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Erschienen in: Zeitschrift für Rheumatologie 4/2018

Open Access 08.03.2018 | Leitthema

Rheumatologie in Österreich

verfasst von: ao. Univ. Prof. Dr. M. Schirmer, R. Puchner

Erschienen in: Zeitschrift für Rheumatologie | Ausgabe 4/2018

Hinweise

Redaktion

M. Schneider, Düsseldorf
O. Sander, Düsseldorf

Hintergrund

In Österreich wird die Rheumatologie bisher als eigenes Sonderfach den Fachdisziplinen der „inneren Medizin“, der „Orthopädie und orthopädischen Chirurgie“ sowie der „physikalischen Medizin und allgemeinen Rehabilitation“ zugeordnet. Alle 3 Bereiche hatten eigene Vorlesungen im Bereich der studentischen Ausbildung und eine eigene 3‑jährige Zusatzfachausbildung. In Zukunft wird es entsprechend der neuen Ausbildungsordnung 2015 nur noch ein Sonderfach Rheumatologie für Fachärzte der inneren Medizin geben. Dazu kommt dann die Rheumatologie als Teil der Kinder- und Jugendheilkunde, die für die Patienten vor dem 18. Lebensjahr zuständig ist. Die stationäre Rehabilitation ist in Österreich organisatorisch von der ambulanten Rehabilitation abgekoppelt.

Im Vordergrund: die Patientenversorgung

In Österreich gibt es 215 internistische Rheumatologen (Tab. 1), davon war 2010 bei einer Befragung der Großteil angestellte Spitalsärzte ohne (44 %) oder mit (28 %) einer zusätzlichen privaten Wahlarztpraxis [9]. Nur 13 % der Rheumatologen waren niedergelassene Ärzte mit § 2 Kassenvertrag und direkter Abrechnung durch die Sozialversicherungen, 12 % reine Wahlärzte; 4 % der Befragten waren Pensionisten. Dem stehen je nach Bundesland 24.177 bis 146.020 Menschen pro internistischem Rheumatologen gegenüber (Tab. 2).
Tab. 1
Zahl der bei der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) gemeldeten Ärzte, die in Teil- oder Vollzeit als Rheumatologen arbeiten (Zusatztätigkeiten in anderen Fachbereichen nicht ausgeschlossen)
 
Ö
Bgld
Ktn
Sbg
Stmk
T
Vbg
W
Innere Medizin
215
2
18
34
32
12
23
14
5
77
Orthopädie/orthopädische Chirurgie
65
1
2
10
8
2
3
6
0
33
Physikalische Medizin/Rehabilitation
22
1
1
3
0
5
2
2
0
8
Ö Österreich, Bgld Burgenland, Ktn Kärnten,  Niederösterreich,  Oberösterreich, Sbg Salzburg, Stmk Steiermark, T Tirol, Vbg Vorarlberg, W Wien
Quelle: ÖÄK, Stand 12/2016
Tab. 2
Patientenaufkommen je internistischem Rheumatologen, aufgegliedert nach Bundesland
 
Ö
Bgld
Ktn
Sbg
Stmk
T
Vbg
W
Einwohner (in Tausend)
8765
292
561
1666
1464
549
1237
745
388
1862
Einwohner/Rheumatologen
40.765
146.020
31.177
49.003
45.762
45.727
53.798
53.218
77.625
24.177
Ö Österreich, Bgld Burgenland, Ktn Kärnten,  Niederösterreich,  Oberösterreich, Sbg Salzburg, Stmk Steiermark, T Tirol, Vbg Vorarlberg, W Wien
Quelle: Statistik Austria 9/2017, abgerufen 1/2018
Erste objektive krankheitsbezogene Evaluierungen zur Versorgungsqualität liegen vor: Laut einer Umfrage unter Rheumatologen im Jahr 2012 entsprachen deren diagnostische und therapeutische Entscheidungen zur Gicht in 84 % den EULAR(European League Against Rheumatism)-Empfehlungen [14]. Einer eigenen rezenten retrospektiven Untersuchung zur Therapiekonformität mit Guidelines wurden in diesem Zentrum Patienten mit Morbus Adamantiades-Behçet als seltene rheumatologische Erkrankung zu 94 % zumindest gleichwertig zu den EULAR-Empfehlungen therapiert, die seltene Gabe von TNF(Tumor-Nekrose-Faktor)-Blockern erfolgte zu 100 % in Übereinstimmung mit den internationalen Empfehlungen (unpublizierte Daten). Rezente Daten des österreichischen Biologikaregisters (BioReg) zeigen, dass bereits bei Patienten mit geringerer Krankheitsaktivität eine Biologikatherapie verordnet wird als in den anderen europäischen Ländern, ohne dass ein direkter Vergleich zu den geltenden Guidelines erfolgte [13].
Die von der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) vorgeschlagenen Qualitätsstandards sind leider nicht immer in der Praxis umgesetzt [8]. Einer retrospektiven multizentrischen Analyse zufolge war die Dokumentation vor TNF-Blocker-Gabe nur bei 79,9 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis, bei 64,1 % derer mit Morbus Bechterew und bei 55,2 % derer mit Psoriasisarthritis nachvollziehbar [5].
Die Möglichkeit der Versorgung von schwerkranken Patienten mit entzündlich rheumatologischen Erkrankungen wie Vaskulitiden und Kollagenosen in einem stationären Versorgungssetting gilt neben der ambulanten Versorgung als wichtiger Aufgabenbereich der internistischen Rheumatologie. Dazu bedarf es eines entsprechenden Spezialwissens bei Pflege, Therapeuten und Ärzten, was noch nicht in jedem Bundesland als Zentrum realisiert und auch nicht immer kostendeckend für die Krankenhausträger abgegolten wird [4].
Die Rolle der diplomierten Krankenpflege mit Zusatzschulung in Rheumatologie nimmt in der Betreuung der rheumatologischen Patienten auch in Österreich zu – unterstützt von der ÖGR und entsprechend den internationalen EULAR-Empfehlungen [2] –, und dies könnte bei der zukünftigen Umsetzung der Qualitätsstandards hilfreich sein. Diese Entwicklung könnte auch dazu beitragen, dass einer Unterversorgung von geriatrischen Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises vorgebeugt wird [15].

Zum Bild der Rheumatologie in der Öffentlichkeit

Der Begriff „Rheuma“ ist in der breiten Öffentlichkeit immer noch unklar definiert und mit großer Angst behaftet. Andererseits haben wir heute wie noch nie in der Geschichte der Rheumatologie gute Therapieoptionen nicht nur im orthopädischen Bereich, sondern auch für die entzündlich rheumatologischen Erkrankungen. Dass der Patient gerade beim nichtentzündlichen Rheuma durch konsequente physikalische Maßnahmen oft wesentlich selbst zu seiner Genesung beitragen kann, ist in der Öffentlichkeit vielfach nicht bewusst. Sollte aber tatsächlich eine entzündlich rheumatologische Erkrankung vorliegen, ist auf die vorhandene Angst vor Immunsuppression (sei es „das gefährliche Cortison“ oder „die empfohlene Chemotherapie“) speziell einzugehen, um die Medikationsadhärenz zu verbessern [3].
Für all dies, besonders auch für eine frühzeitige Diagnose und Behandlung [11], bedarf es eines funktionierenden Schnittstellenmanagements zwischen Hausärzten und Rheumatologen. Ein diesbezügliches Konzept unter Einbeziehung von mehr als 4000 österreichischen Allgemeinmedizinern und Rheumatologen wurde in den letzten Jahren erarbeitet [10].
Hervorzuheben ist, dass die ÖGR seit Langem auch die Interessen der Patienten unterstützt – sowohl im Sinne von Informationskampagnen als auch durch aktive Kooperation mit den Selbsthilfegruppen [7].

Zur Lehre und postpromotionellen Ärzteausbildung

In der studentischen Lehre und Ärzteausbildung wird die Rheumatologie in Österreich unterschiedlich gelebt, eine vergleichende Studie zwischen den Universitäten liegt nicht vor. An den medizinischen Universitäten Wien und Graz liegen klare universitäre Organisationsstrukturen für die internistische Rheumatologie vor.
Für die zukünftige Facharztausbildung im Sonderfach der internistischen Rheumatologie bedarf es dann an 9 Monate Basisausbildung, 27 Monate im Sonderfach Innere Medizin und 36 Monate Schwerpunktausbildung im Sonderfach Rheumatologie. Bis zu 12 Monate der Ausbildung können im niedergelassenen Bereich in entsprechend qualifizierten rheumatologischen Lehrpraxen absolviert werden.
Im für die postpromotionelle Ausbildung zuständigen Krankenhausbereich sind nur wenige Ausbildungsstellen für Rheumatologie an entsprechenden Zentren vorhanden. Zudem wäre eine Grundausbildung in Rheumatologie für alle angehenden Allgemeinmediziner wünschenswert. Insbesondere klare Zuweisungsstrategien für Patienten mit rheumatologischen Beschwerden an Spezialisten sind notwendig für die allgemeinmedizinische Tätigkeit [10].
Die Strukturqualität rheumatologischer Abteilungen wurde v. a. auch im Hinblick auf die Ausbildung von der ÖGR definiert [8]. Die Ausbildung zum Rheumatologen wird in der neuen Ausbildungsverordnung gut strukturiert, aber noch nicht überall voll umgesetzt. Die darin enthaltene Ausbildung im rheumatologischen Ultraschall wird seit nunmehr 10 Jahren auch in Österreich angeboten und wurden die Empfehlungen der ÖGR zu dieser Ausbildung in rheumatologischem Ultraschall auch publiziert [1]. Nach Absprache mit der ÖGR sind im neuen Rasterzeugnis für das Sonderfach 300 Ultraschalluntersuchungen an Bewegungsapparat, Gefäßen und Weichgeweben zwecks Diagnostik und ultraschallgezielter Intervention notwendig. Andere Untersuchungstechniken wie 50 mikroskopische Untersuchungen der Synovialflüssigkeit und 50 Kapillarmikroskopien werden ebenfalls für die Ausbildung zum Rheumatologen gefordert.
Zur Spezialausbildung in internistischer Rheumatologie gehört auch die Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen, die eine rheumatologische Beteiligung haben: Nachdem diese in kleineren Einheiten selten vorkommen, kommt der Rotation von Ärzten an ausgewiesene rheumatologische Zentren während der Spezialausbildung eine besondere Rolle zu.

Zur Finanzierung der Rheumaversorgung

Im Bereich der Patientenversorgung werden die unterschiedlichen Finanzierungsmodelle der ambulanten und der stationären Versorgung relevant – es gibt 22 Versicherungsträger, 15 Krankenkassen und 7 Versicherungsanstalten, zuständig für die Verhandlungen sind die Gremien der regionalen Ärztekammern. Die Fachgesellschaften haben bei den Abrechnungsverhandlungen nur einen beratenden Charakter. Auch wenn die internistische Rheumatologie oft als rein ambulantes Fach angesehen wird, gibt es nur wenige, in manchen Bundesländern gar keine niedergelassenen internistischen Rheumatologen mit direkter Abrechnung zur Sozialversicherung (§ 2 Kassenvertrag) und somit kostenfreiem Zugang für die Mehrheit der Bevölkerung. Die Abgeltung der ambulanten Leistungen wie des rheumatologischen Ultraschalls durch die Sozialversicherung erfolgt derzeit noch nicht, obwohl Empfehlungen der nationalen Austrian Radiology-Rheumatology Initiative for Musculoskeletal Ultrasound (ARRIMUS) der ÖGR für den Ultraschall vorliegen [6]. Auch wird z. B. bei Gichtpatienten die Diätberatung durch speziell ausgebildete Diätologen, einem gesetzlich anerkannten Gesundheitsberuf der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (in Österreich geregelt im MTD-Gesetz BGBl. Nr. 460/1992), nicht flächendeckend von der gesetzlichen Sozialversicherung abgegolten, obwohl nach den EULAR-Empfehlungen diätetische Maßnahmen zu empfehlen sind [12]. Hier besteht ein wichtiger Verhandlungsbedarf mit den Versicherungsträgern.

Zusammenfassung

In Zukunft wird die österreichische Rheumatologie auf die internistische Rheumatologie fokussiert. Klare, adäquat finanzierte Strukturen in Ärzteausbildung und Patientenversorgung sind in manchen Teilen Österreichs noch nicht umgesetzt.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

M. Schirmer und R. Puchner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Literatur
8.
Zurück zum Zitat Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (2012) Leitlinien zur Qualitätssicherung in der Rheumatologie und Rehabilitation Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (2012) Leitlinien zur Qualitätssicherung in der Rheumatologie und Rehabilitation
Metadaten
Titel
Rheumatologie in Österreich
verfasst von
ao. Univ. Prof. Dr. M. Schirmer
R. Puchner
Publikationsdatum
08.03.2018
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Zeitschrift für Rheumatologie / Ausgabe 4/2018
Print ISSN: 0340-1855
Elektronische ISSN: 1435-1250
DOI
https://doi.org/10.1007/s00393-018-0430-9

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