An der Kasse ist der Schmerz am stärksten

Nach Ergebnissen einer Befragung in französischen Ikea-Filialen leidet die Hälfte der Mitarbeiter unter chronischen Schmerzen – ein Drittel unter moderat bis schweren. Betroffen sind vor allem Mitarbeiter an der Kasse, Adipöse, Gestresste, Ängstliche und Depressive. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Umfragen zu chronischen Schmerzen gibt es mittlerweile viele, meist lag die Prävalenz dabei zwischen 30% und 50% – je nach Zielgruppe und Schmerzdefinition. Schmerzmediziner um Dr. Nicolas Kerckhove von der Universität Clermont-Ferrand in Frankreich warten nun mit einer aktuellen Umfrage sowie einer Besonderheit auf: Befragt wurden ausschließlich Mitarbeiter in 14 französischen Filialen des Möbelhändlers Ikea, und dies möglichst repräsentativ – die Befragten sollten also die unterschiedlichen Jobs und Mitarbeitergruppen bei dem Unternehmen widerspiegeln. Ikea warb in mehreren Runden für die Teilnahme, bis sich genug Mitarbeiter für eine repräsentative Stichprobe gemeldet hatten. Der Möbelhändler erhofft sich davon, Problemfelder für künftige Präventionsstrategien zu erkennen, schreiben die Mediziner. Für ihre Analyse konnten die Schmerzmediziner 1008 Freiwillige finden – das entspricht rund einem Drittel der Beschäftigten. 56% waren Frauen, ein Drittel arbeitete im Verkauf, jeweils rund ein Siebtel an der Kasse, in der Logistik und der Verwaltung. Drei von vier Mitarbeitern waren von repetitiven körperlichen Bewegungen und Haltungen betroffen, etwa Lastentransport, Bildschirmarbeit, ständiges Stehen oder Sitzen. Das Arbeitsstressniveau wurde auf einer 10-Punkte-Skala im Schnitt mit 5 Punkten beurteilt, der Stress zu Hause war mit knapp 3 Punkten deutlich geringer. Relevante Angststörungen traten den Fragebogenresultaten bei rund 16%, Depressionen bei 6% auf. 11% durch Schmerzen stark beeinträchtigt Die Ergebnisse: 49% gaben an, eine schmerzhafte chronische Erkrankung zu haben. Solche Personen durften weitere Fragebögen zur Art und Intensität der Schmerzen ausfüllen. 39% von ihnen nannten leichte Schmerzen (1–3 Punkte auf einer 10-Punkte Analogskala), 48% moderate Schmerzen (4-7 Punkte über mindestens drei Monate), die übrigen 13% starke Schmerzen (8–10 Punkte). Über alle befragten Teilnehmer hinweg nannte rund ein Drittel moderate oder starke Schmerzen, und 11% gaben eine starke Beeinträchtigung durch solche Schmerzen an. Betroffen waren vor allem ältere Mitarbeiter – von den über 50-Jährigen nannten 45% moderate oder starke chronische Schmerzen – aber auch Frauen, Adipöse, solche mit repetitiven Tätigkeiten, wenigen freien Tagen am Stück und solche mit viel Stress bei der Arbeite oder daheim. Am deutlichsten war der Zusammenhang mit Ängsten und Depressionen: Fast 60% der Mitarbeiter, die hiervon betroffen waren, hatten auch moderate bis starke chronische Schmerzen. Am wenigsten betroffen waren Mitarbeiter im Verkauf und in der Verwaltung – Letztere gaben zu 21% ernste chronische Schmerzen an, Mitarbeiter an der Kasse zu 38%. Nicht nur der Rücken schmerzt Rund 80% der Patienten nannten nozizeptive Schmerzen, also solche, die auf Gewebeschäden zurückzuführen sind, 20% vermuteten Schmerzen mit neuropathischer Beteiligung. Besonders häufig schmerzten Rücken, Nacken, Handgelenke und Füße. Etwa 80% der Betroffenen waren davon überzeugt, dass ihre Schmerzen durch ihre berufliche Tätigkeit entstanden sind oder dadurch verstärkt wurden. Die Hälfte der Mitarbeiter mit chronischen Schmerzen gab an, deswegen mindestens einmal in den vergangenen sechs Monate die Arbeit unterbrochen zu haben. Interessant sind auch die Profile der Mitarbeiter ohne Schmerzen: Diese waren zumeist jung und hatten weder Übergewicht noch beruflich oder privat viel Stress, ebenso wenig Angststörungen und Depressionen, zudem konnten sie sich in der Regel mehrere Tage am Stück freinehmen. Zu beachten bei Studien mit freiwilliger Teilnahme ist jedoch, dass sich vor allem Betroffene melden. Die Prävalenz von chronischen Schmerzen unter sämtlichen Beschäftigten könnte also deutlich geringer sein als unter den Befragten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig sind chronische Schmerzen bei Ikea-Beschäftigten in Frankreich? Antwort: Nach einer repräsentativen Befragung hat etwa die Hälfte der Mitarbeiter chronische Schmerzen, ein Drittel moderate bis intensive. Bedeutung: Monotone Tätigkeiten, Ängste, Depressionen, Stress, Adipositas und höheres Alter gehen mit chronischen Schmerzen bei der Arbeit einher. Einschränkung: Teilnahme-Bias möglich: Vielleicht haben vor allem Patienten mit Schmerzen teilgenommen, das könnte die Prävalenzangaben verzerrt haben.

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