Krebsrisiko bei Skoliosepatienten deutlich erhöht

Mit welchen Gesundheitsschäden die häufigen Röntgenuntersuchungen bei Skoliosepatienten verbunden sind, wurde in einer Metaanalyse untersucht. Das Ergebnis: Wer als Jugendlicher an Skoliose litt, hatte langfristig ein um 46% erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung; die krebsbedingte Mortalität war gegenüber der Allgemeinbevölkerung um 50% erhöht. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Patienten mit idiopathischer Skoliose sind oft schon im Alter von zehn oder elf Jahren in Behandlung und erhalten im Verlauf immer wieder bildgebende Untersuchungen, um das Fortschreiten der Wirbelsäulendeformierung bzw. Therapieerfolge einschätzen zu können. Dass die kumulative Strahlendosis, die die jungen Patienten dabei über die Jahre abbekommen, durchaus schädliche Werte erreichen kann, war vielen Behandlern zumindest in der Vergangenheit offenbar kaum bewusst. Um mehr über die Spätfolgen der intensiven Wirbelsäulendiagnostik herauszufinden, haben Fu-Jun Luan, Orthopäde an der Chongqing Medical University in China, und sein Team eine Metaanalyse durchgeführt, die auf neun Studien mit insgesamt 35.641 Teilnehmern beruht. Der Zeitraum, in dem die Untersuchungen durchgeführt wurden, reicht allerdings sehr weit zurück, beginnend bei 1912 bis 1990. Nachbeobachtet wurden die Patienten über mindestens 20 Jahre. Über 14.000 Skoliosepatienten nachbeobachtet Die insgesamt 14.512 Skoliosepatienten wurden in der Regel mehrfach mittels Röntgen oder CT untersucht. Dabei wurden pro Patient im Krankheitsverlauf median 23 Bilder (zwischen 0 und 618!) der ganzen Wirbelsäule angefertigt. Nach Luan und Kollegen war die Wahrscheinlichkeit, im Studienverlauf irgendeine Krebserkrankung zu entwickeln, bei Skoliosepatienten um signifikante 46% erhöht (18% gegenüber 13%). Diese Daten stammen aus drei Studien mit 3031 an Skoliose erkrankten Patienten und 3045 Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung. Unter den Frauen war das Brustkrebsrisiko bei durchgemachter Skoliose um 20% höher als in der entsprechenden Kontrollgruppe. Drei weitere Studien mit insgesamt 22.351 Teilnehmern hatten sich der krebsbedingten Mortalität gewidmet. Diese war bei Skoliosepatienten um signifikante 52% höher als in der Allgemeinbevölkerung (3,88% gegenüber 2,61%). Weniger deutlich waren die Unterschiede bei den Reproduktionsrisiken. So erlebten Frauen mit idiopathischer Skoliose in der Anamnese weder gehäuft spontane Aborte, noch brachten sie signifikant häufiger Kinder mit geringem Geburtsgewicht oder angeborenen Fehlbildungen zur Welt. Auch die Lungenfunktion war durch die Strahlenlast in der Jugend offenbar kaum beeinträchtigt. Der mittlere Performance-Score schließlich, der den Aktivitätsgrad widerspiegelt, lag bei 48 (mit Skoliose) bzw. 50 (Kontrollen); ebenfalls ein nicht signifikanter Unterschied. Dies weist nach Luan et al. darauf hin, dass der Verlauf der idiopathischen Skoliose in der Regel günstig ist. Hohe Strahlenbelastung auch in neueren Studien Im Allgemeinen, so die Forscher, gehe man zwar davon aus, dass die Strahlenbelastung mit Fortschreiten der technischen Entwicklung zurückgegangen sein müsste. Allerdings zeigten auch neuere Daten teilweise überraschend hohe Werte. In einer Kohorte aus Dänemark mit 205 Patienten beispielsweise, die zwischen 1983 und 1990 untersucht wurden, lag die Exposition im Mittel bei 2,4 bis 5,6 mSv pro Jahr. Das Krebsrisiko der Skoliosepatienten war in dieser Studie insgesamt fünfmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Das ALARA*-Prinzip besagt, dass jegliche für medizinische Zwecke eingesetzte Strahlung so gering sein muss wie vernünftigerweise erreichbar. Diesem Prinzip wird jedoch offenbar noch immer nicht ausreichend Rechnung getragen. Wie die Forscher anhand ihrer Metaanalyse herausfanden, wurden auch in jüngerer Zeit nur von wenigen Teams moderne Methoden mit geringer Strahlenlast wie der Röntgen-Kollimator oder das EOS-System eingesetzt. Aber auch simplere Methoden wie die Umstellung von AP- auf PA-Projektion seien noch zu wenig verbreitet. Bei der Posterior-anterior-Projektion treten die Röntgenstrahlen von hinten in den Körper ein. Strahlenempfindlichere Organe wie Schilddrüse, Brust und Gonaden werden dadurch weniger exponiert, ohne dass die Qualität der Aufnahme leidet. *As low as reasonably achievable Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie schädlich ist die Strahlung, die Skoliosepatienten im Lauf ihrer Krankheitsgeschichte abbekommen? Antwort: In einer Metaanalyse war das Krebsrisiko bei Skoliosepatienten gegenüber der Allgemeinbevölkerung um 46% erhöht. Bedeutung: Bei orthopädischen Patienten, die häufig geröntgt werden müssen, ist die kumulative Strahlenexposition zu bedenken. Moderne Methoden, die mit weniger Strahlung auskommen, sind zu bevorzugen. Einschränkung: Überwiegend retrospektive Kohortenstudien; Rekrutierungszeitraum liegt teilweise weit zurück; kausaler Zusammenhang zwischen Röntgenuntersuchungen und Krebsdiagnosen nicht gesichert.

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