Erschienen in:
01.08.2015 | Leitthema
Säuglingsernährung und Geschmacksprägung
Einfluss früher sensorischer Erfahrungen auf die kindliche Ernährung
verfasst von:
Prof. Dr. M. Kersting, A. Hilbig, S. Disse
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 8/2015
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Zusammenfassung
Das komplexe System des Geschmackssinns ist beim reifen Neugeborenen bereits funktionsfähig. Über die sensorische Variation der Amnionflüssigkeit unter dem Einfluss der mütterlichen Ernährung entsteht beim Fetus eine Vorläuferversion seines späteren sensorischen Umfelds. Postnatal wird die sensorische Mutter-Kind-Dyade über das Stillen fortgeführt. Die Beikost leitet unmittelbar in das familiäre, auch soziokulturell geprägte Ernährungsumfeld über. Säuglinge reagieren auf Geschmacksreize nach dem beim Menschen universellen Muster, indem die Geschmacksqualitäten süß, aber auch salzig und umami präferiert, bitter und sauer abgelehnt werden. Derartige Präferenzen stehen im Widerspruch zu der empfohlenen Kinderernährung. Sie können in möglicherweise sensitiven Zeitfenstern moduliert werden. In der Phase der Beikosteinführung sind Säuglinge offen für neue sensorische Erfahrungen. Lebensmittelvariation und Verwendung tiefgefrorener Gemüsebeikost können die Akzeptanz neuer Lebensmittel erhöhen. Anfängliche Ablehnung unbekannter Lebensmittel lässt sich durch wiederholtes zwangloses Anbieten überwinden. Aus den verfügbaren heterogenen Studien zeichnen sich zwar Hinweise auf eine mögliche Prägung von Lebensmittelpräferenzen durch frühe intensive sensorische Erfahrungen ab. Die Verifizierung durch längerfristige Nachbeobachtungen steht aber noch aus. Vorsichtig interpretiert stützen die derzeitigen Erkenntnisse die allgemein empfohlene variationsreiche Kost für Mutter und Kind von Anfang an auch aus sensorischer Perspektive.