06.08.2024 | Somatoforme Störungen | Originalien
Psychisch erkrankte Menschen mit Arbeitslosengeld-II-Bezug im Jobcenter
Diagnosespektrum und Versorgung – erste Ergebnisse aus dem LIPSY-Projekt
verfasst von:
M. Koschig, M.Sc. Psych., F. Hußenöder, I. Conrad, M. Alberti, K. Gatzsche, L. Bieler, K. Stengler, S. G. Riedel-Heller
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 9/2024
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Zusammenfassung
Hintergrund
Obgleich Menschen mit Arbeitslosengeld(ALG)-II-Bezug regelmäßig im Jobcenter betreut sind, ist wenig über ihre psychische Situation und ihre fachspezifische Versorgung bekannt.
Ziel der Arbeit
Die Arbeit zielt auf die Erfassung des Diagnosespektrums, einhergehender Funktionseinschränkung und das Inanspruchnahmeverhalten für fachspezifische Hilfen psychisch erkrankter Menschen mit ALG-II-Bezug ab.
Methode
ALG-II-Beziehende mit psychischen Problemen wurden im Rahmen des Projektes „Leipzig – Individual Placement and Support für psychisch kranke Menschen“ (LIPSY) im Jobcenter rekrutiert und dort initial nach der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10 (ICD-10) diagnostiziert und beim Vorliegen einer psychischen Erkrankung ins Projekt eingeschlossen. Die Erfassung der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen erfolgte standardisiert. In der vorliegenden Arbeit werden Daten der ersten 583 konsekutiv eingeschlossenen Personen deskriptiv und multivariat analysiert.
Ergebnisse
Die Teilnehmenden (n = 583; 51,5 % weiblich; Durchschnittsalter 36 Jahre; im Mittel 4,8 Jahre arbeitslos) litten zu 60,7 % an affektiven Störungen, gefolgt von neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (42,5 %). Mit einem mittleren GAF(Global Assessment of Functioning)-Wert von 49,4 (SD 7,7) liegt im Mittel eine ernsthafte Beeinträchtigung vor. Die Hälfte der Teilnehmenden (48,5 %) war in den letzten sechs Monaten vor Projekteintritt weder in psychotherapeutischer, psychiatrischer noch neurologischer Behandlung.
Diskussion
Es konnte gezeigt werden, dass ein breites Spektrum an psychischen Erkrankungen mit substanzieller Funktionseinschränkung vorliegt. Die Daten sprechen für eine erhebliche Unterversorgung und schwere Erreichbarkeit dieser Gruppe.