Therapieresistente Schultersteife: Krebs als Auslöser?

Sollten Patienten mit adhäsiver Kapsulitis (Schultersteife) auf die Therapie nicht ansprechen, könnte die Ursache der Beschwerden eine Krebserkrankung sein. Einen Zusammenhang haben jetzt dänische Epidemiologen in einer bevölkerungsgestützten Studie ausgemacht. Für die Empfehlung zum Screening reichen die Daten allerdings nicht aus. Die Entstehung einer adhäsiven Kapsulitis, die sich in den meisten Fällen nach einiger Zeit von selbst zurückbildet, ist noch immer nicht komplett verstanden. Bereits Ende der 1990er-Jahre gab es Hinweise, dass die Schultersteife eine muskuloskelettale Manifestation solider und hämatologischer Malignome ist, wie Dr. Alma B. Pedersen und ihre Kollegen von der Universitätsklinik in Aarhus berichten (J Clin Oncol 15/3: 1272–1282). Zudem gebe es Berichte, denen zufolge sich so manche Schultersteife später als Tumor in der Schulterregion entpuppte und andererseits eine Kapsulitis auch Folge einer Mastektomie nach Brustkrebs war. Um den Zusammenhang zwischen Schultersteife und Krebsentstehung genauer zu untersuchen, werteten deshalb die Wissenschaftler Daten dänischer Register, etwa des Krebsregisters, aus. Erhoben wurden die Daten zwischen 1995 und 2013. Patienten, die vor der Schultersteife bereits Krebs hatten, wurden nicht berücksichtigt. Das Follow-up der Studienteilnehmer reichte von der Diagnose der Kapsulitis bis zur Krebsdiagnose. Das Krebsrisiko berechneten Pedersen und ihre Kollegen für zwei Studienabschnitte: das erste halbe Jahr sowie ab sechs Monaten nach der Schulterdiagnose. Unter anderem berechneten sie die SIR (Standardised Incidence Ratio), also das Verhältnis zwischen den beobachteten und den erwarteten Krebsereignissen. Unter den 29.098 Studienteilnehmern, bei denen eine Kapsulitis diagnostiziert worden war, erkrankten im Studienzeitraum 2572 Patienten an Krebs. Die Zahl der erwarteten Krebserkrankungen lag bei 2423 Fällen, das mediane Follow-up bei fünf Jahren. Zum Zeitpunkt der Diagnose einer adhäsiven Kapsulitis waren die Studienteilnehmer median 53 Jahre alt. Wie die Epidemiologen berichten, erkrankten innerhalb des ersten halben Jahres nach der Diagnose einer Schultersteife 198 Patienten an Krebs (erwartet: 143,9). Das entspricht einer kumulativen Krebsinzidenz von 0,70% (einer von 142 Patienten) und einer SIR von 1,38 (95%-Konfidenzintervall zwischen 1,19 und 1,58). Erhöhte SIR-Werte stellten sich bei drei Krebserkrankungen heraus: Lungenkrebs (SIR: 2,19; 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,48 und 3,13), Brustkrebs (SIR: 1,51; 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,02 und 2,15) und Non-Hodgkin-Lymphom (NHL; SIR: 2,28; 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,09 und 4,20). Von 133 Patienten habe es Angaben zum Krebsstadium gegeben, so die Wissenschaftler. 61% von ihnen waren im Beobachtungszeitraum im Stadium II oder III. Im zweiten Beobachtungszeitraum, also mehr als sechs Monate bis maximal 18,9 Jahre nach der Kapsulitisdiagnose, mit einem medianen Follow-up von 4,9 Jahren erkrankten 2374 Patienten an Krebs (erwartet: 2290,4). Die kumulative Inzidenz betrug 8%, die SIR errechnete sich daraus zu einem Wert von 1,04 (95%-Konfidenzintervall zwischen 1,00 und 1,08). Nur das Risiko für ein NHL war demnach in diesem Zeitraum erhöht (SIR: 1,35; 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,09 und 1,66), für Brust- bzw. Lungenkrebs dagegen nicht. Von den 1519 Patienten mit Krebs waren 69% im Stadium II oder III. Als eine mögliche Erklärung für die Schulterbeschwerden wird diskutiert, dass Krebszellen in das Schultergelenk oder die peripheren Nerven einwandern, etwa bei Lungenkrebs. Nach Ansicht der dänischen Epidemiologen stützt die Studie dieses Modell, da sich insgesamt 72% der Studienteilnehmer mit Krebs im Stadium III oder IV der Erkrankung befanden. Die sich aus der Invasion entwickelnden Symptome könnten als Schultersteife fehlinterpretiert werden. Andererseits könne das beobachtete erhöhte Krebsrisiko aber auch darauf beruhen, dass Patienten aufgrund der Schultersymptomatik verstärkt eine Klinik aufsuchten, so Pedersen und ihre Kollegen. Zudem erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, etwa Lungenkrebs zu entdecken, durch häufige radiologische Untersuchungen bei diesen Patienten. Die Kapsulitis könne zwar ein möglicher Marker für eine Krebserkrankung sein, für ein generelles Screening sei jedoch unter dem Nutzen-Risiko-Aspekt die Datenlage nicht ausreichend.

Springer Medizin

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