Cannabis-Wirkstoff unterstützt Schizophrenietherapie

Von einer Zusatzbehandlung mit Cannabidiol können offenbar auch Schizophreniekranke profitieren: Wahnsymptome und Halluzinationen nehmen ab, die kognitive Leistung wird tendenziell besser. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Antipsychotika sind bei Schizophreniekranken nicht gerade beliebt: Die unerwünschten Wirkungen sind oft erheblich, ein Drittel der Betroffenen spricht dennoch kaum auf solche Medikamente an. Das könnte auch daran liegen, dass erhöhte Dopaminspiegel nicht bei allen krankheitsrelevant sind, vermuten Psychiater um Dr. Philip McGuire vom King’s College in London. Cannabis dürfte da ein weitaus besseres Image haben, wenngleich der halluzinogene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) eher als psychosefördernd gilt: So legt gerade wieder eine aktuelle Kohortenstudie nahe, dass kiffende Teenager später vermehrt an Psychosen erkranken. Auf der anderen Seite hat Cannabis aber auch Wirkstoffe, die in eine andere Richtung zielen. So gilt das kaum psychoaktive Cannabidiol (CBD) als krampflösend, zudem wirkt es teilweise antagonistisch an Cannabinoidrezeptoren und dämpft damit die THC-Wirkung. Wie stark Cannabis die Sinne trübt, hängt offenbar sehr stark vom THC/CBD-Verhältnis ab. Die eher antipsychotischen Eigenschaften von CBD wurden bereits in kleineren Studien geprüft. So bleibt der THC-Rausch bei gesunden Probanden weitgehend aus, wenn sie zuvor ausreichend CBD eingenommen haben, berichten die britischen Forscher. Auch scheint CBD negative Auswirkungen von THC auf die Kognition zu verhindern. Dies macht den Wirkstoff für die Schizophrenietherapie ebenfalls interessant. Schließlich haben bisherige Antipsychotika kaum günstige Effekte auf die Negativsymptomatik. Klinischer Gesamteindruck deutlich besser In einer kleinen Studie haben die Wissenschaftler um McGuire das Cannabinoid nun erstmals randomisiert-kontrolliert bei 88 Patienten mit Schizophrenie geprüft. Alle mussten seit mindestens vier Wochen stabil auf ein Antipsychotikum eingestellt sein und sollten dieses im Studienverlauf auch beibehalten. Bei allen bestanden trotz Medikation deutliche Symptome – der PANSS*-Gesamtwert betrug im Schnitt noch 74 Punkte. 43 der Betroffenen bekamen zusätzlich CBD in einer Dosis von 1000 mg/d, die übrigen eine Add-on-Therapie mit Placebo. CBD und Placebo wurden zweimal täglich als Lösung verabreicht. Zum Ende der sechswöchigen Therapie hatte der PANSS-Wert für die Positivsymptomatik in der CBD-Gruppe signifikant stärker abgenommen als unter Placebo: Er war ausgehend von 18 Punkten um 3,2 Punkte gefallen, minus 1,7 Punkte waren es mit dem Scheinmedikament. Kaum Differenzen gab es hingegen bei den Werten für die Negativsymptome. Der PANSS-Gesamtwert hatte sich zwar in der CBD-Gruppe etwas stärker verbessert als unter Placebo (minus 11,2 versus minus 8,8 Punkte), der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. Beim klinischen Gesamteindruck durch die Studienärzte (CGI-Wert) wurden den Patienten in der CBD-Gruppe jedoch deutlich häufiger als unter Placebo Verbesserungen attestiert (bei 79 versus 55%). Entsprechend sank der Anteil der moderat bis schwer symptomatischen Patienten unter CBD signifikant stärker, und zwar von 83 auf 55%, mit Placebo fiel der Wert von 80 auf 64%. Schnellere Reaktionen Beim Funktionsniveau gab es tendenziell Vorteile von CBD, ebenso bei der kognitiven Leistung – hier wurde das Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Schauten sich die Forscher um McGuire die einzelnen kognitiven Domänen an, dann offenbarten sich signifikante Verbesserungen bei der Reaktionsgeschwindigkeit, und tendenziell war auch die Exekutivfunktion verbessert. Unerwünschte Wirkungen traten insgesamt unter CBD nicht häufiger auf als mit Placebo – betroffen war jeweils ein Drittel der Patienten. Dennoch gab es Unterschiede zwischen den Gruppen. Neun Patienten mit CBD klagten über gastrointestinale Beschwerden, aber nur drei mit Placebo. Dafür nannten sechs Patienten in der Placebogruppe Kopfschmerzen und Müdigkeit, nur halb so viele waren es unter CBD. Die Resultate dieser Pilotstudie müssten natürlich in größeren Untersuchungen wiederholt werden – für sich genommen ist die Aussagekraft mit dieser kleinen Patientenzahl eher gering. Ließen sich die Ergebnisse jedoch bestätigen, wäre CBD eine interessante Zusatztherapie: Das Risiko-Nutzen-Profil könnte sehr günstig sein. Vor allem würde es sich lohnen, die kognitiven Effekte genauer zu untersuchen. *PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale (30-210 Punkte) Das Wichtigste in Kürze Frage: Kann eine Zusatztherapie mit Cannabidiol Schizophreniebeschwerden reduzieren? Antwort: Die Pilotstudie deutet vor allem auf einen Nutzen gegen Positivsymptome, der klinische Gesamteindruck wird verbessert. Bedeutung: Die Zusatztherapie mit Cannabidiol hat bei Schizophreniepatienten möglicherweise ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil. Einschränkung: Relativ kleine Patientenzahl, Studiendauer von nur sechs Wochen.

Springer Medizin

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