Dem Leben frühzeitig wieder Struktur geben

Bei Patienten mit Schizophrenie sind vorrangige Ziele der medikamentösen Behandlung, Rückfälle und Rehospitalisierungen zu vermeiden. Ein langwirksames Antipsychotikum mit langem Applikationsintervall kann die Therapiekontinuität und -adhärenz fördern und die Chance bieten, den Patienten langfristig zu stabilisieren [1]. Damit wird die psychosoziale Reintegration des Betroffenen unterstützt sowie seine Unabhängigkeit und Lebensqualität verbessert. In Deutschland leiden ca. 800.000 Menschen unter Schizophrenie, jedes Jahr werden etwa 13.000 Menschen neu diagnostiziert [2]. Schizophrenie ist mit vielen Vorurteilen verbunden und eine der meist stigmatisierten Erkrankungen; die Betroffenen werden von der Öffentlichkeit oftmals ausgegrenzt [3]. „Wir wissen heute, dass das Risiko für eine Reihe von psychiatrischen Erkrankungen, darunter auch für Schizophrenie, in der Stadtbevölkerung erhöht ist“, so PD Dr. Mazda Adli, Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin [4]. Einer Untersuchung zufolge ist das Risiko in europäischen und nordamerikanischen Ländern, eine Schizophrenie zu entwickeln, in der Stadtbevölkerung etwa doppelt so hoch wie auf dem Land [5]. Die Chance, den Verlauf der Krankheit günstig zu beeinflussen, ist umso größer, je früher man sie erkennt und behandelt [6]. Optimierte Langzeittherapie von Anfang an Für die medikamentöse Erhaltungstherapie stehen sowohl orale als auch langwirksame, intramuskulär zu applizierende Wirkstoffe zur Verfügung. Ein wesentliches Ziel der Langzeittherapie bei Schizophrenie ist es, die psychosoziale Reintegration zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer optimierten Langzeitbehandlung von Anfang an. „Wichtig ist es, frühzeitig mit der Therapie zu beginnen, um Rezidive zu vermeiden. Dadurch kann der Patient mit Schizophrenie auf lange Sicht stabilisiert werden, eine psychosoziale Rehabilitation wird ermöglicht“, erläuterte Prof. Dr. Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Jedes Rezidiv könne zu einer Krankheitsprogression mit Abnahme der Funktionalität, zu einem schlechteren Ansprechen auf die nächste Therapie bis hin zu einer Behandlungsresistenz führen, so Correll weiter [7, 8]. Unterstützt wird dies durch eine Literaturrecherche, wonach bis zu 87% aller Patienten mit einer ersten akuten Schizophrenie-Episode auf eine Behandlung mit Antipsychotika ansprechen [9]. Rückfallprophylaxe und Lebenserwartung im Blick Es gibt Hinweise darauf, dass langwirksame Formulierungen vorteilhaft gegenüber ihren oralen Äquivalenten sein können, wie eine aktuelle schwedische Real-World-Evidence-Studie zeigt [10, 11]. Die Studie untersuchte die Effektivität verschiedener antipsychotischer Wirkstoffe, darunter auch langwirksamer Substanzen, unter realen Bedingungen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im Praxisalltag unter langwirksamen Antipsychotika eine geringere Rehospitalisierungsrate im Vergleich zu keiner Antipsychotikagabe erreicht werden könnte [10]. In diese prospektive, datenbankbasierte Kohortenstudie waren 29.823 Patienten einbezogen worden. Wie die Datenanalyse zeigte, erreichten langwirksame, injizierbare Antipsychotika wie Paliperidonpalmitat in der gesamten Prävalenzkohorte eine 22%-ige Senkung des Rehospitalisierungsrisikos verglichen mit wirkstoffgleichen oralen Formulierungen (Hazard Ratio [HR] 0,78; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,72–0,84). Bei den neu diagnostizierten Patienten erzielten die langwirksamen Medikamente im Vergleich zu ihrem oralen Pendant sogar eine Risikoreduktion um 32% (HR 0,68; 95%-KI 0,53 bis 0,86) (Abb. 1). „Diese Daten aus der Praxis untermauern die Bedeutung eines frühestmöglichen Einsatzes langwirksamer Antipsychotika in der Schizophrenietherapie“, betonte Correll. Abb. 1 RWE-Daten: Senkung des Rehospitalisierungsrisikos* (modifiziert nach [10]) Springer Medizin Verlag GmbH × Der Einsatz von langwirksamen Antipsychotika der zweiten Generation kann nicht nur den Krankheitsverlauf der Schizophrenie positiv beeinflussen, sondern es deutet auch darauf hin, dass die Lebenserwartung der Patienten positiv beeinflusst werden kann. Dies dokumentieren weitere Auswertungen der Real-World-Studie [11]. Dabei zeigten langwirksame Antipsychotika der zweiten Generation über einen Follow-up von 7,5 Jahren die niedrigste Mortalitätsrate gegenüber Antipsychotika der ersten Generation und gegenüber oralen Wirkstoffen (Abb. 2). Abb. 2 Überlebenswahrscheinlichkeit unter Behandlung mit verschiedenen antipsychotischen Therapieformen bzw. ohne Therapie (modifiziert nach [11]) Springer Medizin Verlag GmbH × Bewährte Erhaltungstherapie in zwei Stufen Für eine strukturierte Erhaltungstherapie mit langem Applikationsintervall steht das langwirksame atypische Antipsychotikum Paliperidonpalmitat zur Verfügung. Es ist ein Wirkstoff der zweiten Generation, der in zwei Applikationsintervallen verfügbar ist, die aufeinander aufbauend eingesetzt werden können. Im ersten Schritt wird Paliperidonpalmitat in der 1-Monatsformulierung (Xeplion®)* angewendet [12]. Patienten, die vorzugsweise vier Monate oder länger klinisch stabil darauf eingestellt sind, können im zweiten Schritt die 3-Monatsformulierung des Wirkstoffs (Trevicta®)** erhalten [13] – dem derzeit einzigen langwirksamen Antipsychotikum, welches nur vierteljährlich injiziert werden muss. Um ein Auslassen von Dosen zu vermeiden, kann dem Patienten die Injektion flexibel bis zu zwei Wochen vor oder nach dem 3-Monatszeitpunkt verabreicht werden. Mit dem Dosisspektrum aus fünf Wirkstärken für die 1-Monatsformulierung bzw. vier Wirkstärken für die 3-Monatsformulierung kann die Behandlung individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten werden. Im Vergleich zur oralen Therapie müssen Patienten nicht täglich an die Medikamenteneinnahme denken. Sie können durch Antipsychotika mit langen Applikationsintervallen langfristig mehr Abstand zur Erkrankung gewinnen. Wechselwirkungen möglichst vermeiden Correll erinnerte außerdem daran, dass viele Patienten neben Psychopharmaka auch Medikamente gegen somatische Begleiterkrankungen erhielten. Bei Patienten, die mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen, sollte bei der Wahl des geeigneten Antipsychotikums darauf geachtet werden, Wechselwirkungen möglichst gering zu halten. Ein Großteil aller Arzneimittel wird über das hepatische Cytochrom-P450-System (CYP-System) metabolisiert. Hier kann es sinnvoll sein, ein langwirksames Antipsychotikum zu wählen, welches nicht hepatisch abgebaut wird. So weist beispielsweise Paliperidonpalmitat ein besonders geringes pharmakokinetisches CYP-Interaktionspotenzial auf [12, 13]. Auch das subjektive Wohlbefinden kann unter Therapie mit Paliperidonpalmitat positiv beeinflusst werden. Das zeigt eine prospektive, offene, nicht randomisierte Studie mit nicht akuten, aber symptomatischen Schizophreniepatienten, die zuvor erfolglos mit oralen Antipsychotika behandelt wurden. Nach sechsmonatiger Behandlung mit der 1-Monatsformulierung von Paliperidonpalmitat ließ sich eine signifikante Verbesserung des Wohlbefindens im Vergleich zum Ausgangswert erzielen (p<0,0001). Als Parameter für den Therapieerfolg diente die SWN-S-Skala (Subjective Well-being Under Neuroleptic Treatment Scale, sekundärer Endpunkt), die Faktoren wie verbesserte Körperkontrolle, Reaktions- und Denkfähigkeit, Kommunikation und emotionale Stabilität umfasst [14]. Fazit Die kontinuierliche Erhaltungstherapie für Schizophreniepatienten mit langwirksamen Antipsychotika kann das Risiko für Rückfälle, Rehospitalisierung und Mortalität senken. Die 2-Stufen-Therapie mit Paliperidonpalmitat, einem langwirksamen, atypischen Antipsychotikum der zweiten Generation, ermöglicht die individuelle Verlängerung des Applikationsintervalls auf ein Vierteljahr. Dadurch kann der Patient langfristig größeren Abstand zu seiner Erkrankung gewinnen und sein Leben stärker nach eigenen Vorstellungen gestalten. Das Arzt-Patienten-Gespräch kann für Themen, die den Patienten aktuell bewegen, oder auch für begleitende Therapieoptionen, wie Psychoedukation und kognitive Verhaltenstherapie genutzt werden. Die kontinuierliche Erhaltungstherapie mit langwirksamen Antipsychotika kann das Risiko für Rückfälle, Rehospitalisierungen und Mortalität senken [10, 11]. * Xeplion® wird zur Erhaltungstherapie der Schizophrenie bei erwachsenen Patienten angewendet, die auf Paliperidon oder Risperidon eingestellt wurden. Bei bestimmten erwachsenen Patienten mit Schizophrenie und früherem Ansprechen auf orales Paliperidon oder Risperidon kann Xeplion® ohne vorherige Einstellung auf eine orale Behandlung angewendet werden, wenn die psychotischen Symptome leicht bis mittelschwer sind und eine Behandlung mit einem Depot-Antipsychotikum erforderlich ist. **Trevicta®, eine 3-Monats-Injektion, wird zur Erhaltungstherapie der Schizophrenie bei Erwachsenen angewendet, die klinisch stabil auf die 1-Monats-Injektion Paliperidonpalmitat eingestellt sind. Langwirksame Antipsychotika: Wie Patienten im Alltag profitieren können Mit langwirksamen Formulierungen ist der Patient nach der Applikation der Medikation in der Praxis für einen bestimmten, längeren Zeitraum mit seinem Antipsychotikum versorgt. Durch ihre Pharmakokinetik können langwirksame Antipsychotika zur langfristigen Stabilisierung des Patienten beitragen und das Risiko für Rückfälle sowie Rehospitalisierungen senken [10, 11]. Betroffene können in ihr soziales Umfeld reintegriert werden, was die Unabhängigkeit fördern kann [1]. Daher sollten die Chancen, die langwirksame Antipsychotika bieten, dem Patienten mit Schizophrenie schon frühzeitig in der Behandlung aufgezeigt werden. Literatur Breit S, Hasler G, Der Nervenarzt 2016, 87:719–723 http://www.kns.kompetenznetz-schizophrenie.info/?q=node/8 (letzter Abruf: 19.12.2018) Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 50, Schizophrenie, Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Prof. Dr. Wolfgang Wölwer, Verfügbar unter: http://www.gbebund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=0&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_ suchstring=13064#Kap4.2 (letzter Abruf: 19.12.2018) Adli M et al., Lancet Psychiatry 2017, 4:183–185 Pedersen CB, Mortensen PB, Arch Gen Psychiatry 2001, 58:1039–1046 European Brain Council. Schizophrenia Fact Sheet. Verfügbar unter: http://www.braincouncil.eu/library/disease-fact-sheets/schizophrenia/und http://www.kns.kompetenznetz-schizophrenie.info/?q=node/11. (letzter Abruf: 19.12.2018) Wiersma D et al., Schizophr Bull 1998, 24:75–85 Emsley R et al., Schizophr Res 2012, 138:29–34 Carbon M, Correll CU, Dialogues Clin Neurosci 2014, 16:505–524 Tiihonen J et al., JAMA Psychiatry 2017, 74:686–693 Taipale H et al., Schizophrenia Res 2017, DOI:10.1016/J.SCHRES.2017.12.010 Fachinformation Xeplion®, Stand: November 2016 Fachinformation Trevicta®, Stand: September 2017 Schreiner A et al., Clin Ther 2014, 36:1372–1388 Impressum „Erhaltungstherapie der Schizophrenie: Dem Leben frühzeitig wieder Struktur geben“ Literaturarbeit Berichterstattung: Gudrun Girrbach, Hilden Artikel gedruckt in „Der Nervenarzt“ Band 90, Heft 1, Januar 2019 Mit freundlicher Unterstützung der Janssen-Cilag GmbH, Neuss Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Friederike Holthausen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Erhaltungstherapie der Schizophrenie - Dem Leben frühzeitig wieder Struktur geben

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