Spezifisches Training macht Kreuzschmerzkranke beweglicher

Schmerzhafte durch schmerzfreie Bewegungen substituieren – dies verbessert die Alltagsfunktion bei Kreuzschmerz stärker als ein reines Kraft- und Bewegungstraining. Der Nutzen zeigt sich noch nach einem Jahr. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bewegung ist gut und wichtig gegen lumbosakrale Rückenschmerzen, doch welche Art der Bewegung am ehesten hilft, ist noch unklar. Ein Ansatz zielt darauf, sämtliche Muskeln und Gelenke zu stärken, die an Bewegungen der Wirbelsäule beteiligt sind. Ein solches Kraft- und Flexibilitätstraining erzielte in Studien durchaus Erfolge, Schmerzforscher und Physiotherapeuten um Dr. Linda van Dillen sind jedoch davon überzeugt, dass sich mit einem patientenspezifischen Training noch mehr erreichen lässt. In einer Vergleichsstudie mit Kreuzschmerzpatienten konnte ein patientenspezifisches motorisches Training (PMT), das Alternativen zu schmerzhaften Bewegungen übt, die Alltagsfunktion weitaus stärker verbessern als das übliche Kraft- und Flexibilitätstraining (KFT). Alternative Bewegungsabläufe trainiert Den Teilnehmern mit PMT wurde beigebracht, schmerzhafte Bewegungen durch weniger schmerzhafte zu ersetzen, um ihre funktionellen Einschränkungen zu beheben. Die Therapeuten schauten also zunächst, welche Funktionen aufgrund der Schmerzen nicht oder kaum noch möglich waren, und entwarfen dann ein personalisiertes Trainingsprogramm, um diese durch alternative Bewegungen wieder zu ermöglichen. Die Teilnehmer lernten etwa, ihre Wirbelsäulenbewegungen zu reduzieren, stattdessen ihre Gelenke, etwa die Hüften, mehr zu benutzen und die richtigen Muskeln zu beanspruchen. Wer sich nicht mehr bücken kann, um etwas aufzuheben, geht vielleicht besser in die Hocke. Das Training fokussiert also vor allem auf die motorischen Probleme und Einschränkungen, welche die Patienten aufgrund ihrer Schmerzen entwickelt haben. Die Ein- und Ausschlusskriterien für die Studienteilnahme waren recht strikt. Die Patienten mussten seit über einem Jahr chronische lumbosakrale Schmerzen haben und mindestens drei schmerzbedingte Funktionseinschränkungen aufweisen, sie durften keine strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule haben, nicht an Osteoporose oder Rheuma leiden oder definierte Wirbel- und Bandscheibenschäden zeigen. Auch Patienten mit Adipositas, Krebs und peripher-neurologischen Erkrankungen wurden ausgeschlossen. Von knapp 1600 gescreenten Patienten wurden daher nur 154 aufgenommen. Die Hälfte erhielt sechs Wochen lang eine Stunde pro Woche das PMT durch einen erfahrenen Therapeuten, die übrigen das KFT. Alle sollten das Training zu Hause weiterführen. Zudem bekam die Hälfte der Patienten in jeder Gruppe nach sechs Monaten drei Auffrischsitzungen. Die Teilnehmer waren im Schnitt 43 Jahre alt und zu 61% Frauen, zwei Drittel hatten einen Ganztagsjob. Die meisten entwickelten Schmerzen bei Rotations- und Extensionsbewegungen der Wirbelsäule, die Probleme bestanden im Schnitt seit sieben Jahren. 60% nahmen OTC-Präparate gegen die Schmerzen, 19% auch verschreibungspflichtige Arzneien. Hohe Effektstärken Für den primären Endpunkt bestimmten die Forscher um van Dillen den Wert auf dem „modifield Oswestry Disability Questionnaire (MODQ)“. Er gibt den Grad der funktionellen Einschränkung in Prozent wieder, zu Beginn lag er in beiden Gruppe bei etwa 32%. Im Lauf der sechs Therapiewochen sank der Wert mit dem PMT auf 13%, mit dem KFT auf 21%, eine signifikante Differenz von 7,9 Prozentpunkten. Nach einem halben Jahr erreichten die Betroffenen jeweils 12% und 18%, nach einem Jahr 11% und 17%. Das PMT scheint also auch längerfristig wirksam und dem KFT überlegen zu sein. Die Effektstärke des PMT gegenüber dem KFT wurde nach sechs Wochen als stark (SMD = 0,85), nach einem Jahr noch als moderat (SMD = 0,56) beurteilt. Auf einer numerischen Schmerzskala gingen die Werte mit dem PMT ebenfalls stärker zurück als mit dem KFT – dies betraf sowohl die durchschnittlichen Schmerzen als auch die Schmerzspitzen. Der Schmerzmittelgebrauch war nach sechs Wochen mit der PMT mehr als halbiert, mit der KFT nur um ein Drittel zurückgegangen, nach einem Jahr nahm in jeder Gruppe noch etwa ein Drittel Schmerzmittel, zu Beginn waren es jeweils zwei Drittel. Rückenschmerzbedingte Fehltage und die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems gingen in beiden Gruppen drastisch zurück, hier waren beide Trainingsansätze ähnlich erfolgreich. Insgesamt habe der patientenspezifische und funktionsorientierte Ansatz aber stärkere Kurz- und Langzeiteffekte erzielt, schreiben die Therapeuten um van Dillen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was wirkt besser gegen die funktionellen Einschränkungen bei chronischem Kreuzschmerz – ein allgemeines Kraft- und Flexibilitätstraining oder ein patientenspezifisches motorisches Training? Antwort: In einer kontrollierten Vergleichsstudie konnte das patientenspezifische Training die funktionellen Einschränkungen stärker lindern. Bedeutung: Möglicherweise ist ein funktionsorientiertes Training bei chronischem Kreuzschmerz die bessere Wahl. Einschränkung: Kleine Studie, stark selektierte Patienten.

Springer Medizin

Spezifisches Training macht Kreuzschmerzkranke beweglicher

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