Skip to main content

16.02.2022 | Rückenschmerzen | Nachrichten

Closed-Loop-System

„Schmerzschrittmacher 2.0“ hilft bei refraktären Rückenschmerzen

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Mit einem weiterentwickelten Schmerzschrittmacher, der mithilfe eines Rückkopplungssystems kontrolliert elektrische Impulse an das Rückenmark abgibt, lassen sich behandlungsresistente Rückenschmerzen möglicherweise effizient und anhaltend lindern. Das Closed-Loop-System schnitt in einer Vergleichsstudie deutlich besser ab als die herkömmliche tonische Stimulation.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Eine vielversprechende Therapieoption bei chronischen Rückenschmerzen, die auf konservative Maßnahmen nicht ansprechen, ist die Rückenmarkstimulation. Dabei werden Elektroden in den Epiduralraum eingesetzt, welche durch Dura mater und Spinalflüssigkeit hindurch elektrische Impulse an Nervenfasern abgeben, die an der Modulation von Schmerzsignalen beteiligt sind. Auf diese Weise lässt sich, wie in Studien nachgewiesen werden konnte, ein analgetischer Effekt erzielen.

Das Problem war bisher jedoch, eine gleichmäßige Stimulation aufrechtzuerhalten, trotz der ständigen Bewegungen der Wirbelsäule, etwa beim Atmen, Husten, Lachen oder beim Wechseln der Körperposition. Durch die Entwicklung eines rückkopplungsgesteuerten Systems hat man dieses Problem offenbar weitgehend in den Griff bekommen.

Schmerzlinderung mit Closed-Loop-System deutlich effektiver

Dr. Nagy Mekhail von der Cleveland Clinic in Ohio und sein Team haben das neuartige Closed-Loop-System in einer doppelblinden randomisierten Studie (Evoke Study) mit der herkömmlichen Stimulation verglichen. In ersten Auswertungen nach drei und zwölf Monaten hatte sich das neue Verfahren bereits als signifikant wirksamer erwiesen. Jetzt hat das Forscherteam Zwei-Jahres-Ergebnisse publiziert. Auch diese fielen signifikant zugunsten des Closed-Loop-Systems aus. Die Schmerzlinderung war deutlich effektiver, offenbar dadurch bedingt, dass die elektrische Aktivierung der entsprechenden Nervenfasern sich über deutlich längere Zeit in einem therapeutischen Fenster bewegte als mit der älteren Methode, bei der es immer wieder zu Über- oder Unterstimulationen kommt. Die Überstimulation kann vom Patienten als unangenehm empfunden werden, die Unterstimulation hat eine unzureichende Wirksamkeit zur Folge.

Insgesamt 113 Patientinnen und Patienten hatten einen Schmerzschrittmacher zur Stimulation des Rückenmarks implantiert bekommen. Dabei handelte es sich in allen Fällen um das gleiche System, nur arbeitete dieses in der Interventionsgruppe im Closed-Loop-Modus (n = 59), in der Vergleichsgruppe dagegen im herkömmlichen, nicht an die Wirbelsäulenbewegungen angepassten Open-Loop-Modus (n = 54).

Bei den Schmerzursachen handelte es sich in beiden Gruppen zu rund 90% um Radikulopathien, bei 57% bzw. 61% war eine Rücken-Op. zuvor fehlgeschlagen. Die Schmerzstärken waren zu Beginn in beiden Gruppen gleich, sie wurden von den Patienten mit 82 mm auf einer 100-mm-Skala angegeben.

Schmerzstärke um fast 70% reduziert

In der Closed-Loop-Gruppe wurde nach zwei Jahren eine Reduktion der Schmerzstärke gegenüber dem Ausgangswert um median 69% erzielt, in der Vergleichsgruppe dagegen um 54%. Dabei hatten in der Interventionsgruppe fast 80% der Patienten eine Schmerzreduktion um mindestens 50% erreicht, in der anderen Gruppe traf dies nur für etwas mehr als die Hälfte zu. Dementsprechend konnte die Closed-Loop-Gruppe ihren Opioidkonsum (angegeben als Morphium-Milligramm-Äquivalent) stärker reduzieren als die Vergleichsgruppe (um 42% gegenüber 25%), wenngleich der Unterschied nicht signifikant war.  

Hohe Therapieadhärenz

Die Therapie hatte sich in beiden Gruppen auch auf subjektive Parameter ausgewirkt: So hatten sich die Werte in Fragebögen zur Stimmung (Profile of Mood States), zur Schlafqualität (Pittsburgh Sleep Quality Index) und zur Lebensqualität insgesamt (European Quality of Life Five-Dimensional Five-Level) signifikant und in klinisch relevantem Maß verbessert. Die Closed-Loop-Gruppe hatte dabei teilweise signifikante Vorteile. In beiden Gruppen war die Therapieadhärenz hoch, was daran gemessen werden konnte, dass die Stimulation meist aktiviert war. Allerdings hatten zwei Teilnehmer der Open-Loop-Gruppe den Schrittmacher vorzeitig entfernen lassen, weil kein Effekt zu spüren war.

Das Team um Mekhail sieht in dem weiterentwickelten System eine „effektive, verlässliche und langfristige Therapieoption gegen chronische Schmerzen, die für die Patienten das Potenzial birgt, die Opioidanwendung nach Bedarf zurückzufahren“.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welchen Vorteil hat ein sogenanntes Closed-Loop-System zur Stimulation des Rückenmarks gegenüber dem herkömmlichen Open-Loop-Verfahren in der Behandlung von therapieresistenten Rückenschmerzen?

Antwort: In einer randomisierten kontrollierten Studie war das Closed-Loop-System bei der Schmerzkontrolle deutlich überlegen.

Bedeutung: Rückenschmerzpatienten, bei denen herkömmliche Behandlungsverfahren inklusive Rückenoperationen fehlgeschlagen sind, haben mit dem weiterentwickelten Schmerzschrittmacher eine möglicherweise langfristig effiziente Therapieoption.

Einschränkung: Beide Patientengruppen hatten das gleiche System (mit bzw. ohne Aktivierung des Closed-Loop-Modus) implantiert bekommen. Im Vergleich zu anderen Open-Loop-Systemen war die Kontrollgruppe daher möglicherweise im Vorteil.

print
DRUCKEN
Literatur

Mekhail N et al. Durability of Clinical and Quality-of-Life Outcomes of Closed-Loop Spinal Cord Stimulation for Chronic Back and Leg Pain. A Secondary Analysis of the Evoke Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol 2022; https://doi.org/10.1001/jamaneurol.2021.4998

Weiterführende Themen

Update AINS

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.