Jeder Siebte überlebt schweres Hirntrauma mit geringen Folgen

Selbst wenn Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma bei der Klinikaufnahme keinerlei Reaktionen mehr zeigen, sollten Ärzte alle Hebel in Bewegung setzen: Wer überlebt, hat später oft nur geringe Einschränkungen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Werden Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) vollkomatös in eine Klinik eingeliefert – also ohne motorische oder verbale Reaktionen –, dann ist die Prognose ausgesprochen schlecht. Das kann dazu führen, dass sich Ärzte bei solchen Patienten weniger ins Zeug legen als bei Traumapatienten mit besseren Aussichten auf Erholung. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass sie durch eine weniger aggressive Therapie eine schlechte Prognose begünstigen. Notfallmediziner um Dr. Farid Sadaka vom Mercy Hospital St Louis haben in den Daten der eigenen Klinik geschaut, wie gut die Prognose bei Patienten mit dem schlechtesten Wert auf der Glasgow-Coma-Skala (GCS) tatsächlich ist und wovon diese abhängt. Mit einer gewissen Überraschung stellten sie fest, dass diejenigen, die ein solches SHT überleben, anschließend relativ wenig funktionelle Probleme haben. Sterblichkeit von 80% Die Ärzte fanden 62 Patienten, die zwischen 2012 und 2016 mit einem GCS-Wert von 3 Punkten in ihre Klinik eingeliefert worden waren. Sie ermittelten anhand der Krankenakten die Prognose mit einem Rechenwerkzeug aus der CRASH-Studie*. Dieses verwendet Alter, Nationalität, GCS-Wert, Pupillenreaktion, CT-Befunde sowie schwere extrakranielle Verletzungen zur Abschätzung der Zwei-Wochen-Sterblichkeit und des funktionellen Ergebnisses nach sechs Monaten. Die Angaben verglichen sie mit dem tatsächlichen Ergebnis. Die Mortalität war wie zu erwarten sehr hoch: 50 Patienten (80%) starben in der Klinik. Jedoch erreichten immerhin neun (15%) der zwölf Überlebenden nach sechs Monaten einen Wert zwischen 4 und 5 auf der Glasgow Outcome Scale (GOS). Solche Patienten zeigen nur mäßige bis geringe Behinderungen, benötigen im Alltag keine Hilfsmittel und sind in der Lage, sich selbstständig zu versorgen. Von den übrigen drei Patienten verblieb einer im Koma, die übrigen beiden trugen schwere Behinderungen davon und konnten nicht mehr ohne fremde Hilfe leben. Letztlich hatten also drei von vier Überlebenden das SHT recht gut überstanden. Schauten sich die Ärzte die entsprechenden CRASH-Werte an, so lag der Prognoserechner zumeist richtig. Für die Mortalität berechneten die Forscher um Sadaka einen AUC-Wert von 0,94 und für die Sechsmonatsprognose von 1,0 – hier konnten mit dem CRASH-Rechner folglich alle Patienten richtig identifiziert werden, die eine gute Prognose hatten. Das Tool sei daher gut geeignet, den Verlauf vorherzusagen. Pupillenreaktion und intrakranieller Druck wegweisend Als besonders aussagekräftig erwies sich der intrakranielle Druck: 50 von 53 Patienten mit schlechtem Ergebnis (GOS 1–3, Tod oder Behinderung) hatten zu Beginn einen erhöhten intrakraniellen Druck, aber keiner der Patienten mit einem guten Verlauf. 60% der Betroffenen mit schlechtem Ergebnis zeigten zudem bei der Klinikaufnahme beidseitig keine Pupillenreaktion mehr, dies war aber nur bei einem Fünftel derjenigen mit günstigem Verlauf der Fall. Empfehlung der Redaktion 2016 | Traumatologie | OriginalPaper | Buchkapitel Schädel- und Hirntraumen Nicht jedes Kopftrauma führt zu andauernden Beschwerden und Funktionsstörungen. Da viele Unfälle entschädigungspflichtig sind, kann die Symptomatik durch nichtmedizinische Faktoren beeinflusst werden. Auch in Untersuchungen anderer Autoren war die Prognose am schlechtesten, wenn die SHT-Patienten beidseitig erweiterte nichtreaktive Pupillen aufwiesen: Die Mortalität wird in der Literatur mit 98–100% angegeben. In der Studie von Sadaka und Mitarbeiter erreichten immerhin knapp 7% der Patienten mit nichtreaktiven Pupillen noch ein gutes Ergebnis. Dies führen sie unter anderem darauf zurück, dass auch Patienten mit einem GCS-Wert von 3 Punkten in ihrer Klinik so aggressiv behandelt werden wie Patienten mit einem weitaus günstigeren Wert. Aufgrund der geringen Fallzahl und des retrospektiven Designs bleibt dies jedoch reine Spekulation. *CRASH: Corticosteroid Randomisation After Significant Head Injury Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut ist die Prognose bei einem GCS-Wert von 3? Antwort: Jeder Siebte hat gute Chancen, ohne größere Einschränkungen zu überleben. Bedeutung: Eine aggressive Therapie lohnt sich, vor allem bei vorhandener Pupillenreaktion und normalem intrakraniellem Druck. Einschränkung: Geringe Fallzahl, retrospektive Untersuchung

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