Das ist bei Tauchunfällen zu tun

Tauchunfälle sind zwar selten, können aber schnell lebensbedrohlich werden. Deshalb muss die Situation richtig eingeschätzt werden. Noch am Unfallort sind entsprechende Erstmaßnahmen einzuleiten. Je höher der Druck ist, der auf einem System von Gas und Flüssigkeit lastet, desto mehr Gas wird in der Flüssigkeit gelöst. Dies gilt auch unter Wasser, wenn der Druck auf den Taucher mit zunehmender Tiefe zunimmt, erinnern Ärzte um Professor André Gries vom Uniklinikum Leipzig (Notfall Rettungsmed 2018; 21:615–626). Der Stickstoff, der beim traditionellen Presslufttauchen eingeatmet wird, wird anders als der Sauerstoff nicht verbraucht oder verstoffwechselt (Inertgas). Beim Auftauchen geht er unter abnehmendem Druck wieder in den Gaszustand über und kann dann über die Lunge abgeatmet werden. Dabei kommt es vorübergehend zur relativen Stickstoffübersättigung in den Körpergeweben. Gerät der Taucher zu rasch nach oben, könne es durch Scherkräfte zur Bildung von Blasen in Blut und Geweben kommen, so die Autoren. Dabei wandert das in den übersättigten Geweben gelöste Gas in wandständige Blasen hinein, die sich schließlich vergrößern und ablösen. Folge ist die Dekompressionskrankheit (DCS). Wird die Lunge so stark überdehnt, dass Alveolen rupturieren, treten Gasblasen direkt in die arterielle Strombahn über, und es entsteht eine arterielle Gasembolie (AGE) in verschiedensten Organen. Symptome erst nach Stunden Alle Symptome, die bis zu 24 Stunden nach einem Tauchgang neu auftreten, sind als mögliche Dekompressionsunfälle (DCI) anzusehen, schreiben Gries und Kollegen. Aber auch die Möglichkeit der Manifestation anderer akuter neurologischer oder internistischer Erkrankungen beim Tauchen müssten berücksichtigt werden. Symptome eines Dekompressionsunfalls Gelenk- und Muskelschmerz ist eines der auffälligsten Symptome, Hautveränderungen wie Marmorierungen oder Juckreiz, Bewusstseinsstörungen oder motorische beziehungsweise sensorische Probleme bei Beteiligung des ZNS, Barotrauma in luftgefüllten Hohlräumen, etwa in Lunge und Innenohr. Da Inertgasblasen in den verschiedensten Kompartimenten entstehen, kann ein DCI durch vielfältige Symptome in Erscheinungen treten. Am auffälligsten sind Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Hautveränderungen wie Marmorierungen oder Juckreiz. Ist das ZNS beteiligt, kann es zu Bewusstseinsstörungen oder motorischen beziehungsweise sensorischen Problemen kommen. Abgesehen davon kann ein Barotrauma durch fehlenden Ausgleich von Innen- und Umgebungsdruck in allen luftgefüllten Hohlräumen entstehen, etwa in Lunge und Innenohr oder auch im Maskenkörper oder Trockenanzug. Bei einem pulmonalen Barotrauma überdehnen beziehungsweise rupturieren Alveolen. Daraus könne sich ein Pneumothorax oder Pneumomediastinum mit kardiozirkulatorischer Kompromittierung bilden, so die Notfallmediziner. Besondere Risikokandidaten hierfür seien Personen mit obstruktiven Atemwegserkrankungen oder Air trapping. Der Schweregrad eines Tauchunfalls wird nach den Symptomen festgelegt. Als leichte Symptome gelten Hautjucken und "nicht normale Müdigkeit". Bilden sich diese nach 30-minütiger Sauerstofftherapie nicht vollständig zurück oder treten erneut auf, wird die Symptomatik – ebenso wie bei Bestehen aller anderen Symptome – als "schwer" eingeordnet. Erstversorgung: sofort Sauerstoff! Die Erstversorgung am Unfallort richtet sich nach notfallmedizinischen Standards und erfolgt symptomorientiert. Bei leichter Symptomatik erhält der Patient neben 100-prozentigem normobarem Sauerstoff eine moderate Rehydrierung mit 0,5–1 l Flüssigkeit / h oral. Zudem sollte er unter wiederholten neurologischen Kontrollen und Maßnahmen zur Vermeidung einer Hypothermie ruhig gelagert werden. Bei unklarer Situation kann eine taucherärztliche Telefonberatung (international: +39 06.4211-8685) in Anspruch genommen werden. Den aktuellen Empfehlungen zufolge soll ein Patient auch nach Rückbildung leichter Symptome über 24 Stunden nachbeobachtet werden. Treten Hautflecken und -veränderungen, Ameisenlaufen, Taubheitsgefühl, Schmerzen, Lähmungen, Blasenentleerungsstörungen, körperliche Schwäche, Atembeschwerden, Seh-, Hör- oder Sprachstörungen, Schwindel, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen oder Bewusstlosigkeit auf, oder bilden sich leichte Symptome nicht innerhalb der 30-minütigen Sauerstofftherapie zurück, sind die erforderlichen Maßnahmen für eine schwere Symptomatik zu ergreifen. Diese umfassen gegebenenfalls Wiederbelebung, Ruhig- oder Seitenlagerung, permanente Sauerstoffzufuhr bis zum Erreichen der Behandlungsdruckkammer, Flüssigkeitsgabe, Alarmieren der Rettungsleitstelle, Überwachung, taucherärztliche Telefonberatung sowie die Transportorganisation. Tauchcomputer an Rettungsdienst übergeben Informationen zum Tauchverlauf und die Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen und Resultate können die Weiterbehandlung erleichtern, erinnern die Notfallmediziner. Der Tauchcomputer sollte daher beim Patienten verbleiben oder dem Rettungsdienst mitgegeben werden. Im Rahmen der Erstversorgung ist die schnelle Gabe höchstmöglicher Konzentrationen von Sauerstoff erforderlich (100 Prozent mithilfe eines Atemreglers oder "Demand"-Ventils, nichtinvasiver Ventilation (NIV) beziehungsweise kontinuierlicher Überdruckbeatmung (CPAP) mit Maske oder ein Kreislaufsystem mit CO2-Absorber, gegebenenfalls auch über Konstantdosierung ≥ 15 l / min mit Reservoirbeutel). Dabei ist irrelevant, welches Gasgemisch während des Tauchgangs eingeatmet wurde. Gries und Kollegen berichten, entscheidend sei die Verringerung des erhöhten Stickstoffanteils im Gewebe über die alveoläre Ventilation. Zudem könne ein hoher Sauerstoffpartialdruck die Resorption intravaskulärer Gasblasen reduzieren. Um Bewusstsein, Bewegungsfähigkeit und Wahrnehmung beispielsweise mit "5-min-Neurochecks" immer wieder zu überprüfen, sollte bei ausreichender Vigilanz eine Masken-CPAP / NIV-Beatmung der endotrachealen Intubation vorgezogen werden. Hyperbare Oxygenierung ist Goldstandard Wichtig sei auch, den Verunfallten so schnell wie möglich in ein Zentrum mit therapeutisch nutzbarer Druckkammer und intensivmedizinischer Betreuung zu bringen, am besten mit dem Rettungshubschrauber. Die hyperbare Oxygenierung (HBO) gilt als Goldstandard bei der Behandlung eines schweren DCI. Bis dahin erhält der Patient lückenlos hochdosierten Sauerstoff, raten die Ärzte. Vor Beginn der HBO müsse ein Pneumothorax ausgeschlossen beziehungsweise entlastet werden. Sei der Patient zum Druckausgleichsmanöver des Mittelohrs nicht fähig, sei eine Parazentese angezeigt. Nach der Druckkammerbehandlung sei eine 24-stündige stationäre Überwachung obligatorisch. Dies gelte auch für den Tauchpartner, da sich Symptome eines DCI verspätet einstellen können, so die Notfallmediziner. Eignungstest bei Sporttaucher: Cholesterin und BMI checken Bei Sporttauchern sind kardiovaskuläre Risikofaktoren, die das Tauchen gefährlich machen können, offenbar gar nicht so selten. Um die aktuelle Situation bei Sporttauchern hinsichtlich ihrer kardiovaskulären Risikofaktoren zu beschreiben, haben Wissenschaftler um Dr. Peter Buzzacott vom Divers Alert Network in Durham die Ergebnisse einer alle zwei Jahre stattfindenden Umfrage in den USA analysiert (Eur J Prev Cardiol 2018; 25(13): 1406-1408). In dem "Behavioral Risk Factor Surveillance System" (BRFSS) werden unter der Ägide der US-Behörde CDC per Telefon auch bei Sporttauchern Infos über deren körperliche Aktivität und das Training eingeholt, und das schon seit 1984. In den Umfragen 2011, 2013 und 2015 waren auch Fragen zum Sporttauchen enthalten. Diese Daten werteten die Forscher nun aus, nachdem in einem aktuellen Jahresbericht des Divers Alert Network Hinweise auf kardiovaskuläre Risikofaktoren als Ursache für Tauchunfälle aufgetaucht waren. Wurden die drei jüngsten Umfragen berücksichtigt, kamen die Forscher auf eine Zahl von mehr als 735 Millionen Befragten. Davon hatten fast 500 Millionen angegeben, in den vergangenen Monaten körperlich aktiv gewesen zu sein. Fast 114.000 Befragte nannten Sporttauchen als jene Sportart, die sie am häufigsten oder zweithäufigsten ausübten. Als dreifach größere Kontrollgruppe wählten die Wissenschaftler sportlich aktive Teilnehmer der gleichen Altersgruppen, die kein Sporttauchen ausübten. Im Median waren die Teilnehmer eigenen Angaben zufolge einmal pro Woche beim Sporttauchen, und zwar durchschnittlich für zwei Stunden. Auf der Basis ihrer Angaben lag der durchschnittliche BMI bei 26,1, in der Kontrollgruppe bei 27,3 kg / m2. Die maximale Sauerstoffaufnahme bei den Tauchern lag geschätzt bei 35,2 ml / kg / min. Wie die Forscher berichten, gaben mehr als 90 Prozent der Befragten an, unter anderem keine KHK, keinen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs gehabt zu haben. Bei 30 Prozent der Taucher und der Kontrollpersonen lag jedoch ein erhöhter Cholesterinwert vor, etwa 36 Prozent aller Teilnehmer waren mindestens 50 Jahre alt. Signifikant mehr Sporttaucher waren übergewichtig (47,9 versus 43,3 Prozent). Ebenso waren mehr Taucher als Kontrollpersonen ehemalige Raucher (39,6 versus 25,5 Prozent). Die Forscher weisen darauf hin, dass die Befragungen zum Sporttauchen möglicherweise nicht repräsentativ seien. Dennoch halten sie es für sinnvoll, bei der Tauglichkeitsprüfung auch auf hohe Cholesterinspiegel und BMI-Werte sowie das Rauchverhalten zu achten. Im tauchmedizinischen Untersuchungsbogen von 2017 der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin und der Österreichischen Gesellschaft für Tauch- und Hyperbarmedizin werden in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System zwar Herzfehler, erhöhter Blutdruck, Durchblutungsstörungen, Operationen, Thrombosen und Emboli abgefragt, nicht aber kardiovaskuläre Risikofaktoren. (ple) Mehr zum Thema Reisemedizin: Fieber nach Tropenreise richtig einschätzen Welche Reiseimpfungen 2019 wichtig sind Quelle: Ärzte Zeitung

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