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25.08.2020 | Schwangerschaft | Nachrichten

Kohortenstudie

Schon leichter Jodmangel in der Schwangerschaft kann gefährlich werden

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Welche Folgen eine unzureichende Jodaufnahme vor und während der Schwangerschaft haben kann, hat ein norwegisches Team in einer großen Kohorte untersucht. Die wichtigste Botschaft lautet: Bei weniger als 150 µg pro Tag steigt die Gefahr von Präeklampsien und fetalen Wachstumsstörungen.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Dass ein ausgeprägter Jodmangel in der Schwangerschaft einen Risikofaktor für das Kind darstellt, ist hinlänglich bekannt. Die WHO empfiehlt werdenden Müttern daher die Aufnahme von mindestens 250 µg Jod pro Tag über die Nahrung (ohne Supplemente). Gerade Frauen, die auf Milchprodukte verzichten oder wenig Fisch essen, fällt es jedoch oft schwer, diesen Zielwert – der übrigens nur durch geringe Evidenz belegt ist – zu erreichen.

Daten aus riesiger Kohorte

Wissenschaftler aus Norwegen haben daher überprüft, welche Folgen ein, wenn auch nur leichter, Jodmangel in der Schwangerschaft oder auch schon davor haben kann.

Das Team um Marianne Hope Abel vom Norwegian Institute of Public Health in Oslo konnte sich dabei auf eine enorm große Datenbasis von insgesamt 78.318 Schwangerschaften stützen. Diese entstammen einem nationalen Register (Norwegian Mother, Father and Child Cohort, MoBa) mit detaillierten Angaben zur Ernährung, zum Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln sowie zu Komplikationen im Rahmen der Schwangerschaft. Die Abfrage erfolgte routinemäßig in der 22. Schwangerschaftswoche.

Mit einer täglichen Jodaufnahme über Nahrungsmittel von median 121 µg pro Tag lag die Kohorte insgesamt im Bereich eines leichten bis mittelgradigen Jodmangels. Der vom Institute of Medicine für Schwangere empfohlene Mindestwert von 160 µg/Tag wurde von 74% der Teilnehmerinnen unterschritten.

Signifikante Auswirkungen auf das Geburtsgewicht

49.187 Frauen nahmen während der Schwangerschaft keine jodhaltigen Nahrungsergänzungsmittel ein. Bei ihnen war die Jodaufnahme über die Nahrung signifikant mit dem Geburtsgewicht des Kindes assoziiert. Adjustiert nach Gestationsalter und Geschlecht war dieses deutlich geringer, wenn die Mutter regelmäßig weniger als etwa 150 µg Jod pro Tag zu sich genommen hatte. Bei 100 µg betrug die mittlere Standardabweichung 0,04, bei 75 µg 0,08; Letzteres entspricht bei Babys, die zum Termin geboren werden, etwa 36 Gramm. Das Risiko, mit dem Geburtsgewicht unter das 10. Perzentil zu rutschen, stieg insbesondere bei einer täglichen Jodzufuhr von unter 100 µg deutlich an. Über 150 µg pro Tag kam es zu einer Plateaubildung.

Die Einnahme jodhaltiger Präparate ließ im Mittel das Geburtsgewicht steigen; allerdings schwächte sich der Effekt ab, wenn man die Referenzgruppe auf Teilnehmerinnen beschränkte, die – statt gar keine Supplements – lediglich andere Präparate als die empfohlenen nutzten. Bei langfristiger Einnahme mit Beginn bereits vor der Schwangerschaft entsprach der Effekt einem Plus von 0,05 SD oder 22 g bei termingerecht geborenen Babys. Wie Abel und Kollegen anmerken, zeigten allerdings selbst Frauen, die regelmäßig jodhaltige Präparate nahmen, im Mittel Urinkonzentrationen unterhalb des Zielwerts von 150 µg/l.

Erhöhtes Risiko für Präeklampsien

Eine unzureichende Jodaufnahme über Nahrungsmittel war ferner mit einem erhöhten Präeklampsierisiko assoziiert: Bei 75 µg pro Tag stieg dieses gegenüber der Referenzgruppe (täglich 100 µg) um 14%; bei 50 µg um 40%. Auch Frühgeburten traten unter diesen Umständen häufiger auf (adjustierte Odds Ratio, aOR: 1,10 bzw. 1,28).

Der Einsatz von Supplementen machte sich im Hinblick auf Präeklampsien ebenfalls deutlich bemerkbar; das entsprechende Risiko sank bei langfristiger Einnahme um 15%. Bei den Frühgeburten waren die Ergebnisse dagegen inkonsistent: Wurden die Supplements erst seit der Schwangerschaft eingenommen, führte das zu einem verringerten Risiko. Bei Langzeitnutzerinnen jedoch schien sich die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt zu erhöhen.

Schlägt Jodmangel auf die Fruchtbarkeit?

Die Autoren hatten schließlich auch versucht, den Einfluss von Jod auf die Fruchtbarkeit zu untersuchen. Unter Berücksichtigung von Alter, BMI und Rauchen zeigte sich zwar, dass es bei weniger als 100 µg pro Tag in der Nahrung signifikant häufiger Probleme gegeben hatte. So hatte es bei knapp 11% einer Subgruppe von 56.416 Frauen mehr als zwölf Monate gedauert, bis sie schwanger wurden. Das Design der Studie ist allerdings, wie die Autoren zugeben, nicht sehr gut geeignet, diesen Zusammenhang zu messen: Schließlich waren nur Teilnehmerinnen eingeschlossen, die tatsächlich schwanger geworden waren.

Insbesondere in diese Richtung lohne es sich, weiter zu forschen, so die Autoren. Abhängig vom Herkunftsland sei heute jede siebte bis jede vierte Frau im gebärfähigen Alter von Fruchtbarkeitsstörungen betroffen. Hier spiele die Schilddrüse, deren Funktion entscheidend vom Jodgehalt der Nahrung abhängt, bekanntermaßen eine wichtige Rolle. Dass sich die Fruchtbarkeit über eine jodangereicherte Nahrung verbessern lässt, sei z. B. in der Nutztierhaltung belegt; beim Menschen dagegen stünden entsprechende Studien noch aus.

Immerhin, so Abel und Kollegen, habe man mit der Studie an Kenntnissen über die optimale Menge an über die Nahrung zugeführtem Jod bei Kinderwunsch bzw. in der Schwangerschaft hinzugewonnen: So wisse man nun zumindest, dass unterhalb von etwa 100 bis 150  µg pro Tag schädliche Effekte drohen und dass sich oberhalb dieses Werts ein Plateau einstellt.

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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie wirkt sich eine unzureichende Jodzufuhr über die Nahrung auf den Schwangerschaftsverlauf aus?

Antwort: Eine unzureichende jodzufuhr in der Schwangerschaft erhöht die Gefahr von geringem Geburtsgewicht und Präeklampsie. Bei Frauen mit Kinderwunsch kann Jodmangel zu Fertilitätsstörungen beitragen.

Bedeutung: Der Einsatz jodhaltiger Präparate oder die Anreicherung der Nahrung mit Jod können ggf. helfen, den erhöhten Bedarf in der Schwangerschaft zu decken und somit das Kind vor Schäden zu bewahren.

Einschränkung: Nur relativ wenige Teilnehmerinnen nahmen Jod in der optimalen Menge zu sich. Angaben zur Dosis eingenommener Nahrungsergänzungsmittel unzureichend; Erhebung der Jodzufuhr via Fragebogen.

Literatur

Abel MH et al. Insufficient maternal iodine intake is associated with subfecundity, reduced foetal growth, and adverse pregnancy outcomes in the Norwegian Mother, Father and Child Cohort Study. BMC Medicine 2020; 18: 211; https://doi.org/10.1186/s12916-020-01676-w

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