Auch bei rheumatoider Arthritis sinnvoll und wirksam

Immunsupprimierte Patient*innen sind trotz hoher Gefährdung durch impfpräventable Infektionskrankheiten häufig nicht geimpft [1]. Das Vorliegen bestimmter chronischer Grunderkrankungen, wie rheumatoide Arthritis, erhöhen das Risiko für Herpes zoster deutlich [2]. Der Herpes-zoster-Totimpfstoff erreichte in einer Langzeitstudie auch nach im Mittel 7,1 Jahren weiterhin eine stabile zelluläre und humorale Immunantwort mit einer Wirksamkeit von 90,9% [3]. Auch immunsupprimierte Patient*innen profitieren von dieser Impfung und können mit dem Totimpfstoff wirksam vor Herpes zoster geschützt werden [4, 5, 6, 7, 8]. In Deutschland erkrankt etwa eine von drei Personen im Laufe ihres Lebens an einer Gürtelrose [9]. Pro Jahr wird die Anzahl der Herpes-zoster-Fälle auf 400.000 geschätzt – davon sind mehr als 300.000 Erkrankte >50 Jahre alt [10]. Herpes zoster ist ein endogenes Rezidiv einer früheren Varizellen-Infektion, hervorgerufen durch die Reaktivierung der in den Spinal- und Hirnnervenganglien persistierenden Varizella-zoster-Viren [11]. Als Hautmanifestation tritt ein typisches halbseitiges, umschriebenes Exanthem in einem Dermatom (Gürtelrose) auf. Die häufigste Komplikation ist eine postzosterische Neuralgie, deren Inzidenz wie auch die des Herpes zosters altersabhängig ab dem 50. Lebensjahr deutlich zunimmt. 60–70% der Erkrankten leiden unter andauernden Schmerzen, die mehr als einen Monat persistieren. Bei ca. 20% der >60-Jährigen mit einer postzosterischen Neuralgie halten die neuropathischen Schmerzen länger als ein Jahr an [10]. Weitere Komplikationen sind unter anderem Sehstörungen einschließlich Sehverlust (Zoster ophthalmicus) und Hörverlust sowie ein erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt und Schlaganfall [11]. Mindestens 10% der Erkrankten müssen aufgrund einer Komplikation stationär aufgenommen werden. Ohne eine Impfung gegen Herpes zoster wird aufgrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Anzahl von Personen mit alters-, krankheits- oder therapiebedingten Einschränkungen des Immunsystems in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Herpes-zoster-Erkrankungen gerechnet. Alter, Grunderkrankung und Immunsuppression Die Immunkompetenz nimmt mit dem Alter ab und damit steigt die Infektanfälligkeit und das Erkrankungsrisiko [12]. Zusätzlich erhöhe sich das Risiko für Infektionen bei immunsupprimierten Patient*innen durch die Grunderkrankung selbst sowie durch die immunsuppressive Therapie, erinnerte Prof. Dr. Reinhard Voll, ärztlicher Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Freiburg. Impfungen seien deshalb für immunsupprimierte Patient*innen sehr wichtig, denn Infektionen seien häufige Ursachen für Morbidität und Mortalität bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. So kommt es bei 50% der Patient*innen mit rheumatoider Arthritis innerhalb von 12 Jahren zu einer Hospitalisierung aufgrund einer schweren Infektion [1]. Viren und Bakterien sind zudem für 20% der Todesfälle von Menschen mit systemischem Lupus erythematodes verantwortlich. Neben Weichteil- und Gelenkentzündungen treten bei immunsupprimierten Patient*innen insbesondere Pneumonien und Herpes zoster auf. Impfungen wirken auch unter Immunsuppression Trotz des höheren Risikos für Infektionen und Komplikationen liege die Impfrate bei immunsupprimierten Patient*innen unter dem Durchschnitt, berichtete Voll. Gründe seien vor allem Angst vor einer Schubauslösung und die Annahme, dass Impfungen unter Immunsuppression ohnehin nicht wirken. Werden gewisse Grundsätze beachtet, seien Impfungen unter Immunsuppression hingegen sinnvoll und wirksam, so Voll weiter. Unter Immunsuppression sollen Lebendimpfstoffe wegen der Gefahr einer unkontrollierten Infektion trotz attenuierter Erreger vermieden werden oder allenfalls bei geringer Immunsuppression oder nach Nutzen-Risiko-Abwägung im Einzelfall verimpft werden [1]. Nicht-Lebend-Impfungen seien dagegen gefahrlos möglich, betonte Voll. Alle Impfungen sind laut ↩aktuellen Studien unbedenklich hinsichtlich Schubauslösung und Induktion von Autoimmunkrankheiten [1, 13]. Chemotherapie, Cyclophosphamid, Anti-CD20-Antikörper und Anti-CD52-Antikörperschwächen sowie eine aktive Autoimmunkrankheit schwächen erheblich die Impfantwort. Impfungen sollten während niedriger Krankheitsaktivität und vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie erfolgen. Der Impfzeitpunkt solle bei möglichst geringer immunmodulatorischer oder immunsuppressiver Medikation gewählt werden und bei Remission könne eine kurze Therapiepause erwogen werden, empfahl Voll. Unter diesen genannten Bedingungen sollten immunsupprimierte Personen generell alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen, wie beispielsweise gegen Herpes zoster, erhalten. Auch Dr. Mirko Steinmüller, niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie/Infektiologie, Ehringshausen, wies auf die Wichtigkeit einer Impfung gegen Herpes zoster hin, da das Risiko bei bestimmten Grunderkrankungen erhöht sei. Erwachsene ab 18 Jahren mit Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Depressionen oder rheumatoider Arthritis haben unabhängig vom Alter ein um 30% höheres Erkrankungsrisiko für Herpes zoster [2]. Bei Patient*innen mit rheumatoider Arthritis besteht dabei das höchste Risiko, das über alle Altersgruppen um 37–57% erhöht ist [14]. Bei knapp 10% der Erwachsenen mit und ohne Grunderkrankung tritt innerhalb von 10 Jahren mindestens ein Herpes-zoster-Rezidiv auf, die durchschnittliche Dauer zwischen der Erkrankung und dem ersten Rezidiv beträgt 4,7 Jahre [2]. Trotz dieser Gefährdung gebe es große Impflücken auch bei immunsupprimierten Patient*innen, so Steinmüller. Totimpfstoff gegen Herpes zoster Der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Totimpfstoff gegen Herpes zoster ist in der 10er- und 1-er Packung verfügbar. Für Patient*innen ≥50 Jahre mit Grunderkrankung oder für alle Patient*innen ≥60 Jahre kann der Totimpfstoff über den Sprechstundenbedarf bezogen werden. Infomaterialien für Ihre Patient*innen sind kostenfrei unter Tel.:0800-1223355 oder unter www.gsk-kontakt.de/orderforms/shingrix/ zu bestellen. Langzeitschutz mit Herpes-zoster-Totimpfstoff Der rekombinante, adjuvantierte Totimpfstoff gegen Herpes zoster (Shingrix1) ist zugelassen für Personen ≥18 Jahre mit erhöhtem Risiko für eine Herpes-zoster-Erkrankung sowie für alle Personen ≥50 Jahre [15]. Eine Impfung wird von der STIKO für alle Personen ≥60 Jahre als Standardimpfung empfohlen [16]. Für Personen ≥50 Jahre mit erhöhtem Erkrankungsrisiko infolge einer Grunderkrankung ist eine Indikationsimpfung empfohlen. Für eine bestmögliche Impfantwort sei die zweite Dosis nach mindestens 2 bis maximal 6 Monaten essentiell [16]. Mittlerweile liegt eine Zwischenauswertung der auf 12 Jahre angelegten Langzeitstudie Zoster-049 vor, die eine Wirksamkeit des Herpes-zoster-Totimpfstoffs von 90,9% nach im Mittel 7,1 Jahren belegt (Abb. 1) [3]. Für die Jahre 5,1 bis 7,1 nach der Impfung zeigte die Analyse eine Wirksamkeit von 84,0% – damit liegt die ermittelte Wirksamkeit seit bereits drei Jahren stabil bei 84,0%. Die aktuelle Zwischenauswertung umfasst die Daten von 7.277 Personen der ursprünglichen vier Jahre laufenden Zulassungsstudien ZOE-50 und ZOE-70. In Zoster-049 wurden nur Personen eingeschlossen, die beide empfohlenen Impfdosen erhalten hatten. Nach wie vor waren keine Todesfälle oder schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse aufgetreten, die im kausalen Zusammenhang mit der Impfung standen. Die zelluläre und humorale Immunantwort lag im bisherigen Verlauf der Langzeitstudie auf einem stabilen und hohen Niveau. Der geometrische Mittelwert der Antikörperkonzentration und die Anzahl der CD4+-Zellen stabilisierten sich auf einem sechsfach höheren Niveau im Vergleich zum Ausgangswert vor der Impfung. Abb. 1 Studien ZOE-50, ZOE-70 und Zoster-049: Wirksamkeit des Totimpfstoffs gegen Herpes zoster über 7 Jahre; modifiziert nach [3] Springer Medizin Verlag GmbH × Auch bei immunsupprimierten Patient*innen erziele der Herpes-zoster-Impfstoff einen hohen Schutz, betonte Steinmüller. Bei Patient*innen nach einer autologen Stammzelltransplantation betrug die Wirksamkeit 68,2% [4]. Bei Patient*innen mit hämatologischen Malignomen ergab die Post-hoc-Analyse einer modifizierten geimpften Gesamtkohorte eine Wirksamkeit von 87,2% [5]. Eine gute Immunogenität zeigte sich auch bei Patient*innen mit Infektion des humanen Immundefizienz-Virus [6], nach Nierentransplantation [7] und unter Chemotherapie bei soliden Tumoren [8]. Gute Kombinierbarkeit In Deutschland seien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die Durchimpfungsraten bei Erwachsenen relativ schlecht, bezog sich Steinmüller auf die Daten des Robert Koch-Instituts [17]. Es müsse deshalb jede Chance genutzt werden, um die Präventionslücken in der Gesamtbevölkerung und insbesondere bei immunsupprimierten Patient*innen zu schließen. Steinmüller verwies auf die COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2)- und die Influenza-Impfungen, die eine gute Gelegenheit seien, nach Überprüfen der Impfpässe Impflücken zu schließen. Eine Koadministration des Herpes-zoster-Totimpfstoffs ist möglich mit den herkömmlichen tetravalenten Influenzaimpfstoffen, dem 23-valenten Pneumokokkenimpfstoff und den TdaP-Impfstoffen gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis (beispielsweise Boostrix1) (Tabelle 1) [15]. Das Impfschema kann flexibel mit dem COVID-Impfschema kombiniert werden: Bei dem Impfschema des empfohlenen Herpes-zoster-Totimpfstoffs müssen laut STIKO keine Impfabstände zu COVID-19-Impfstoffen berücksichtigt werden [19]. Tabelle 1 Koadministration: Herpes-zoster-Totimpfstoff mit anderen Impfstoffen Impfstoff Koadministration (konventionelle) tetravalente Influenzaimpfstoffe keine Einschränkung der Immunantwort 23-valenter Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff keine Einschränkung der Immunantwort, häufiger Fieber und Schüttelfrost TdaP-Impfstoffe keine Einschränkung der Immunantwort, allerdings niedrigere GMC bei Pertactin 13-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff klinische Studien abgeschlossen, zurzeit in Auswertung GMC=geometrischer Mittelwert der Antikörperkonzentration, TdaP=Tetanus, Diphtherie, Pertussis; modifiziert nach [15, 18] 1Shingrix und Boostrix sind eingetragene Marken der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG. Literatur Wagner N et al., Bundesgesundheitsbl 2019, 62:494–515 Batram M et al., Dermatol Ther (Heidelb) 2021, 11:1009–1026 Boutry C et al., Clin Infect Dis 2021, ciab629; Online ahead of print Bastidas A et al., JAMA 2019, 322:123–133 Dagnew AF et al., Lancet Infect Dis 2019, 19:988–1000 Berkowitz EM et al., J Infect Dis 2015, 211:1279–1287 Vink P et al., Clin Infect Dis 2020, 70:181–190 Vink P et al., Cancer 2019, 125:1301–1312 Hillebrand K et al., J Infect 2015, 70:178–186 Ultsch B et al., Eur J Health Econ 2013, 14:1015–1026 Gross GE et al., GMS Infect Dis 2020, 8:Doc01 Simon K et al., Proc R Soc B 2015, 282:20143085 Doran MF et al., Arthritis Rheum 2002, 46:2287–2293 Hastie A et al., IDWeek 2020 (virtual); https://idweek.org Fachinformation Shingrix, aktueller Stand Robert Koch-Institut, Epid Bull 34/2021 Robert Koch-Institut, Epid Bull 47/2020 Data on file;https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03439657?term=pcv13&cond=Shingles&draw=2&rank=1 Robert Koch-Institut, Epid Bull 39/2021 Impressum „Impfungen unter Immunsuppression am Beispiel von Herpes zoster“ Symposium anlässlich des virtuellen 49. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V., 17. September 2021 Bericht: Andrea Warpakowski, Itzstedt Artikel gedruckt in „Zeitschrift für Rheumatologie“, Band 80, Heft 10, Dezember 2021 Mit freundlicher Unterstützung der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Katharina Finis Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. 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