Risikofaktor: Krebsdiagnose nach Aufnahme in die Notfallambulanz

In manchen westlichen Industrieländern beziehungsweise Regionen ist die Überlebenswahrscheinlichkeit von Krebspatienten geringer als in anderen. Offenbar gibt es einen Zusammenhang zur Häufigkeit von Krebsdiagnosen nach Einlieferung in eine Notaufnahme. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bei einigen Krebspatienten wird die Diagnose nach einem Besuch in der Notaufnahme gestellt, etwa weil die Krankheit schnell fortschreitet – mit wenigen oder gar keinen Prodromalsymptomen – oder weil Komplikationen wie Blutungen oder gastrointestinale Obstruktionen auftreten. Unterschiede im Anteil dieser Patienten könnten teilweise die unterschiedlichen Überlebensraten in den einzelnen Ländern beziehungsweise innerhalb der Länder zwischen verschiedenen Provinzen oder Bundesstaaten erklären. Ein internationales Team von Forschenden um Sean McPhail vom National Disease Registration Service, NHS Digital aus Leeds in Großbritannien machte sich deshalb daran, Krebsdiagnosen nach einer Einlieferung in die Notfallambulanz zu analysieren. Dabei wurden insgesamt 14 Regionen in Dänemark, Norwegen, Großbritannien, USA, Kanada und Australien untersucht. Die Daten bezogen sich auf Patienten im Alter von 15 bis 99 Jahren mit einer Primärdiagnose von acht Krebsarten: Ösophagus-, Magen-, Kolon-, Rektum-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen-, Lungen- und Eierstockkrebs. Die rund 850.000 Patientinnen und Patienten erhielten ihre Diagnose innerhalb von 30 Tagen nach dem Besuch einer Notfalleinrichtung. Einlieferung mit Pankreaskarzinom besonders häufig Insgesamt lag der Anteil an Krebspatienten, die ihre Diagnose nach einem Aufenthalt in der Notaufnahme erhielten, in den 14 unterschiedlichen Regionen zwischen 24,0% und 42,5%. Bei den acht verschiedenen Krebsarten stellte sich ein großer regionaler Unterschied dar. Die Diagnose Pankreaskarzinom wies mit 46,1% den höchsten Prozentsatz an Notfalleinlieferungen auf, wobei die Spanne in den unterschiedlichen Regionen von 34,1% bis 60,4% reichte. Das Rektumkarzinom hingegen verzeichnete mit 12,1% die niedrigste Gesamtrate, mit Werten zwischen 9,1% und 19,8%. Empfehlung der Redaktion Pankreaskarzinom – Themenseite Das Pankreaskarzinom stellt noch immer eine große therapeutische Herausforderung dar. Aktuelle Fachinformationen zur Diagnose, Therapie und zum Management von Pankreaskrebs, sowie CME-Kurse und Fachliteratur finden Sie auf der Themenseite. In allen Regionen waren ein höheres Alter (d.h. 75–84 Jahre und 85 Jahre oder älter im Vergleich zu jüngeren Patienten) und ein fortgeschrittenes Stadium bei der Diagnose (im Vergleich zu einem wenig fortgeschrittenen Stadium) stets mit einem erhöhten Risiko für Notfalleinweisungen verbunden. Auswirkung auf die Prognose der Patienten Die Forschenden bildeten aus den 14 Regionen und acht Krebsarten insgesamt 112 Region-Krebsart-Paare. Bei allen 112 Paarungen waren Tumoren, die nach der Einlieferung in die Notaufnahme diagnostiziert wurden, stark mit einem höheren 12-Monats-Mortalitätsrisiko verbunden (90% und höher) als Diagnosen, die nicht in einer Notaufnahme oder kurz danach gestellt wurden. „Einlieferungen von Krebspatienten in die Notaufnahme kommen häufig vor, haben negative prognostische Auswirkungen und tragen wahrscheinlich zu den Unterschieden bei den Überlebensraten innerhalb verschiedener Länder und Regionen bei“, fassen Sean McPhail und Kollegen ihre Ergebnisse zusammen. Es müsse quantifiziert werden, inwieweit Faktoren auf Seiten der Patienten und der Gesundheitsversorgung, die mit dem Risiko einer Aufnahme in die Notfallambulanz verbunden sind, zwischen den verschiedenen Regionen variieren. Dazu gehören etwa regionale Unterschiede wie ein schwieriger Zugang zur primären Versorgung oder zu Fachärzten, die dazu führen, dass die Patienten in der Notaufnahme aufschlagen. Aber auch die Wahrnehmung und das Verständnis der Öffentlichkeit für mögliche Krebssymptome, die durch Kampagnen geschärft werden können, und das Vorhandensein beziehungsweise die Inanspruchnahme von Krebsvorsorgeprogrammen (insbesondere für das Kolonkarzinom) senken die Rate an Notfällen. Nach Meinung der Studienautoren könnte der Status „Vorstellung in der Notaufnahme“ in die routinemäßige Krebsüberwachung als wichtiger Prognosefaktor einbezogen werden, um die Fortschritte bei der Krebsbekämpfung zu überwachen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Hat die Tatsache, dass Krebspatienten ihre Diagnose innerhalb von 30 Tagen nach Einlieferung in die Notaufnahme erhalten, Einfluss auf die Prognose? Antwort: Bestimmte Krebsarten, ein höheres Alter und ein fortgeschrittenes Stadium bei der Diagnose sind durchweg mit einem erhöhten Risiko für die Einlieferung in die Notaufnahme verbunden. Diese Krebspatienten haben eine deutlich schlechtere Prognose, was voraussichtlich zu den internationalen und regionalen Unterschieden in der Überlebensrate beiträgt. Bedeutung: Die Überwachung von Notfällen und die Ermittlung beziehungsweise Optimierung von Faktoren, die das Verhalten von Patienten sowie die Gesundheitsfürsorge beeinflussen, sollten Priorität bei der Krebsbekämpfung haben. Einschränkung: Die analysierten Daten unterlagen zum Teil einem Bias, da sie aus unterschiedlichen Quellen stammten.

Springer Medizin

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