Erhöhte Sterberate durch (zu) späte Intensivbehandlung?

Wer auf der Intensivstation stirbt, war häufig zuvor schon längere Zeit in der Klinik. Das weckt den Verdacht, dass manche Patienten viel zu spät intensivmedizinisch behandelt werden. Zugegeben – die Resultate der Studie beziehen sich auf Portugal, und es ist nicht klar, ob sich ein ähnlicher Zusammenhang auch in Deutschland beobachten lässt. Sie könnten aber zum Nachdenken anregen, ob kritisch kranke Patienten wirklich rasch genug von einer normalen Station in den intensivmedizinischen Bereich verlegt werden. Für ihre Studie haben Ärzte um Dr. Sílvia Castro Mortalitäts- und Morbiditätsdaten von 446 Intensivpatienten der Klinik in Faro retrospektiv ausgewertet. Die Klinik verfügt über 650 Betten insgesamt sowie eine 14-Betten-Intensivstation. Von den Intensivpatienten starben knapp 27% auf der Station, die Hälfte davon in den ersten 48 Stunden nach Überstellung. Knapp 35% überlebten den Klinikaufenthalt nicht – manche starben also auch erst nach der Verlegung auf eine andere Station; umgekehrt verließen also 65% der Patienten die Klinik lebend. Häufigster Grund für die Aufnahme auf die Intensivstation war ein septischer Schock (39%), von diesen Patienten starb jeder zweite. Rund 60% der verstorbenen Intensivpatienten waren aufgrund eines Unfall oder eines anderen Notfalls direkt auf die Intensivstation gebracht worden, die übrigen stammten von anderen Stationen oder anderen Kliniken. Ansturm von Patienten in der Urlaubszeit Anhand eines Morbiditätsscores (SAPS II*) ermittelten die Ärzte den Akutzustand der Patienten bei der Aufnahme. Dieser war bei denjenigen, die in der Klinik starben, erwartungsgemäß deutlich schlechter als bei den Überlebenden, auch waren die Verstorbenen deutlich älter. Neben der Morbidität korrelierte jedoch auch die Klinikverweildauer vor der Intensivbehandlung mit der Sterberate, nicht aber die Zeit auf der Intensivstation. So waren die verstorbenen Patienten zuvor signifikant länger in der Klinik behandelt worden als die Überlebenden (p = 0,007). Das legt die Vermutung nahe, dass viele zu spät von normalen Stationen auf die Intensivstation verlegt wurden. Den Ärzten um Castro ist zudem die verglichen mit anderen Intensivstationen recht hohe Sterberate aufgefallen. Diese korreliert wieder mit einem ungewöhnlich hohen Morbiditätsscore. Ärzte und Pflegepersonal in der Notaufnahme scheinen offenbar nur die extremsten Fälle auf die Intensivstation zu verlegen und andere Patienten, die ebenfalls eine Intensivbehandlung benötigen, zunächst auf normale Stationen zu bringen. Dafür haben die Ärzte um Castro zwei Erklärungen: Das Personal in der Notaufnahme erkennt vielleicht häufig den Ernst der Lage nicht, auf der anderen Seite scheint ein hoher Ansturm von Patienten in der Urlaubszeit eine solche Selektion zu begünstigen. So liegen im Einzugsbereich der Klinik viele Urlaubsorte – die Einwohnerzahl der Region verdreifacht sich in den Sommermonaten. SAPS: Simplified Acute Physiology Score

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