Schilddrüsenkarzinom: Überdiagnostik auch bei Kindern?

Die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs hat in den vergangenen 30 Jahren bei Erwachsenen deutlich zugenommen, wofür auch Überdiagnostik verantwortlich sein könnte. Möglicherweise gilt dies auch für Kinder und Jugendliche. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die steigende Inzidenz von Schilddrüsenkarzinomen bei Erwachsenen ist französischen Forschern zufolge vor allem auf Überdiagnosen zurückzuführen. In einer aktuellen Studie entdeckten sie ähnliche Muster bei Kindern und Jugendlichen. Das Team um Dr. Salvatore Vaccarella von der Internationalen Agentur für Krebsforschung in Lyon verglich die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs bei unter 20-Jährigen in 49 Ländern sowie die Mortalitätsraten in 27 Ländern. Die Forscher nutzten dafür Daten aus internationalen Krebsregistern und der WHO-Datenbank und analysierten zeitliche Trends. Die altersstandardisierten Inzidenzraten von Schilddrüsenkarzinomen bei Kindern und Jugendlichen reichten in den Jahren 2008 bis 2012 von 0,4 Erkrankungen pro Million Personenjahre in Kenia bis 13,4 Erkrankungen pro Million Personenjahre in Belarus. Die weite Spanne lässt sich laut Vaccarella und Kollegen vor allem durch die unterschiedlichen Inzidenzen von papillären Karzinomen erklären. Mädchen stärker betroffen als Jungen Die Inzidenzraten waren bei Mädchen fast immer höher als bei Jungen und stiegen bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter an. In nahezu allen Ländern zeigte sich bei einem Vergleich der Zeiträume 1998 bis 2002 und 2008 bis 2012 eine deutliche Zunahme der Inzidenz im Laufe der Zeit. Die einzelnen Inzidenzraten und ihre Entwicklung korrelierten stark mit denen bei Erwachsenen. Todesfälle durch Schilddrüsenkarzinome waren selten: Bei Kindern und Jugendlichen lag die Rate in allen Ländern unter 0,1 pro 10 Millionen Personenjahre im Zeitraum von 2008 bis 2012. Die Langzeitmortalität konnte nicht untersucht werden. Studien mit an Schilddrüsenkrebs erkrankten Erwachsenen deuten jedoch darauf hin, dass die Mortalitätsraten stabil bleiben oder sogar abnehmen. „Der rasche Anstieg der Inzidenz von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren legt nahe, dass auch bei ihnen eine Überdiagnose vorliegt“, so Vaccarella und Kollegen. Dies sei die Folge von verstärkten Screenings und neuen diagnostischen Verfahren, durch die viele nicht tödliche Tumoren entdeckt werden. Mehr Nutzen durch weniger Screening? Betroffene Kinder werden meist einer Schilddrüsenresektion unterzogen, was eine lebenslange Hormonersatztherapie erfordert und die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann. Um ihnen potenziell nicht notwendige Behandlungen zu ersparen, schlagen Vaccarella und sein Team vor, die bestehende Empfehlung bei Erwachsenen auf Kinder und Jugendliche zu erweitern. Das würde bedeuten, nur auf Schilddrüsenkarzinome zu screenen, wenn spezifische Risikofaktoren oder Symptome vorliegen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie entwickeln sich Inzidenz und Mortalitätsraten von Schilddrüsenkarzinomen bei Kindern und Jugendlichen weltweit? Antwort: Wie bei Erwachsenen hat die Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen im Laufe der Zeit deutlich zugenommen, Todesfälle sind jedoch selten. Bedeutung: Die zunehmende Inzidenz kann auf Überdiagnosen hindeuten. Die Studienautoren schlagen deshalb vor, nur Personen mit Risikofaktoren zu screenen. Einschränkung: Es liegen keine Daten zu Stadium und Größe der Karzinome der Studienteilnehmer vor.

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