Kaiserschnitt: Weniger Harninkontinenz, aber mehr Asthma

Nach einer Kaiserschnittentbindung ist zwar das Risiko für Harninkontinenz und Beckenbodeninsuffizienz mit Organprolaps im Vergleich zur vaginalen Entbindung verringert. Dagegen ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Frauen Asthma bekommen oder adipös werden, signifikant erhöht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Um Nutzen und Risiko einer Kaiserschnittentbindung im Vergleich zur natürlichen Geburt für Mütter und deren Kinder zu analysieren, haben britische Gynäkologen um Dr. Oonagh E. Keag vom Simpson's Centre for Reproductive Health in Edinburgh eine systematische Untersuchung mit Metaanalyse gemacht. Sie stützten sich dabei auf die Daten von 79 großen prospektiven Kohortenstudien und einer randomisierten kontrollierten Studie. Dazu durchforsteten sie unter anderem die Datenbanken MEDLINE, Embase und der Cochrane Library. Alle bis Frühjahr 2017 berücksichtigten Studien für die Analyse des Langzeitrisikos wurden in Ländern mit hohem Einkommen gemacht. Auswertung der Daten von fast 30 Millionen Teilnehmern In den berücksichtigten Studien mit jeweils mindestens 1000 Schwangeren mit vaginaler oder Kaiserschnittentbindung lagen die Gestationsdauer bei mindestens 37 Wochen und das Follow-up bei mindestens einem Jahr. Endpunkte der Metaanalyse waren Beckenbodeninsuffizienz der Mütter, Asthma der Kinder im Alter bis 12 Jahre und ab 15 Jahre sowie perinatale Todesfälle ab der 22. Gestationswoche bis zum Ende der ersten Lebenswoche. Insgesamt standen die Befunde von fast 30 Millionen Müttern und ihren Kindern zur Verfügung. Wie Keag und ihre Kollegen berichten, war nach einem Kaiserschnitt im Vergleich zur natürlichen Entbindung die Wahrscheinlichkeit für eine Harninkontinenz um 44% niedriger (Odds Ratio [OR]: 0,56; 95%-Konfidenzintervall: 0,47–0,66). Diese Assoziation berechneten die Ärzte auf der Basis der Befunde von 59.900 Studienteilnehmern in acht Studien. Ebenfalls war ein Kaiserschnitt mit einem niedrigeren Risiko für einen Organprolaps assoziiert (OR: 0,29; 95%-Konfidenzintervall: 0,17–0,51; n = 39.208 in zwei Studien). Adipositasrisiko um fast 60% erhöht Andererseits hatten Schnittentbindungen negative Folgen für die Kinder. Denn der Analyse zufolge war der Eingriff mit einem erhöhten Risiko assoziiert, bis zum Alter von zwölf Jahren an Asthma zu erkranken (OR: 1,21; 95%-Konfidenzintervall: 1,11–1,32; n = 887.960 in 13 Studien) und bis zum Alter von fünf Jahren adipös zu werden (OR: 1,59; 95%-Konfidenzintervall: 1,33–1,90; n = 64.113 in sechs Studien). Ein Risikoanstieg zeigte sich auch für eine Fehlgeburt (OR: 1,17) und eine Totgeburt (OR: 1,27) nach einer erneuten Schwangerschaft. Nicht zuletzt war nach einer Sectio die Wahrscheinlichkeit für eine Placenta praevia, eine Placenta accreta und eine Plazentablösung signifikant höher als nach einer vaginalen Entbindung. Die Beobachtungsdaten nutzten die Ärzte auch, um annäherungsweise die NNT (number neaded to treat) zu errechnen. Demnach würde erst nach 17 Schnittentbindungen eine Harninkontinenz „verhindert“ (NNT for benefit: 17). Andererseits würden nach 162 derartigen Entbindungen ein Kind mehr an Asthma erkranken (NNT for harm: 162). Einschränkend weisen die Gynäkologen darauf hin, dass in der Metaanalyse nicht berücksichtigt werden konnte, warum für die eine oder andere Entbindungsoption entschieden worden war und ob es sich bei den Kaiserschnittentbindungen um elektive Eingriffe oder Notfälle handelte. Dennoch könnten die Ergebnisse ihrer Metaanalyse Grundlage für die Beratung von Schwangeren sein. Empfehlung der Redaktion Prof. Dr. Thorsten Fischer in Interview 16.12.2016 | Geburt | Video-Artikel | Online-Artikel Steigende Kaiserschnittraten: Was läuft falsch? Bezüglich der großen Unterschiede der Kaiserschnittrate innerhalb Europas findet Prof. Dr. Thorsten Fischer klare Worte: "Wenn wir in der Medizin in einem anderen Bereich so eine Varianz von klinischen Entscheidungen hätten – bei gleichem Outcome – würde jeder sagen: Da läuft was falsch!" Er fordert im Interview mit SpringerMedizin.de, dass sich die Geburtshilfe kritisch mit dem Thema auseinandersetzt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen Risiken sind Frauen und deren Kindern nach einem Kaiserschnitt ausgesetzt? Antwort: Nach einer Kaiserschnittentbindung ist das Risiko für eine Harninkontinenz und eine Beckenbodeninsuffizienz mit Organprolaps im Vergleich zur vaginalen Entbindung seltener, bei den Kindern das Risiko für Asthma und Adipositas erhöht. Bedeutung: Die Studie kann als Grundlage für die Beratung von Schwangeren über Nutzen und Risiken eines Kaiserschnitts dienen. Einschränkung: Die berücksichtigten Beobachtungsstudien stammen ausschließlich aus Ländern mit hohem Einkommen.

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