Präventive Mund- und Darmdekontamination bringt wenig

Die selektive Mund- und Darmdekontamination kann eine Infektion mit multiresistenten Keimen bei beatmeten Patienten kaum verhindern. Zumindest nicht auf Intensivstationen mit einem deutlichen Resistenzproblem. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die selektive Darmdekontamination (SDD) sowie die selektive oropharyngeale Dekontamination (SOD) konnten in Studien die Rate nosokomialer Infekte bei beatmeten Patienten auf Intensivstationen deutlich reduzieren, und in zwei niederländischen Studien ließ sich damit auch die Mortalität senken. Dennoch haben sich solche Verfahren außerhalb der Niederlande nicht wirklich durchgesetzt. Ein Grund sei, dass ein Nutzen auf Intensivstationen mit einem Resistenzproblem als fraglich gelte, zudem fürchteten viele Ärzte durch die präventive Antibiose eine Ausweitung der Resistenzentwicklung, berichten Gesundheitsforscher um Dr. Bastiaan Wittekamp von der Universität in Uetrecht. Die Wissenschaftler um Wittekamp prüften nun in einer großen internationalen Studie, ob sich die niederländischen Erfahrungen auf andere Länder übertragen lassen. Sie berücksichtigten gezielt 13 Intensivstationen mit einer moderaten bis stark ausgeprägten Resistenzproblematik – mindestens 5% der dort auftretenden und im Blut nachgewiesenen Infekte mussten von Extended-Spectrum-Lactamase-produzierenden Enterobakterien (ESBL) stammen. Die jeweiligen Kliniken lagen in Belgien, Spanien, Italien, Slowenien, Portugal und Großbritannien. Kein Nutzen bei Bakteriämien Alle Stationen behandelten die Patienten zunächst mindestens sechs Monate ohne spezielle Interventionen (Baseline-Phase), anschließend erfolgten im Wechsel über jeweils sechs Monate hinweg Behandlungen mit einer Chlorhexidin-Mundspülung, eine SOD sowie eine SDD, und zwar jeweils viermal täglich. Für die Mund- und Darmdekontamination verwendeten die Studienärzte eine Paste mit Colistin, Tobramycin und Nystatin. Auf eine begleitende viertägige I.v.-Antibiose mit Cephalosporinen, wie dies in den Niederlanden bei der SDD üblich ist, verzichteten sie, um die Resistenzprobleme nicht weiter zu verschärfen. Insgesamt wurden knapp 8700 mechanisch beatmete Patienten an der Cross-over-Studie beteiligt, am häufigsten litten sie unter respiratorischen, kardiovaskulären und neurologischen Erkrankungen, zwei Drittel waren Männer, das Alter betrug im Schnitt 62 Jahre. Als primären Endpunkt hatten die Studienärzte die Rate von auf der Intensivstation erworbenen Bakteriämien mit multiresistenten gramnegativen Bakterien gewählt. Solche Infekte wurden bei 144 Patienten (0,17%) nachgewiesen. In der Baseline-Phase traten die Bakteriämien bei 2,1% der Patienten auf, unter der Chlorhexidin-Mundspülung waren 1,8%, mit SOD 1,5% und mit SDD 1,2% betroffen. Berücksichtigten die Forscher Alter und Begleitumstände, kamen sie mit Chlorhexidin sogar auf ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko (plus 13%), dagegen lag es mit SOD (minus 11%) und SDD (minus 30%) etwas niedriger, der Unterschied zur Baseline-Phase ohne spezielle Intervention war aber in keinem Fall signifikant. Schauten die Forscher nach Infekten mit jeglicher Art von Keimen oder nach solchen mit hochresistenten Organismen, ergab sich ein ähnliches Bild: Am ehesten schien die Darmdekontamination das Infektrisiko zu senken, doch stets war die Differenz zur Standardbehandlung statistisch nicht signifikant. Sterberate nicht reduziert In den ersten 28 Tagen nach Aufnahme auf die Intensivstation starb rund ein Drittel der Patienten. Mit Chlorhexidin lag die Sterberate absolut um 1,1% niedriger, mit SOD war sie um 0,5% und mit SDD um 2,2% geringer als unter der Standardbehandlung, doch erwiesen sich die Unterschiede hier ebenfalls als nicht signifikant. Daran änderte sich wenig, wenn die Forscher um Wittekamp nur die Todesfälle auf der Intensivstation berücksichtigten. Immerhin verschärfte sich durch die unterschiedlichen Behandlungen auch die Resistenzsituation nicht. Der Anteil resistenter und multiresistenter Keime in Rektalproben änderte sich während der jeweiligen Therapiephasen nur unwesentlich. Offenbar lassen sich die guten Erfahrungen mit SOD und SDD in den Niederlanden nicht auf Länder mit gravierenden Resistenzproblemen übertragen, schlussfolgern die Forscher um Wittekamp. Möglicherweise habe auch der Verzicht auf eine begleitende Cephalosporin-Antibiose bei einer SDD deren Nutzen geschwächt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Ist eine Mund- oder Darmdekontamination bei beatmeten Intensivpatienten auch in Ländern mit ausgeprägten Resistenzproblemen von Vorteil? Antwort: In einer internationalen Cross-over-Studie ließen sich per Dekontamination weder die Sterberate noch die Rate von Bakteriämien reduzieren. Bedeutung: Die Mund- und Darmdekontamination ist offenbar in vielen Ländern überflüssig. Einschränkung: Bei der Darmdekontamination hatten die Ärzte auf eine begleitende Cephalosporin-Therapie verzichtet.

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