Hand-Fuß-Syndrom & Co. in den Griff bekommen

Dermatologische Nebenwirkungen systemischer Antitumortherapien, wie Hand-Fuß-Syndrom, akneiformes Exanthem oder Hauttrockenheit, können die Lebensqualität des Patienten erheblich beeinträchtigen. Deswegen sollten bereits vor Beginn der Therapie die prophylaktischen Möglichkeiten ins Auge gefasst werden und es empfiehlt sich die frühzeitige Absprache mit einem erfahrenen dermatologischen Kollegen. Sowohl unter klassischen Zytostatika als auch unter den neueren molekular zielgerichteten Substanzen treten häufig unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) an der Haut sowie den Haaren und Nägeln auf. Die Inzidenzen variieren unter anderem mit der Wirkstoffklasse und dem Therapieregime. Als Beispiel für eine Substanzklasse mit besonders hohen Inzidenzen nannte Prof. Diana Lüftner, Onkologische Klinik der Charité, die anti-EGFR Tyrosinkinaseinhibitoren. Bei 80-90% der mit diesen Substanzen behandelten Patienten tritt ein akneiformes Exanthem auf mit Pruritus, Xerosis, Fissuren oder Paronychien. „So kann man eine Frau nicht herumlaufen lassen“, erklärte Lüftner auf dem diesjährigen Senologiekongress in Leipzig; schließlich müsse man auch als Onkologe der Tatsache Rechnung tragen, „dass wir in einer Lifestylegesellschaft leben.“ Frühzeitig Dermatologen hinzuziehen Die Therapie toxischer Hautveränderungen unter systemischen Tumortherapien erfordere, so Prof. Johannes Wohlrab, dermatologische Klinik der Universität Halle, zunächst deren richtige phänotypische Einordnung. Wohlrab legt seinen onkologischen Kollegen ans Herz, dazu frühzeitig einen Dermatologen hinzuzuziehen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle seien dermatologische UAW keine klassisch allergischen Reaktionen sondern unspezifische toxische Effekte. So bewirke die im Rahmen der Antitumortherapie erwünschte Zytostase auch an den Stammzellen der Epidermis und Haarfollikel eine ausgeprägte Proliferationshemmung. Toxische Metaboliten, die über die Schweißdrüsen ausgeschieden und teilweise reabsorbiert werden greifen die Hautbarriere an. Die Haut wird trocken (Xerosis), es kommt zur bakteriellen Besiedlung und Entzündungsreaktionen. Die häufigsten toxischen Haut-UAWs kann man einer der folgenden phänotypischen Hauptgruppen zuordnen: Xerosis, Barrieredefizit, Irritation, Proliferations- und Differenzierungsstörung Hand-Fuß-Syndrom (palmoplantare Erythrodysästhesie, PPE) akneiformes Exanthem (acne like skin rash) Mit Vitamin B3 und Harnstoff gegen Hauttrockenheit Zur Prophylaxe und Therapie dermatologischer UAW systemischer Tumortherapien gebe es, so Wohlfahrt, bislang kaum aussagekräftige Studien. Möglicherweise wirken Niacin (Vitamin B3)-Präparate über eine Induktion der Ceramidsynthese vorbeugend gegen toxisch induzierte Xerosis. Unter der Therapie mit Anthrazyklinen oder Taxanen im Rahmen einer randomisierten aber unverblindeten Crossoverstudie mit 73 Brustkrebspatientinnen reduzierte die Ganzkörperbehandlung mit einer 4%-igen Niacinamid-Creme Juckreiz, Hauttrockenheit und Irritation im Vergleich zu den Frauen der Kontrollgruppe, die ihre Haut nur mit den bisher verwendeten Mitteln pflegten [1]. Dass Harnstoff (Urea)-haltige Externa die Wasserspeicherfähigkeit der Haut unterstützen, hält Wohlrab zwar für plausibel, allerdings gäbe es zu solchen Pflegemitteln noch viel weniger klinische Studien als zu den einschlägigen Arzneimitteln. Bei Harnstoff hält Wohlrab die richtige Dosierung für entscheidend: „5% ist die Grenze, die man nicht überschreiten sollte, wenn es primär um die Barriereerhaltung geht.“ Okkludierende Mittel, etwa Melkfett, seien völlig kontraproduktiv. Wohlrab nennt das „den Labelloeffekt“: Es kommt vorübergehend zu einem Wasserstau in der Haut, bald darauf reißt der Fettfilm auf und dann kommt es zu einer viel stärkeren Austrocknung als ohne Behandlung. Bei trockenen Lippen sei eben auch eine Creme zu empfehlen statt einem fetthaltigen Stift. Kommt es unter der Tumortherapie zu einer Xerosis, dann rät Wohlrab zu lokalen und gegebenenfalls auch systemischen Kortikosteroiden. Hand-Fuß-Syndrom durch oxydative Metaboliten Unter Antrhrazyklinen, Purin- oder Pyrimidinanaloga wie Capecitabin oder 5-FU sowie unter Signaltransduktionsinhibitoren kann es zu einem PPE kommen. Toxische Metaboliten, die über den Schweiß an die Oberfläche kommen, überfordern dabei das antioxidative Potenzial der Haut. Daher sind die Hautpartien besonders stark vom PPE betroffen, die eine besonders hohe Dichte ekkriner Schweißdrüsen aufweisen, also Handinnenflächen und Fußsohlen sowie bei manchen Patienten auch die Achselhöhlen. Dort bilden sich Rötungen, Schwellungen und Missempfindungen, in fortgeschrittenen Stadien auch Schmerzen, Ulzerationen und Blasenbildung. Die PPE ist dosisabhängig. Eine vorübergehende Dosisanpassung kann erforderlich werden oder in schweren Fällen auch das Absetzen der Substanz. Einer Metaanalyse randomisiert kontrollierter Studien (RCT) zufolge senkt der COX-2 Hemmer Celecoxib das Risiko für ein PPE (OR 0,47; 95% KI 0,29-0,78; p = 0,003). Pyridoxin (Vitamin B6), topische Urea- oder Milchsäurepräparate sowie Antitranspiranzien hatten dagegen keinerlei protektiven Effekt [2]. Wohlrab empfiehlt zur Vorbeugung des PPE Beta-Karotin und Tocopherol (Vitamin E). Die Rationale dahinter ist die Stärkung des antioxidativen Potenzials. Klinische Wirksamkeitsbeweise fehlen allerdings. Zu Behandlung eines manifesten PPE kommen Wohlrat zufolge Kühlung, Kortikosteroide und Tocopherol in Frage. Akneiformes Exanthem an Antitumorwirkung gekoppelt? „Mit der Akne hat das akneiforme Exanthem nur gemein, dass sie den Haarfollikel betrifft“, erklärt Wohlrab. Das papulopustulöse follikuläre Exanthem geht auch – anders als die Akne – nicht mit Komedonen einher. Typischerweise ist es mit einer Xerosis vergesellschaftet. Auch Paronychien und Haarwachstumsstörungen können auftreten. Die Intensität des Exanthems scheint Wohlrab zufolge mit der antitumoralen Wirksamkeit des verursachenden Medikaments zu korrelieren. Standard und derzeit am besten durch RCTs belegt ist die Prophylaxe des akneiformen Exanthems mit Doxycyclin [3, 4]. Topisches Menadion (Vitamin K3) scheint Wohlrab zufolge eine weitere Option zu sein, bedarf aber noch der Evaluation in RCTs. Zur Behandlung des akneiformen Exanthems kommen, so Wohlrab, topisches Metronidazol, systemisches Doxycyclin oder Minocyclin und zur Eindämmung des Juckreizes sedierende H1-Blocker in Frage. Lokale Antihistaminika hätten erfahrungsgemäß keinen Effekt. Literatur 1. Wohlrab J et al. Breast Cancer (Dove Med Press) 2014; 6: 115–122. 2. Macedo LT et al. Support Care Cancer 2014; 22: 1585-1593. 3. Lacouture ME et al. J Clin Oncol. 2010; 28 :1351-1357. 4. Deplanque G et al. J Clin Oncol. 2010; 28 Abstract 9019.

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