Psychotherapie lohnt sich bei früher Psychose

Eine kognitive Verhaltenstherapie allein oder in Kombination mit Antipsychotika scheint die Symptome von Jugendlichen mit einer ersten psychotischen Episode deutlich zu lindern. Eine rein medikamentöse Behandlung schnitt in einer Pilotstudie dagegen weniger gut ab. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Beginnt eine Psychose bereits im Jugendalter, ist die Prognose besonders schlecht: Solche Patienten zeigen mehr Rückfälle und müssen häufiger stationär aufgenommen werden als Patienten mit einem Beginn erst im Erwachsenenalter. Zudem ist die Suizidrate unter jungen Menschen mit Psychose deutlich höher als unter solchen mit anderen psychischen Problemen. Schließlich sorgen Patienten mit einer früh beginnenden Psychose für einen erheblichen Teil der Schizophrenie-bedingten medizinischen und ökonomischen Kosten, berichten Psychiater um Professor Anthony Morrison vom Psychose-Forschungsnetzwerk in Prestwich in Großbritannien. Um einen ungünstigen Verlauf zu verhindern, sollten Jugendliche mit einer Psychose möglichst schon in der ersten Episode behandelt werden, wie ist jedoch umstritten – bereits mit Antipsychotika oder reicht eine Psychotherapie? Bislang gibt es dazu kaum randomisiert-kontrollierte Studien (RCT). Diese Lücke würde das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) gerne schließen und hat erst einmal eine Pilotstudie in Auftrag gegeben, um zu schauen, ob eine RCT bei Jugendlichen mit einer ersten Episode überhaupt möglich ist. Dies scheint mit einigen Einschränkungen der Fall zu sein. Die Pilotstudie mit der Bezeichnung MAPS* deutet zudem auf einen Nutzen vor allem der Psychotherapie, weniger einer alleinigen Behandlung mit Antipsychotika. Antipsychotika, Psychotherapie oder beides? An der Studie beteiligten sich 61 Minderjährige an sieben britischen Zentren. Alle hatten innerhalb eines Jahres vor Beginn der Untersuchung eine erste psychotische Episode und waren zum Studienbeginn noch symptomatisch. Ferner verfügten sie entweder über eine ICD-10-Diagnose für eine Schizophrenie, eine schizoaffektive Störung oder eine Wahnstörung, oder sie nahmen an einem Frühinterventionsprogram teil. Jugendliche mit Alkohol- und Drogenproblemen wurden ausgeschlossen, ebenso Patienten mit organisch bedingten Psychosen. Empfehlung der Redaktion Psychotherapie – Themenseite Die Psychotherapie befasst sich mit der Erkennung und Therapie von psychischen oder psychosomatischen Symptomen oder Erkrankungen. Auf unserer Themenseite finden Sie eine reiche Auswahl an psychotherapeutischen Übersichtsarbeiten, Kasuistiken und Nachrichten. Die Patienten wurden auf drei ähnlich große Gruppen verteilt: Eine Gruppe bekam eine reine Antipsychotikatherapie – über Art und Dosis der Medikation entschied der jeweilige Psychiater, in der zweiten Gruppe erhielten die Patienten eine kognitive Verhaltenstherapie (26 Stunden plus vier Booster-Sitzungen), auf Wunsch in Kombination mit einer Familienintervention (bis zu sechs Sitzungen), in der dritten Gruppe wurden Psychotherapie und Antipsychotika kombiniert. Kam es in einer der Gruppen mit Monotherapie zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptome oder zu einer Klinikeinweisung, konnten die Betroffenen eine Kombitherapie erhalten. Primär prüften die Ärzte vor allem, ob sich genug Patienten für eine Studienteilnahme bereit erklären und wie gut jeweils die Adhärenz war. Geplant war die Aufnahme von 90 Patienten, letztlich konnte dieses Ziel zu 68% erreicht werden. Von den Teilnehmern hielten immerhin 84% bis zum geplanten Ende nach sechs Monaten durch. 82% in den Psychotherapiegruppen besuchten mindestens sechs Sitzungen, zwei Drittel in der Antipsychotikagruppe nahmen über mindestens sechs Wochen ihre Medikamente. Höchste Ansprechraten mit Psychotherapie Zu Beginn lag der PANSS-Gesamtscore in den drei Gruppen zwischen 73 und 76 Punkten. Mit Antipsychotika alleine war er nach einem halben Jahr um 6,2 Punkte gesunken, mit der Psychotherapie um 13,1 und mit der Kombitherapie um 13,9 Punkte. Danach scheint die alleinige Antipsychotika-Behandlung wenig effektiv zu sein, und die Kombitherapie ist offenbar nicht wesentlich besser als die alleinige Psychotherapie. Eine Verbesserung um mindestens 25 PANSS-Punkte erreichten rund zwei Drittel in den beiden Gruppen mit Psychotherapie, mit alleiniger Medikation lag der Anteil bei weniger als einem Drittel. Sehr gut auf die Behandlung (Reduktion um mindestens 50 PANSS-Punkte) sprachen knapp ein Viertel mit alleiniger Medikation und knapp ein Drittel mit Psychotherapie an. Ernste unerwünschte Effekte wie Suizidversuche, Klinikeinweisungen, Medikamentenmissbrauch oder Schäden durch Gewalteinwirkungen betrafen 35% der Patienten mit der Kombitherapie, 24% mit alleiniger Psychotherapie und nur 13% mit alleiniger Medikamentenbehandlung. Solche Effekte traten zudem bei vier der fünf Patienten auf, die sich nach der Randomisierung der Behandlung entzogen hatten. Wurden sämtliche unerwünschten Effekte betrachtet, so waren Jugendliche unter Antipsychotika am stärksten betroffen, bei etwa vier von fünf stellten die Ärzte direkte Arzneinebenwirkungen fest. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass eine RCT bei Jugendlichen mit einer ersten psychotischen Episode zwar möglich ist, es für einzelne Zentren jedoch schwierig sein könnte, genügend Freiwillige für eine solche Untersuchung zu begeistern. Immerhin scheinen die meisten der Freiwilligen für ein halbes Jahr in der Studie zu bleiben. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit deuten darauf, dass sowohl eine Psychotherapie als auch eine Medikamentenbehandlung die Symptome offenbar deutlich lindert. Ob die Psychotherapie der Medikation tatsächlich überlegen ist, muss sich in der geplanten größeren RCT zeigen, für eine belastbare Aussage in der Pilotstudie waren die Gruppen letztlich viel zu klein. *MAPS: Managing Adolescent first episode Psychosis: a feasibility Study Das Wichtigste in Kürze Frage: Was ist die beste Therapie bei Jugendlichen mit einer ersten psychotischen Episode? Antwort: In einer kleinen Vergleichsstudie deutete sich ein Vorteil für die Psychotherapie an, für einen direkten Vergleich sind aber größere Studien nötig. Bedeutung: Sowohl Antipsychotika als auch Psychotherapien scheinen bei Jugendlichen mit einer ersten psychotischen Episode zu wirken. Einschränkung: Kleine Machbarkeitsstudie mit geringer Aussagekraft zur Wirksamkeit.

Springer Medizin

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