Erschienen in:
08.08.2016 | ST-Hebungsinfarkt | Originalien
Präklinische Fibrinolyse bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt in einer ländlich geprägten Region
verfasst von:
PD Dr. med. T. Viergutz, J. Grüttner, T. Walter, C. Weiss, B. Haaff, G. Pollach, C. Madler, T. Luiz
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 9/2016
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt in den aktuellen Guidelines für Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) die präklinische Fibrinolyse als Reperfusionstherapie, wenn aufgrund langer Transportzeiten, etwa in ländlichen Regionen, eine Herzkatheteruntersuchung nicht innerhalb von 90–120 min durchführbar ist. Allerdings besteht hier Unsicherheit, da die Fibrinolyse heute insgesamt selten indiziert und die Erfahrung mit dieser Methode nur noch gering ist.
Methodik
In einem ländlich geprägten Gebiet in Südwestdeutschland, in welchem keine Möglichkeit einer routinemäßigen Notfallkoronarintervention innerhalb von 90 min zur Verfügung stand, wurden 156 Patienten mit STEMI von speziell geschulten Notärzten nach einem Behandlungsstandard der umliegenden Herzkliniken einer Fibrinolyse mit dem Plasminogenaktivator Reteplase unterzogen. Untersucht wurden retrospektiv die Praktikabilität der Behandlung, die Komplikationen und Nebenwirkungen sowie die Mortalität der Patienten in der präklinischen Phase bis zum Erreichen der Klinik.
Ergebnisse
Die Zeit zwischen Symptombeginn und dem ersten medizinischen Kontakt betrug bei diesen Patienten im Mittel 114 ± 116 min. Die Diagnosestellung mittels EKG erfolgte mit im Mittel 7,6 ± 4,9 min innerhalb der von der ESC geforderten 10 min. Die Zeitspanne zwischen Ankunft des Notarztes bis zum Lysebeginn lag mit 13,2 ± 6,7 min deutlich unterhalb der von der ESC empfohlenen max. 30 min. Patienten mit inferiorem STEMI stellten die größte Untergruppe dar. Infarktassoziierte Komplikationen waren mit 39 Fällen (25 %) relativ häufig, darunter bei 15 Patienten (9,6 %) ein bei Ankunft des Notarztes bereits bestehender kardiogener Schock, der aber in allen Fällen beherrschbar war. Kein Patient verstarb innerhalb der präklinischen Phase. An lyseassoziierten Nebenwirkungen zeigten sich lediglich 2 unkomplizierte Schleimhautblutungen.
Schlussfolgerung
Die leitliniengerechte präklinische Fibrinolyse bei STEMI stellt in Notfallsituationen mit langen Transportzeiten zum nächstgelegenen Herzkatheterlabor auch heute noch eine praktikable Methode dar. Voraussetzung ist allerdings eine sehr gute Schulung der Notärzte bezüglich EKG und Lysetherapie sowie eine Einbindung der beteiligten Herzkliniken im Rahmen eines Netzwerkes.