Erschienen in:
04.07.2022 | Rückenschmerzen | Originalien
Zweitmeinung vor Operationen an der Wirbelsäule
Selten bestätigt, aber alternative Therapieangebote sind sinnvoll
verfasst von:
Dr. Gabriele Lindena, Karen Bienek, Ulf Marnitz, Björn von Pickardt
Erschienen in:
Der Schmerz
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Ausgabe 3/2023
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Zusammenfassung
Hintergrund
Für Operationen an der Wirbelsäule (ROP) galt bisher noch nicht das gesetzliche Recht auf Zweitmeinung. Trotzdem bietet die AOK Nordost ihren Versicherten eine Zweitmeinung an, die auch Empfehlungen zu ergänzenden Therapieangeboten (TP) außerhalb der Regelversorgung (RV) enthält.
Fragestellung
Welche Therapieempfehlungen erhielten 522 Patienten in einem interdisziplinären multimodalen Assessment als Zweitmeinung von 4 Teams aus Arzt, Physio- und Psychotherapeut (IMA) und wie ging es den Patienten im Langzeitverlauf?
Methode
Zweitmeinung über einen Selektivvertrag mit deskriptiver Evaluation von patientenbezogener Anamnese und interdisziplinär-multimodaler Befunddokumentation inkl. Therapieempfehlungen (IMA) sowie telefonischer Nachbefragung nach etwa 2 Jahren.
Ergebnisse
Zunächst erhielten nur 15/522 (2,9 %) Patienten eine OP-Bestätigung (B-ROP) gegenüber 507 Patienten ohne. B‑ROP-Patienten waren häufiger älter, männlich, hatten aktuell starke Schmerzen, Wohlbefinden und Lebensqualität waren häufiger auffällig beeinträchtigt, der morphologische Befund war aus Sicht des Teams ausgeprägt. Die Empfehlung zu TP gegenüber RV erfolgte bei jüngeren, weiblichen Patienten mit höherem Schweregrad, weniger Voroperationen, aber mehr vorweg besuchten Fachrichtungen. Nach 2 Jahren wurden alle 15 Patienten mit OP-Empfehlung und 146 weitere zufällig ausgewählte Patienten telefonisch nachbefragt. 29 von diesen 161 (18 %) Patienten waren zwischenzeitlich operiert. Den nichtoperierten TP-Patienten ging es im Langzeitverlauf am besten, gefolgt von B‑ROP mit OP und RV-Patienten ohne OP.
Diskussion
Parallel zu dem Projekt fanden in Deutschland sehr viele ROP statt. Patienten entscheiden sich häufig für eine Operation an der Wirbelsäule ohne eine ZM. Häufiger als in Vergleichsstudien ließen sich sehr wenige Patienten mit einer eindeutigen Indikation nicht operieren, einige trotz Empfehlung dagegen – nach Prüfung konservativer Therapieoptionen durch ein IMA. Im Langzeitverlauf scheinen rückblickend eine fundierte Beratung = Zweitmeinung und ein intensives konservatives Therapieangebot notwendig und sinnvoll gewesen zu sein.