewiesen werden [8]. Nach einer Inkubationszeit von drei bis sieben Tagen (Spanne von zwei bis zwölf Tagen) kann der Verlauf in drei klinische Stadien aufgeteilt werden:
1.
Die akut febrile, virämische Phase (bis zum 21. Tag)
2.
Die postakute Phase bis zum Ende des dritten Monats
Da eine kausale antivirale Therapie bei CHIKV-Infektionen aktuell nicht existiert, orientiert sich die Behandlung an den klinischen Stadien:
Anzeige
In der Akutphase symptomatische Therapie (Analgetika nach WHO-Stufenschema). Glukokortikoide werden in der akuten Phase der Infektion nur nach kritischer Nutzen-Risiko-Abwägung empfohlen [5]. Eine Verbesserung der Gehfähigkeit und der Gelenk- und Weichteilschwellung im Vergleich zur Kontrollgruppe (NSAR-Monotherapie) konnte mit Ribavirin gezeigt werden [7].
In der postakuten Phase werden Glukokortikoide bei florider Arthritis eingesetzt (initial 10–20 mg Prednisolonäquivalent/Tag oral). Dosis und Therapiedauer sollten so niedrig wie möglich gewählt werden. In refraktären Fällen wird eine Therapie mit Methotrexat (MTX, 10–25 mg pro Woche) empfohlen [5]. Alternativ kann Sulfasalazin, ggf. in Kombination mit MTX, verabreicht werden. Eine große Zahl der Betroffenen (ca. 14–33 %) litt teils noch Monate nach der Infektion an einer Arthritis. Daher sollte eine strukturierte und zielorientierte Therapie nicht zu spät im Krankheitsverlauf indiziert werden (z. B. nach der akuten Phase und persistierenden Beschwerden).
Inzwischen steht auch eine Impfung gegen CHIKV zur Verfügung (die Zulassung in den USA ist erfolgt, für den europäischen Raum wird diese von der EMA empfohlen). Weitere Impfstoffkandidaten befinden sich in der Entwicklung. Daher ist mit einer Verbesserung der Prophylaxe von CHIKV-Infektionen, insbesondere bei Aufenthalt in Risikogebieten, zu rechnen [1, 11].
Fazit für die Praxis
Bei akut auftretenden Arthritiden sollten auch infektiöse Ursachen in Betracht gezogen werden. Infektionsassoziierte Polyarthritiden sind in erster Linie viral bedingt.
Eine detaillierte Anamnese mit möglichen Expositionsszenarien (z. B. vorangegangene Transfusionen von Blutprodukten oder Fernreisen) erleichtert die Einordnung entsprechender Konstellationen wesentlich.
Mit einer zunehmenden Häufigkeit von ursprünglich in wärmeren Regionen vorkommenden Virusinfektionen im europäischen und insbesondere mitteleuropäischen Raum ist durch klimatische Veränderungen zu rechnen.
Anzeige
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Mayer, M. Köhm und M. Wahle geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med Innere Medizin erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Innere Medizin, den Premium-Inhalten der internistischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten internistischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Mit e.Med Allgemeinmedizin erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Premium-Inhalten der allgemeinmedizinischen Zeitschriften, inklusive einer gedruckten Allgemeinmedizin-Zeitschrift Ihrer Wahl.
Der Lp(a)-Wert kann dazu beitragen, bei stabilen Patienten mit neu aufgetretenen Thoraxschmerzen und ohne KHK-Diagnose die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Koronarstenosen abzuschätzen.
Der Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist Finerenon verbessert die Prognose bei Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter oder erhaltener Ejektionsfraktion. Ein Rückgang der eGFR zu Beginn der Therapie scheint diese Wirkung nicht wesentlich zu mindern.
Werden bei erstgradigen Verwandten gutartige Darmpolypen identifiziert, ist das Risiko, selbst an einem Kolorektalkarzinom zu erkranken, deutlich erhöht – vor allem das für eine früh beginnende Erkrankung. Hier könnte sich eine frühe Koloskopie besonders lohnen.
Die Datenlage zur Wirksamkeit von Verbänden oder topischen Mitteln zur Prävention von Druckgeschwüren sei schlecht, so die Verfasser einer aktuellen Cochrane-Studie. Letztlich bleibe es unsicher, ob solche Maßnahmen den Betroffenen nutzen oder schaden.
In diesem CME-Kurs können Sie Ihr Wissen zur EKG-Befundung anhand von zwölf Video-Tutorials auffrischen und 10 CME-Punkte sammeln. Praxisnah, relevant und mit vielen Tipps & Tricks vom Profi.