Aktuelle Ergebnisse zur spezifischen Immuntherapie

Für Pollenallergiker ist die spezifische Immuntherapie (SIT) eine erfolgversprechende, aber zu selten genutzte Therapieoption – unter anderem auch aufgrund des erheblichen Zeitaufwandes bei den klassischen ganzjährigen Behandlungskonzepten. Vor diesem Hintergrund bietet die Kurzzeit-SIT mit einem Allergoidpräparat, bei dem der Jahreszyklus auf 4 Injektionen* reduziert wurde, bereits seit einigen Jahren eine bewährte Alternative für den Allergologen. Auch neue Erkenntnisse zum Verständnis komplexer Allergoidgemische oder zum natürlichen Gräserpollenflug werden zur Verbesserung der Immuntherapie beitragen. „Wir alle wissen, dass die allergenspezifische Immuntherapie eine hocheffektive Behandlung ist und die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern kann“, sagte Prof. Stephen R. Durham, MD, London. Als besonders wirksam habe sich die subkutane Immuntherapie (SCIT) erwiesen. Allerdings könnten Nebenwirkungen und umständliche Dosierungsschemata die Erfolgsaussichten limitieren. „Alles, was wir hier verbessern, könnte erhebliche Vorteile für unsere Patienten bringen.“ Starker Placeboeffekt erschwert erfolgreiche Dosisfindung Wie wichtig es ist, die optimale Dosis für die bei der SIT verwendeten Therapieallergene zu definieren, machte Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Berlin, deutlich. In diesem Zusammenhang verwies er auf die deutsche Therapieallergene-Verordnung (TAV). Bisher nicht zugelassene, als Individualrezeptur eingesetzte Präparate, die häufig verordnete Therapieallergene enthalten, müssen den normalen Zulassungsprozess durchlaufen [1]. Dafür wird zunächst die optimale Dosis in klinischen Studien bestimmt und ihre Wirksamkeit und Sicherheit anschließend in einer großen Phase-III-Studie bestätigt. Allerdings könne es schwierig sein, solche Dosisfindungsstudien erfolgreich durchzuführen, erläuterte Prof. Kleine-Tebbe. Als Gründe nannte er u.a. den starken Placeboeffekt bei dieser Therapieform, der mehr als 20% und bis zu 60% betragen könne. Das mache es nicht einfach, in placebokontrollierten Studien eine klinisch relevante Wirkung nachzuweisen, die laut World Allergy Organization (WAO) mehr als 20% über Placebo liegen muss [2]. Das sehr heterogene Ansprechen allergischer Patienten auf die Immuntherapie erschwere die Interpretation der Behandlungsergebnisse. Auch über die beste Methode zur Ermittlung der Wirksamkeit sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Während nasale oder konjunktivale Provokationstests sowie Untersuchungen in der Pollenkammer mit standardisierter Allergenexposition arbeiten, sei bei den Symptom- und Medikationsscores aus Feldstudien immer die Frage, inwieweit die Patienten dem Allergen wirklich ausgesetzt waren. Der molekulare Fingerabdruck komplexer Gräsermix-Allergoide Im Behandlungsalltag verbreitet eingesetzt werden Allergoide, die durch chemische Modifizierung nativer Allergenextrakte entstehen und dadurch eine geringere Allergenität besitzen. Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim, Wien, sprach in diesem Zusammenhang von „komplexen heterogenen Formulierungen“. Hinsichtlich der strukturellen und funktionellen Charakterisierung komplexer Allergoidgemische besteht derzeit aber noch ein großer Forschungsbedarf. Sie stellte aktuelle Daten zum molekularen Fingerprinting von Gräsermix-Allergoiden vor [3,4]. Dafür verwendete man ein natives Allergenextrakt aus Pollen von zwölf verschiedenen Gräsern, das mit Glutaraldehyd chemisch modifiziert wurde. Durch diese chemische Modifizierung wird die IgE-Reaktivität vermindert, aber die IgG-stimulierenden Eigenschaften erhalten, die für die Wirksamkeit der SIT entscheidend sind. In aufwendigen Untersuchungen ließ sich nachweisen, dass in einem solchen Allergoidgemisch Majorallergene der Gruppe 1 verschiedener Gräserspezies enthalten sind. Genauer unter die Lupe nahm man die IgG-bindenden Epitope von Lol p 1, einem Majorallergen von Lolium perenne (Deutsches Weidelgras). In dem Allergoidmix konnten sechs verschiedene Lol p 1-Epitope identifiziert werden (Abb. 1). Die Studie belegte die Erhaltung der für die Wirksamkeit der SIT bedeutenden IgG-Epitope und untermauerte damit erneut das Allergoidkonzept. Prof. Jensen-Jarolim: „Die chemische Modifizierung von Allergenen ist ein komplexer Vorgang und Konsistenz in der Herstellung ein Schlüsselfaktor.“ Abb. 1 IgG-bindende Epitope des Majorallergens Lol p 1, identifiziert in einem Gräser-Allergoidgemisch, links im Bändermodell, rechts im raumfüllenden Modell. Die sechs IgG-Epitope sind rot, cyan, magenta, dunkelblau, gelb und orange markiert (modifiziert nach [3,4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Immer im Fokus: Anaphylaxie-Risiko, Wirksamkeit und Adhärenz Die SIT ist eine erfolgversprechende Therapieoption für Patienten mit IgE-vermittelten Allergien. Weitere Anstrengungen seien jedoch erforderlich, so Prof. Dr. Tim Higenbottam, MD, Direktor Forschung & Entwicklung bei Allergy Therapeutics Ltd., Worthing/England, um das Anaphylaxierisiko bei der Injektion zu reduzieren, die Wirksamkeit zu maximieren und die Adhärenz zu verbessern. Auf einem guten Weg befinde man sich hier mit einem SCIT-Allergoidpräparat (POLLINEX® Quattro, PQ), das als einziges Präparat auf dem Gebiet der SIT mit Monophosphoryl-Lipid (MPL®, ein TLR-4 Agonist), einem Adjuvans der zweiten Generation, verfügbar ist. Mikrokristallines Tyrosin (MCT) als patentierter Depotträger mit einem Adsorptionspotential für Allergoide von >95% wird mit einer Halbwertzeit von 48 Stunden am Injektionsort abgebaut [5]. Durch die synergistische Kombination mit dem Adjuvans wird die gewünschte IgG-Immunantwort zusätzlich verstärkt. Der TLR4-Agonist aktiviert das unspezifische Immunsystem und stimuliert die Th1-Immunantwort [5]. Higenbottam sprach von einer um 25% gesteigerten Wirksamkeit der SIT durch Zugabe dieses Adjuvans [6]. Das ermögliche eine ultrakurze SCIT mit nur vier Injektionen jährlich, die in drei Wochen je Therapiejahr* abgeschlossen sein könne und sich als wirksam und gut verträglich erwiesen habe. Die neuen Dosisfindungsstudien mit PQ (PQ birch203 und 204; clinicaltrials.gov) gehen deutlich weiter. In diese multizentrischen randomisierten Doppelblindstudien im Parallelgruppendesign wurden 149 (PQ birch203) bzw. 370 (PQ birch204) erwachsene Birkenpollenallergiker mit mäßiger bis schwerer saisonaler Rhinokonjunktivitis eingeschlossen [7]. Insgesamt wurde in diesen PQ Birch Phase II Studien ein breites Studienprogramm mit 10 Verumarmen in unterschiedlichen Dosierungen und einem Placeboarm verteilt auf vier oder sechs Injektionen im 1-Wochen-Abstand verwirklicht. Mit dieser breiten Untersuchung zu unterschiedlichen Dosen verfolgte man das Ziel, das volle Potenzial der MPL-adjuvantierten SCIT zu ermitteln und die optimale Dosis für die Phase-III-Studie festzulegen. Heutige Marktdosis erfolgreich, aber es geht noch besser Wie die gepoolte Analyse der Daten aus beiden Studien ergab, nähert sich die Dosis-Wirkungskurve mit der kumulativen Dosis von 27.300 SU einem Plateau an. Die Abnahme der Symptome im Vergleich zu Placebo wurde bei einer Dosis von 5100 SU mit 20,9% ermittelt und erfüllte damit die Vorgaben für eine klinisch relevante Wirkung nach den Kriterien der WAO. Mit der höchsten getesteten Dosis von 27.300 SU konnte die Wirksamkeit aber noch einmal um 50% auf eine Symptomreduktion von 32,3% gegenüber Placebo verbessert werden. Die beobachteten Sicherheitssignale mit dieser höchsten Dosierung unterschieden sich nicht von den niedrigeren Dosisregimen, so Prof. Higenbottam. Die Adhärenz war hoch; mehr als 90% der Patienten erhielten alle vorgesehenen Injektionen. Mit der kumulativen Dosis von 27.300 SU wurde nun die Phase-III-Studie, PQbirch301, gestartet. Gräserimmuntherapie mit verschiedenen Gräserspezies macht Sinn Die Rationale für eine Gräserimmuntherapie mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher Süßgräserarten zeigte Uwe E. Berger, MBA, Wien, auf. Die Gräserpollenallergie ist weltweit die Nummer eins der Allergien. Aber: Gras ist nicht gleich Gras, Gräserpollensaison nicht gleich Gräserpollensaison, betonte der Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes. Das Ausmaß der Gräserblüte und das Zusammenspiel verschiedener Gräserspezies unterscheiden sich von Jahr zu Jahr und von Region zu Region. Berger zeigte eine Analyse der Gräserpollensaison 2015 in Wien, Berlin und dem finnischen Turku [8]. Der Saisonverlauf war abhängig von der Region, mit Unterschieden in Blühzeiten, Pollenbelastung und Zusammensetzung der Gräserspezies. Aus aerobiologischer Sicht, sollte die SIT möglichst den natürlichen Mix verschiedener Gräserspezies repräsentieren, so Berger in seinem abschließenden Fazit. *4 Injektionen innerhalb von 3–8 Wochen bei einer empfohlenen Behandlungsdauer von 3–5 Jahren, gemäß Fachinformation POLLINEX® Quattro; Stand: Mai 2017. App für Pollenallergiker Eine App, die Pollenallergikern den Alltag erleichtert mit Prognosekarten, allgemeinen und persönlichen Belastungsvorhersagen, detaillierten Informationen zu allen Allergenen, Pollentagebuch, Selbsttest, Vorhersage von Luftschadstoffen und interaktiven Hilfen. Die Pollen-App ist ein Kooperationsprojekt der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, der Medizinischen Universität Wien und der Firma Bencard® Allergie GmbH. Einfach QR-Code einscannen und Pollen-App kostenlos downloaden: Literatur 1. Englert L et al., Bundesgesundheitsbl 2012, 55:351–357 2. Canonica GW et al., Allergy 2007, 62:317–324 3. Starchenka S et al., World Allergy Organ J 2017, 10:17 4. Starchenka S et al., Poster 470, EAACI Congress 2017, Helsinki 5. Klimek L et al., Expert Rev Clin Immunol 2017, 13:599–610 6. Patel et al., J Allergy Clin Immunol 2014, 133:121–129. 7. Worm M et al., Poster 588, EAACI Congress 2017, Helsinki 8. Kmenta M et al., Abstract 449, EAACI Congress 2016, Wien Impressum „The Best Therapies By Design“ Satellitensymposium anlässlich des European Academy of Allergy and Clinical Immunology ( EAACI) Congress, Helsinki, 18. Juni 2017 Berichterstattung: Dr. Ulrike Wepner Artikel gedruckt in „Allergo Journal“, Band 26, Heft 6, September 2017 Mit freundlicher Unterstützung der Bencard® Allergie GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Tobias Berenz Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: EAACI-Kongress 2017 - Aktuelle Ergebnisse zur spezifischen Immuntherapie

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