Typ-2-Diabetes: Interdisziplinär therapieren und Prognosen verbessern

Eine zeitgemäße Diabetestherapie sollte nicht allein für eine optimale Stoffwechselkontrolle sorgen, sondern darüber hinaus auch kardio-renale Risikofaktoren wie Übergewicht, Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen positiv beeinflussen. Mit seinen stoffwechselkontrollierenden Eigenschaften und seinem Einfluss auf makro- und mikrovaskuläre Ereignisse kann Liraglutid im Sinn einer multifaktoriellen und interdisziplinär ausgerichteten Therapie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Prognose von Menschen mit Typ-2-Diabetes leisten. Aus klinischen und epidemiologischen Untersuchungen geht eindeutig hervor, dass kardiovaskuläre Erkrankungen die Hauptursache für die im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hohe Morbidität und Mortalität bei Menschen mit Diabetes sind [1]. Menschen mit Typ-2-Diabetes haben nach dem 50. Lebensjahr ein ähnlich hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall wie Nichtdiabetiker nach einem Myokardinfarkt. Der Typ-2-Diabetes ist damit ein Hochrisikoäquivalent für kardiovaskuläre Erkrankungen [2]. Aber auch Nierenerkrankungen steigern die mit Diabetes verbundene Morbidität und Mortalität [3]. Zudem weisen Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen ein erheblich erhöhtes Risiko auf, kardiovaskuläre Ereignisse zu erleiden [4]. Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland, Aachen, wies darauf hin, dass eine zeitgemäße Diabetestherapie deshalb nicht nur kurzfristig für eine optimale Stoffwechselkontrolle sorgen sollte, ohne Hypoglykämien und eine Gewichtszunahme hervorzurufen, sondern dass sie darüber hinaus auch mittel- und längerfristig einen Beitrag zur Vermeidung mikro- und makrovaskulärer Komplikationen beitragen muss. Multifaktorielle Therapie ist zielführend Zusätzlich müsse bei der Therapiewahl hinterfragt werden, ob die gewählte Intervention sicher, verträglich und dazu in der Lage ist, das Therapieergebnis der Patienten langfristig zu verbessern – d.h., ob z.B. schwere kardiovaskuläre und renale Ereignisse durch die Behandlungsmaßnahme verhindert werden können, forderte Müller-Wieland. In der Therapie von Patienten mit Typ-2-Diabetes scheint ein Paradigmenwechsel vom glukozentrischen hin zu einem multifaktoriellen, kardiovaskuläre und renale Ereignisse reduzierenden Ansatz stattzufinden. „Nach einem Behandlungsbeginn mit Lebensstiländerungen und der Gabe von Metformin sollte ein Wirkstoff ergänzt werden, für den in der betreffenden Patientenpopulation nachgewiesen wurde, dass er kardiovaskuläre Komplikationen reduzieren kann. Dazu raten für kardiovaskulär vorbelastete Patienten auch die Empfehlungen der ADA (American Diabetes Association) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)”, so der Diabetologe [5, 6]. Ein solcher Nachweis, der jeweils in Populationen mit hohem kardiovaskulären Risiko erbracht wurde, liege derzeit nur für Empagliflozin und Liraglutid (Victoza®) vor. LEADER-Studie: Kardiovaskuläre Prävention In Deutschland ist Liraglutid der einzige verfügbare Wirkstoff aus der Substanzklasse der GLP (Glucagon-like Peptide)-1-Rezeptor-Agonisten, für den eine Prävention von schweren kardiovaskulären Ereignissen (MACE=major adverse cardiac events) bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulärem Risiko bestätigt worden ist [7, 8]. Die Evidenz stammt, wie Prof. Dr. Roland Schmieder, Erlangen, berichtete, aus der kardiovaskulären Endpunktstudie LEADER (Liraglutide Effect and Action in Diabetes: Evaluation of Cardiovascular Outcome Results) [7]. In die Untersuchung eingeschlossen wurden 9.340 Menschen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Vorerkrankungen bzw. erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Gezeigt werden konnte, dass sich das Risiko für den primären kombinierten Endpunkt (erstes Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Myokardinfarkt oder nicht-tödlichem Schlaganfall) unter dem zusätzlich zu einer Standardtherapie* gegebenen Liraglutid gegenüber Placebo signifikant um relativ 13% reduzierte (Hazard Ratio [HR] 0,87; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,78–0,07: p<0,001 für Nicht-Unterlegenheit; p=0,01 für Überlegenheit) [7]. Als entscheidend für den Unterschied zugunsten von Liraglutid erwies sich die signifikante Abnahme der kardiovaskulären Mortalität, deren Rate von 6,0% (Placebo-Arm) auf 4,7% gesenkt wurde (relative Risikoreduktion: 22%, p=0,007). Diese Reduktion spiegelte sich zugleich in einer signifikanten Abnahme der Gesamtsterberate von 9,6% auf 8,2% wider (relative Risikoreduktion: 15%, p=0,02) [7]. Eine Post-hoc-Subgruppenanalyse ergab, dass diese Risikoreduktion unabhängig davon auftrat, ob die Patienten zu Studienbeginn bereits mindestens einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten [9]. Renale Endpunkte Wie Schmieder ausführte, ist für die Prognose von Menschen mit Typ-2-Diabetes jedoch nicht nur der Einfluss der antidiabetischen Therapie auf makro-, sondern auch auf mikrovaskuläre Ereignisse von Bedeutung: „Hinsichtlich der Ereignisrate für die terminale Niereninsuffizienz hat sich trotz der Einführung neuer Antidiabetika bislang allerdings noch zu wenig verändert“, kritisierte der Nephrologe [10]. Um die Progression von der diabetischen Nephropathie hin zur terminalen Niereninsuffizienz zu verhindern, müsse so früh wie möglich eine gute Stoffwechseleinstellung erreicht und ein Nephrologe mit in die Behandlungsplanung einbezogen werden, forderte Schmieder. „Vor über zehn Jahren wurde in der ADVANCE (Action in Diabetes and Vascular disease: preterAx and diamicroN MR Controlled Evaluation)-Studie gezeigt, dass die Rate mikrovaskulärer Ereignisse durch eine strenge Senkung des HbA1c-Werts auf 6,5% gegenüber einer Senkung auf den Standardwert reduziert werden kann [11]. Mit einer präspezifizierten sekundären Analyse der LEADER-Studie wurden jetzt neue Daten zu renalen Endpunkten publiziert“, berichtete Schmieder [12]. Nachgewiesen werden konnte, dass die zusätzliche Gabe von Liraglutid die Zeit bis zum ersten renalen Ereignis – definiert als persistierende Makroalbuminurie, persistierende Verdopplung der Serumkreatinin-Konzentration, terminale Niereninsuffizienz oder Tod infolge einer renalen Erkrankung – gegenüber der alleinigen Standardtherapie signifikant verlängert (HR 0,78; 95%-KI 0,67–0,92; p=0,003; Abb. 1) [12]. Das Ergebnis ergab sich vor allem aufgrund der um relativ 26% verminderten Rate an neu aufgetretenen Makroalbuminurien (HR 0,74; 95%-KI 0,60–0,91; p=0,004). Insgesamt traten Mikroalbuminurien unter der Therapie mit dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten seltener auf als unter Placebo (nicht präspezifizierter Endpunkt). Aus den nachfolgenden Analysen ließ sich schlussfolgern, dass der Effekt von Liraglutid auf den Nierenendpunkt unabhängig ist von der glykämischen Kontrolle [12]. Gegenüber Empagliflozin hat Liraglutid den Vorteil, dass es auch bei Patienten mit schwerer Einschränkung der Nierenfunktion eingesetzt werden kann – ohne Dosisanpassung [8]. Abb. 1: LEADER-Studie: Erstes Auftreten des präspezifizierten sekundären kombinierten Nierenendpunkts signifikant reduziert (modifiziert nach [12]) Springer Medizin Verlag GmbH × Gemeinsame Verantwortung für den Patienten Unter Liraglutid in Kombination mit einer Standardtherapie* wurde in verschiedenen Vergleichsstudien eine zumindest gleichwertige oder sogar überlegene glykämische Kontrolle belegt [13–17]. Gezeigt werden konnte zudem, dass die Behandlung mit dem humanen GLP-1-Analogon mit einer dauerhaften Gewichtsreduktion verbunden sein kann [13–17]. Hypoglykämien, eine potenziell tödliche Komplikation, die Müller-Wieland zufolge in der Praxis dennoch häufig bagatellisiert werde, traten in der LEADER-Studie unter Liraglutid signifikant seltener auf als im Kontrollarm [7]. Der Stellenwert von Liraglutid für die Praxis zeigt sich nicht zuletzt in den Empfehlungen für den Einsatz des GLP-1-Rezeptor-Agonisten in internationalen und nationalen Leitlinien [5, 6]. „Als Konsequenz aus den Empfehlungen ergibt sich zugleich, dass Diabetologen, Kardiologen und Nephrologen die Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes, die ein hohes kardiorenales Risiko haben, im Sinne einer interdisziplinären Zusammenarbeit gemeinsam gestalten sollten”, schloss Müller-Wieland. *Lebensstiländerungen, blutzuckersenkend und kardiovaskulär wirkende Substanzen Literatur Stirban AO, Tschoepe D, Diabetes Care 2008; 31 (Suppl 2): S215–S221 Schramm TK et al., Circulation 2008; 117: 1945–1954 Afkarian M et al., J Am Soc Nephrol 2013; 24: 302–308 Nationale VersorgungsLeitlinie Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter – Langfassung, 1. Auflage. Version 6. 2010, zuletzt verändert: September 2015 ADA Diabetes Care. 2018; 41 (Suppl. 1): S1−S135 Landgraf R et al., Diabetologie 2017; 12 (Suppl 2): S141–S156 Marso SP et al., N Engl J Med 2016; 375: 311–322 Fachinformation Victoza®. Stand: Juli 2017 Poulter NR et al., Eur Heart J 2017; 38 (Suppl): 819, Abstract 3909 Gregg EW et al., N Engl J Med 2014; 370: 1514–1523 ADVANCE Collaborative Group et al., N Engl J Med 2008; 358: 2560–2572 Mann JFE et al., N Engl J Med 2017; 377: 839–848 Pratley R et al., Int J Clin Pract 2011; 65: 397–407 Nauck M et al., Diabetes Care 2016; 39: 1501–1509 Buse JB et al., Lancet 2013; 381: 117–124 Pratley RE et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2014; 2: 289–297 Dungan KM et al., Lancet 2014; 384: 1349–1357 Victoza® 6 mg/ml Injektionslösung in einem Fertigpen. Wirkstoff: Liraglutid. Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandteil: 6 mg/ml Liraglutid. Analogon zu humanem Glucagon-like peptide-1 (GLP-1), gentechn. hergestellt durch rekombinante DNS-Technologie in Saccharomyces cerevisiae. Sonstige Bestandteile: Natriummonohydrogenphosphat-Dihydrat, Propylenglycol, Phenol, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Victoza® wird zur Behandlung des unzureichend kontrollierten Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen als Zusatz zu Diät und körperlicher Aktivität angewendet: Als Monotherapie, wenn die Anwendung von Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit oder Kontraindikation ungeeignet ist. Zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus. Für Studienergebnisse hinsichtlich Kombinationen, Auswirkungen auf die glykämische Kontrolle und kardiovaskuläre Ereignisse, sowie untersuchten Populationen, siehe Abschnitte 4.4, 4.5 und 5.1 der Fachinformation. Art der Anwendung: Victoza® wird einmal täglich zu einem beliebigen Zeitpunkt und unabhängig von den Mahlzeiten gegeben. Die subkutane Injektion kann in Abdomen, Oberschenkel oder Oberarm erfolgen. Victoza® darf nicht intravenös oder intramuskulär angewendet werden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Victoza® sollte nicht bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 oder zur Behandlung der diabetischen Ketoazidose angewendet werden. Victoza® ist kein Ersatz für Insulin. Victoza® wird nicht zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren empfohlen. Es liegen wenige bis keine Erfahrungen mit diesem Arzneimittel bei Patienten mit Herzinsuffizienz vor, ein Einsatz bei schwerer Herzinsuffizienz (NYHA IV) wird nicht empfohlen. Victoza® kann bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz nicht empfohlen werden. Ebenso ist Victoza® bei Patienten mit einer schweren Leberfunktionsstörung, entzündlichen Darmkrankheiten und diabetischer Gastroparese nicht zu empfehlen. Wird eine Pankreatitis vermutet, ist Liraglutid abzusetzen. Bei Patienten mit bestehender Schilddrüsenerkrankung sollte Victoza® mit Vorsicht angewendet werden. Das Risiko einer Hypoglykämie kann durch Reduktion der Sulfonylharnstoff- oder der Insulindosis gesenkt werden. Patienten müssen auf das potenzielle Dehydrierungs-Risiko hingewiesen werden und Vorkehrungen gegen Flüssigkeitsverluste treffen. Victoza® soll während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Übelkeit, Durchfall; häufig: Erkältung, Bronchitis, Hypoglykämie, Anorexie, verminderter Appetit, Kopfschmerzen, Schwindel, erhöhte Herzfrequenz, Erbrechen, Dyspepsie, Oberbauchschmerzen, Obstipation, Gastritis, Flatulenz, abdominelles Spannungsgefühl, gastroösophageale Refluxkrankheit, abdominale Beschwerden, Zahnschmerzen, Ausschlag, Erschöpfung, Reaktionen an der Injektionsstelle, Erhöhung von Pankreasenzymen (wie Lipase und Amylase); gelegentlich: Dehydrierung, Gallensteine, Entzündung der Gallenblase, Urtikaria, Juckreiz, Beeinträchtigung der Nierenfunktion, akutes Nierenversagen, Unwohlsein; selten: Anaphylaktische Reaktionen, Darmverschluss; sehr selten: Pankreatitis (einschließlich nekrotisierender Pankreatitis). Verschreibungspflichtig. Novo Nordisk A/S, Novo Allé, 2880 Bagsvaerd, Dänemark. Stand: Juli 2017 Impressum „Paradigmenwechsel in der T2DM-Therapie – Wie wir die Prognose unserer Patienten verbessern können“ Symposium anlässlich des 53. Frühjahrskongresses der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG) – Diabetes Kongress Berlin, 9. Mai 2018 Berichterstattung: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt a.M. Artikel gedruckt in „Der Kardiologe“, Band 12, Ausgabe 4/2018 Mit freundlicher Unterstützung der Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Teresa Windelen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: "Herz und Niere im Blick - Typ-2-Diabetes: Interdisziplinär therapieren und Prognosen verbessern"

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